es geht um herzrasen

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Ingwer

Mitglied
einen wunderschönen guten morgen hatte die frau sich zwar schon nach dem aufstehen gewünscht, denn positiv bleiben ist handlungsregel.
trotzdem hatte sie den fön in der handtasche wie andere frauen den lippenstift.
man weiß nicht, wo man landet.
wenn man eine badewanne braucht, findet man auch eine.
es gibt universalien im leben.
die zettel, die die nachbarin unter der tür durchschiebt gehören auch dazu.

nachmittags kollidieren fingerknöchel mit hartholz und haben erfolg, weil die knochen schmerzen und die nachbarin öffnet. der wunderschöne gute morgen, im laufe des tages schon arg malträtiert vom granitenen himmel und vom endgültig erschöpften dispo, winselt um gnade.
im schatten von eiche rustikal geht es um ernste gespräche.

Ihr schuhgeklapper hört man durch die wand. müssen denn absätze in der wohnung sein? macht doch auch nur macken ins parkett. ihre musik ist zu laut. und der ganze kram vor der tür. müssen die inlineskates da rumstehen? und die riesenpflanze? und wann haben sie überhaupt das letzte mal den flur geputzt? sie sind einmal im monat dran, wie jeder andere im haus auch.

die nachbarin schnattert und schnattert und läuft dabei in ihrer biolekschürze durchs eichenbewandete wohnzimmer, immer mit blick zum fenster. (es könnte ja irgendetwas spannendes passieren. das höchste wäre ein 11X-wagen. ambulanz, feuerwehr, polizei.)
die frau sagt nichts, was die nachbarin zu noch lauterer schnatterei veranlasst.

das eine sag ich ihnen, wenn das so weitergeht, werde ich mich beim vermieter beschweren. und eine anzeige wegen ruhestörung bekommen sie auch.
und noch was: die wiese unten ist keine liegewiese. das ist ein englischer rasen. und privat. alle anderen mitbewohner halten sich daran.

die frau wünscht einen wunderschönen tag und geht.

die wiese unten ist natürlich keine liegewiese. sie ist das bisschen grün, das es in großstadthinterhöfen manchmal gibt. und sie ist herzförmig, was daran liegt, dass großstadthinterhöfe manchmal eine etwas asymmetrische form aufweisen.
natürlich ist es keine liegewiese. die ränder schneidet der nachbar mit der nagelschere.
im sommer passen zwei stühle und ein billiger kleiner grill drauf und die nachbarn freuen sich, dass ihr eckchen so sichtgeschützt ist.

spät abends ist es dunkel auf dem herzrasen. heute besonders, denn der mond liegt irgendwo im erdschatten.
der nachbar ist pünktlich. wie immer. sie verlangt vorkasse. wie immer.
herzrasen. darum geht es ihm.
die nachbarin schaut gute zeiten schlechte zeiten, eine alte folge von vor drei jahren. mittlerweile hat sie 798 videokassetten.

die frau knöpft sich zu und sieht den nachbarn als formlosen schatten auf dem herzrasen liegen. das macht er manchmal. verhinderter schauspieler oder exhibitionist.
sie geht hoch. die fassade wird hergerichtet, die substanz dahinter noch ein wenig mehr durchlöchert, natürlich in routinierter reihenfolge. erst duschen, dann die geldscheindroge.
mit derselben routine packt sie den fön wieder in die handtasche und verlässt die wohnung.

als sie unten aus der tür tritt, biegt der krankenwagen mit sirene spektakulär um die ecke und hält vor dem haus.
die frau schaut nach oben und sieht die nachbarin am fenster, mit kissen unter den speckigen armen und freudig aufgerissenen augen.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
echt

atemberaubend. ich bekam überhaupt nicht mit, wer was zu wem gesagt hat. wessen skater stehen im flur? wer ist dran mit putzen? weswegen kommt der krankenwagen? wozu trägt die frau den fön mit sich herum? und alles toppt der Exibitionist.
lg
 

Ingwer

Mitglied
Hm. Schade. Vielleicht doch zu wenig Zeichen.

Wer hat was zu wem gesagt: Nur die Nachbarin beschwert sich über alles und jedes bei der Frau (also zum Beispiel auch über die Skates im Flur)
Den Fön trägt sie als Metapher mit sich herum. Überall gibt es Badewannen- sie ist verzweifelt. Will die Sicherheit, ihr Leben selbst in der Hand zu haben und trägt deshalb immer einen Fön mit sich herum, weil sie die Kontrolle über ihr Leben längst verloren hat. So hat sie immerhin die scheinbare Kontrolle über dessen Ende bei sich.
Der Nachbar- der Exibitionist- ist auf der Suche. Hinaus aus der Kontrolle, hinaus aus dem Trott mit seiner Frau, die sich kleinlich über jedes bisschen Leben beschwert und Seifenopern archiviert, nach draußen, auf den Herzrasen, zu Herzrasen, zu Adrenalin. Er ist nicht bereit, den Preis der Langeweile für sein Leben zu zahlen. Nur übersieht er, dass das andere auch seinen Preis hat.
Herzrasen.
Deshalb kommt der Krankenwagen.

Tut mir leid, dass es wohl nicht deutlich wird.
Ingwer
 

Rainer

Mitglied
hallo ingwer,

schwierige kost, aber nicht unbekömmlich.

leider krankt die schönheit des textes an einigen
(vermeidbaren :)) rechtschreibfehlern; ich versuch sie mal zusammenzukriegen und alles andere was mir auffiel gleich mit "anzukreiden":

das blöde word setzt den satzanfang manchmal groß - wenn alles klein geschrieben sein soll, dann aber bitte alles.

fingerknÖchel (wieso haben die erfolg WEIL sie schmerzen?)

vom grantiteneN

fehlt bei schnattet ein "r", oder ist das neudeutsch?

"(..., feuerwehr, polizei.)" warum eingeklammert?

von flammarion schon angemerkt: exHibitionist (da kenn` ich mich voll aus mit, ejh).


möglicherweise läßt sich noch mehr finden, aber von mir war es das.


achja..., der text ist wahrlich spitze. gesetzt den fall du verbesserst: ich stelle warmen pixelregen in aussicht :).


viele grüße

rainer
 

Ingwer

Mitglied
Hallo Rainer,

jaja, ich kenne mich nicht mit Exhibitionisten aus ;)
Jedenfalls ist jetzt verbessert und ich habe mal wieder gemerkt, dass ich zu schnell mit dem Einstellen von Texten bin.
Achja: Die Fingerknöchel haben Erfolg, WEIL sie schmerzen, also ihr Ziel erreichen. Und die Klammer steht, weil es nur eine Art Anmerkung ist. Im Film käme jetzt die berühmte Off-Stimme.

MfG
Ingwer
 
Hallo Ingwer

Hallo Ingwer,

ich persönlich finde die Geschichte eigentlich zu interessant um sie klein zu schreiben. Es werden Menschen beschrieben. Und deren Gedanken. Aber ist nur meine persönlich Meinung. Habe sie gerne gelesen.


In diesem Sinne ......Stephanie
 

Rainer

Mitglied
ich dösbaddel habe das mit dem "knöchelerfolg" jetzt auch endlich geschnallt...
na denn: spann mal den regenschirm auf :)
 

Roni

Mitglied
hallo ingwer,

die idee find ich klasse.
herzrasen
herz im rasen
herzklabaster bis zum notfall

das wird auch deutlich.

die nachbarin wird deutlich.
der nachbar auch.

wenn es dir aber darum geht (siehe dein antwortschreiben), die verzweiflung der frau deutlich zu machen, fehlen in der tat noch ein paar zeichen. auf mich wirkt sie eher abgeklaert, zweck-optimistisch (tolles wort), realistisch von der morgendlichen beschwoerung bis zur geldschein-orgie nachts, also eher verdraengend.

der foehn gefaellt mir sehr gut.

(im granit ist ein t zuviel)

gruss
roni
 

Ingwer

Mitglied
Hallo ihr alle,

erstmal vielen Dank für Eure Kommentare zu meinem Text:

@Stephanie: Texte, die von Menschen handeln, müssen groß geschrieben werden? Warum? Der Text ist klein, nicht, weil ich zu faul für die Großschreibtaste war, sondern weil ich wollte, dass die (Alltagsroutine) sich irgendwie in der Form widerspiegelt. Gleichförmigkeit, die weitergeht. Bei der koksenden Frau genau wie bei der Nachbarin, die noch nicht weiß, dass der Krankenwagen ihren eigenen Mann abholen kommt. Anfangs hatte ich jeweils den ersten Buchstaben der Absätze groß geschrieben, aber alles konstant klein finde ich nun doch besser.

@Gabi: Danke, werds verbessern. Musste aber erstmal darüber nachdenken, wieso "hoch" falsch ist ;)

@Rainer: :)

@Roni: Verzweiflung ist eigentlich das falsche Wort. Verzweiflung ist unter der Oberfläche ("die löchrige Fassade", zeigt sich ein wenig durch den Fön, der mit herumgeschleppt wird), außen ist eher Kälte, die "abgefuckte" Routine, vermehrt durch Drogen.
Niemand ist in dieser Geschichte glücklich.

Viele Grüße
Ingwer
 
hallo ingwer

So hatte ich es nicht gesehen und ich glaube auch nicht geschrieben. Ja, alles klein ist besser! War es halt nicht am Anfang. Trotzdem schöne Geschichte.


In diesem Sinne .......Stephanie
 



 
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