fossile eitelkeiten

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Liebe Elke,
in deinem Gedicht - so kommt es mir vor - hast du naturreligiöse und christliche Bilder zusammengefügt. Und ich meine, es ist dir gelungen.
Gruß
Karl
 
H

Heidrun D.

Gast
Ach,
wie apart kontrastiert der Rindenjargon ("alles geritzt") mit dem Übrigen ...

Ganz hin & weg:
Heidrun
 

ENachtigall

Mitglied
fossile eitelkeiten

alles geritzt
raunt die rinde
verletzlichen fleisches
am fuße eines baumes
blüht die erkenntnis
trotzig tiefe runzeln
ins erdige gestirn

der erste mensch
hieß ich nicht adam
legt sein zweischneidiges
schweigen auf
unser täglich brot und
füttert mit fahrigen händen
den himmel so taub



© elke nachtigall
februar 09
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Elke,

Irminsul kommt mir in den Sinn bei Deinem Text, der Weltenbaum der Sachsen, der von den Christen gefällt wurde.

Den Germanen bedeutete er ihr höchstes Heiligtum und es muss unverständlich bleiben, wie Menschen mit ihren Glaubensrichtungen andere versuchen, auszulöschen.

Jede Erkenntnis hat ihren eigenen Wahrheitsgehalt und wenn man dafür keinen Zugang findet, heißt es noch lange nicht, dass es keinen Wahrheitsgehalt gibt.

Den entweihten Sachsen blieb nichts anderes, als sich insgeheim immer wieder mit ihrem Wissen, dass allmählich immer tiefer im Erdreich versickerte, zu verbinden, um die alten Kräfte, am Leben zu erhalten und ihr eigenes Leben wieder auf magische Weise aufzuladen mit positiver Lebenskraft und Erdverbundenheit.

Wären doch auch wir, die wir zwar das Christentum kennen, es aber nicht so leben, wie es gedacht ist,nämlich mit Erhrfurcht vor allem Lebendigen, wieder erfüllt mit Liebe zu dem Planeten, den wir behausen und den wir schonungslos ausbeuten!


"am fuße eines baumes
blüht die Erkenntnis
totzige tiefe runzeln
ins erdge gestirn"


Wunderbar formuliert, wie bis heute das alte Wissen durchaus greifbar bleibt und man es finden kann, wenn man danach sucht.

Dein Text ist voller Leben und berührt mich.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, lieber Karl. Das Ausgangsthema ist "Eitelkeit". Ich bin selbst ein wenig erstaunt, dass es sich dieser durch die Religion geprägten Bilder bemächtigt hat.
Ich muss es erst noch etwas sacken lassen.

Liebe Grüße, Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Heidrun,

"der Rindenjargon" steht hier als modernes Zeichen, als Eintrittskarte ins Thema: es hat die Verbindung zur Überheblichkeit (mir kann keiner was), zur verletzten Eitelkeit, die selbstverständlich kaschiert wird, zum Hang zur Eigen-Plakatierung (Tättoos, Piercings, etc.), zur Selbstverstümmelung, die vielleicht aus einem Eitelkeitsdefizit herrührt.
Das Fossile folgt einfach den natürlichen Spuren.
Insofern liegt die Stärke - so denn das Gedicht davon hat - in der Verbindung beiden Begriffe.

Meine lieben Grüße. (Hoffe, du bist wieder gut bei Biss!)

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Vera Lena,

einen ganz herzlichen Dank für diese Assoziation, die mich neugierig macht, diese Quelle noch genauer nachzulesen!

Diese Parallele ist mir nicht in den Sinn gekommen. Nur wage erinnere ich mich an die Geschichte ...

Vorsätze für´s Neue Jahr brauche ich nicht mehr, seit ich aufhörte zu rauchen. Statt dessen kam ich auf die Idee, ein Jahresthema zu wählen. Das Thema Eitelkeit hat es mir besonders angetan, nicht weil ich mich für besonders betroffen halte. Probleme mit den Eitelkeiten meiner Mitmenschen quälen da schon eher. Aber womöglich ist das durchaus schon symptomatisch.
Es ist ein Zitat, das ich las, sinngemäß: den Menschen hindert am meisten die Eitelkeit daran, Frieden mit sich selbst zu schließen. Das hat mich gepackt.

Schön, dass ich eure zustimmenden Kommentare und Ideen dazu mit auf den Weg nehmen kann. Es ist doch immer wieder fantastisch, was so ein paar zusammengestellte Worte alles anstellen können...

Meine ganz lieben Grüße,

Elke
 

Walther

Mitglied
Eitel ist ein spannendes Wort. Seine Veränderung kann man aus dem Bild "eitel Freude" entnehmen. Heute sind Eitelkeiten zwar an der Tagesordnung, das Zeitalter der Egozentriker ist grandios und in jeder Geste eitel, früher war dieses Wort aber ganz anders in seiner Kernaussage.

Sprache ist selbst ein Faszinosum. Ihr Um- und Neu.be.deutung, ihr latentes Falschmünzen, ihr Ver.bergen und Auf.decken durchziehen die Lyrik mehr noch als die Prosa. Die Sprache ist auch, ja, wir erleben es hier in der Lupe täglich, eine Waffe. Sie wird be.herzt eingesetzt, um sozial zu töten. Der Stand.punkt "Oben.her.ab" ist gerade en vogue.

Der Himmmel ist nicht "so taub" - wir sind es. Wenn wir nicht schreien, glauben wir, wir würden nicht gehört. Doch wer gehört wird, der gehört da.zu. Rinden haben wir uns geschaffen aus den Wunden, die uns geschlagen wurden. Das Ge.stirn ist bei weitem nicht mehr erdig, es ist uns über den Kopf gewachsen.

Der Baum mag er.kennen, was auf ihn her.ab.regnet. Er.kennen wir's?

Gerne gelesen.

Gruß W.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Walther,

Deine vermeintliche Textanalyse ist der Versuch, eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns mit Spitzfindigkeiten, die Du an die Textbausteine heftest, auf die Spitze zu treiben.

So was spiele ich nicht.

Elke
 

Walther

Mitglied
Liebe Elke,

dann hast Du mich falsch verstanden. Vielleicht solltest Du anderen zutrauen, daß sie in der Lage sind, das eine und das andere auseinanderzuhalten. Dinge, die nicht öffentlich diskutiert werden, gehören übrigens auch nicht hierher, sonst hätte ich sie öffentlich gemacht. Ich empfehle einfach, die Regeln des fairen Umgangs auch im Falle einer Mißstimmung einzuhalten.

Dieses Gedicht ist ein guter Text, den ich aus meiner Sicht bewertet - mit "8" - und kommeniert habe. Als letzte Zeile schrieb ich
Das schreibt nur einer, der es genau so meint. Sonst braucht er es nämlich nicht zu schreiben.

Da gab es eigentlich keinen Interpretationsspielraum. Aber gut, sei es wie es sei.

Du schreibst gute Texte, ohne Zweifel. Aber jeder Mensch ist eines nicht, nämlich fehlerfrei. Aber das nur am Rande.

Bester Gruß

W.
 



 
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