friedhöfliches

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warmer spätsommer regen
spült staub von grauen steinen
hier ruhen friedlich
in familiengrüften und reihengrab
hoffnung enttäuschter gewohnheiten

marmortrauerweiber wohl geformt
an antike säulenstümpfe gelehnt
warten auf frauen in witwenschwarz
überschütten aus gießkannen
stiefmütterchen obwohl es regnet

neben kindergräbern welken kränze
breiten verbleichende spruchbänder aus
in stiller trauer deine Nachbarin
zerrt ihren asthmatischen dackel weiter
der sein bein gegen das grabkreuz hebt


und ein kind will wissen
wo ist mein papa jetzt
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Karl!

Die letzten beiden Zeilen würde ich streichen.
Die wirken zu aufgesetzt und zerstören diese typische Friedhofstimmung, die du bis dahin so treffend beschrieben hast. Der Knalleffekt passt hier m.E. nicht.
Aber ansonsten gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 
warmer spätsommer regen
spült staub von grauen steinen
hier ruhen friedlich
in familiengrüften und reihengrab
hoffnung enttäuschter gewohnheiten

marmortrauerweiber wohl geformt
an antike säulenstümpfe gelehnt
warten auf frauen in witwenschwarz
überschütten aus gießkannen
stiefmütterchen obwohl es regnet

neben kindergräbern welken kränze
breiten verbleichende spruchbänder aus
in stiller trauer deine Nachbarin
zerrt ihren asthmatischen dackel weiter
der sein bein gegen das grabkreuz hebt
 
H

Heidrun D.

Gast
Na Carlo mio,

da haste aber wohl von dir selber abgeschrieben ... ;). Ich kann mich noch genau an ein Gedicht erinnern, in dem es um eine Haltestelle, Friedhöfe und dackelzerrende Altdamen ging ...

Das hat mir damals sehr gut gefallen.

Andererseits isses doch gerade mal Sommer geworden, vielleicht nicht die richtige Zeit für all das, meint

mit sehr lieben Grüßen
Heidrun
 
Liebe Heidrun,
nein, abgeschrieben habe ich nicht. Ich war gerade auf einem Friedhof. Und es tut mir Leid, aber die alte Dame mit dem Dackel lief mir über den geharkten Friedhofsweg. Und da hast recht, das BHild habe ich bereits in einem anderen Gedicht verwendet.
Du bist offensichtlich eine besonders aufmerksame Leserin...
Das Gedicht hieß "immer wieder"
und damit du vergleichen kannst, hier der Text:

die blasse
novembersonne
treibt am nachmittag
ihre schattenspiele an
baumgerippen
stochert eine elster
im modernden laub
flackern kerzen
plastikrot

die alte zerrt ihren dackel
durchs kirchhofstor
ein grauhaariger
schiebt seinen
rollator richtung
jenseits der friedhofsmauer
spielen kinder
verstecken mit
dem anfang des endes

und immer noch
treibt die blasse sonne
schattenspiele



Herzliche Grüße
Karl
 
H

Heidrun D.

Gast
Genau Karl,

und es hieß "Immer wieder", jetzt fällt es mir ein.

Damals wäre ich vor Bewunderung für deine Enjambements fast gestorben ;) ; ich selber hatte ja noch so wenig Schreiberfahrung und wollte das alles ganz dringend lernen ...

Erinnerungsliebe Grüße
Heidrun
 
Liebe Heidrun,
wie gut, dass du am Leben geblieben bist, sonst müsste ich ja auf deine (und das meine ich jetzt ernsthaft) hilfreichen Kritiken verzichten...
Besonders liebe Grüße
Karl
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Lieber Karl,

ich bin mit der Streichung nicht ganz so glücklich, was mich störte war das Abgehobene. Meine Idee für den Schluss wäre:

zerrt ihren asthmatischen dackel weiter
und während der sein bein gegen das grabkreuz hebt
will ein Kind wissen
wo jetzt sein papa sei


LG Franka

PS. Da du die durchgängige Kleinschreibung gewählt hast, bitte die Nachbarin aus ihrer Sonderrolle holen.
 

revilo

Mitglied
Hallo Kalle, gefällt mir gut. Schade, daß Du die letzten beiden Zeilen gestrichen hast. Sie geben dem Gedicht einen bitter - bösen Anstrich! LG revilo
 
warmer spätsommer regen
spült staub von grauen steinen
hier ruhen friedlich
in familiengrüften
und reihengrab
hoffnung enttäuschter gewohnheiten

marmortrauerweiber wohl geformt
an antike säulenstümpfe gelehnt
warten auf frauen
in witwenschwarz
überschütten aus gießkannen
stiefmütterchen obwohl es regnet

welke kränze verbreiten
bleichende spruchbänder in
stiller trauer deine kinder
eine mutter zerrt
ihren asthmatischen dackel weiter
der sein bein gegen das grabkreuz hebt

und wo ist der papa jetzt
will ihr sohn wissen
 
L

label

Gast
Hallo Karl Feldkamp

dein Gedicht gefällt mir

besonders, dass es dir gelungen ist, in deiner Wortwahl ein klares Bild/Gefühl/Stimmung zu zeichnen, das mich mühelos eingefangen hat. Das sich nicht wilder Assoziationen bedient, die man erst mühsam erjagen muss, um das Gesamtbild zu erfassen, sondern dass die Assoziationsfülle bei jeder Zeile entgegenquillt und zusätzliche Tiefe erzeugt.

sehr gerne gelesen
label
 
warmer spätsommer regen
spült staub von grauen steinen
hier ruhen friedlich
in familiengrüften
und reihengrab
hoffnungen enttäuschter gewohnheiten

marmortrauerweiber wohl geformt
an antike säulenstümpfe gelehnt
warten auf frauen
in witwenschwarz
überschütten aus gießkannen
stiefmütterchen obwohl es regnet

welke kränze verbreiten
bleichende spruchbänder in
stiller trauer deine kinder
eine mutter zerrt
ihren asthmatischen dackel weiter
der sein bein gegen das grabkreuz hebt

und wo ist der papa jetzt
will ihr sohn wissen
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Karl!

Jetzt sind die zwei Schlusszeilen ja wieder da und ich muss trotz aller Gegenstimmen immer noch sagen, dass ich damit nicht glücklich bin.
Wenn als Verfasser nicht Karl Feldkamp genannt wäre, würde ich sagen, das ist in Ordnung so.
Aber wenn man Gedichte auf deinem Niveau schreibt, dann hat man doch eine solche Effekthascherei gar nicht nötig.

Meint mit lieben Grüßen
Manfred
 
Lieber Manfred,
bin hin- und hergerissen. Sehe deine Argumente ein. Habe aber auch noch ein wenig verändert...
Ich brauche noch Bedenkzeit.
Gruß
Karl
 
warmer spätsommer regen
spült staub von grauen steinen
hier ruhen friedlich
in familiengrüften
und reihengrab
hoffnungen enttäuschter gewohnheiten

marmortrauerweiber wohl geformt
an antike säulenstümpfe gelehnt
warten auf frauen
in witwenschwarz
überschütten aus gießkannen
stiefmütterchen obwohl es regnet

welke kränze verbreiten
bleichende spruchbänder in
stiller trauer deine kinder
eine mutter zerrt
ihren asthmatischen dackel weiter
der sein bein gegen das grabkreuz hebt
 



 
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