große freiheit nummer null

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markus s

Mitglied
große freiheit nummer null


gewünscht
gezeugt
geboren

in leergesprochenen nächten

auf goldenen tablett
über fremde hände
gereicht
erzogen
gezüchtigt

die ersten jahre
balettschuhjahre
vater-mutterwunsch
tanzen soll sie tanzen

nach durchtrainierten kinderjahren
floh sie
in die stadt
freiheit finden

nun räkelt sie sich
um eisenstangen
füttert glänzende augen
für ein paar scheine
gibts nachtisch
der letzte stoff
fällt zu boden

direkt vor erbrochene rufe

tanzen soll sie tanzen
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo markus s,

es fehlt irgendwie das Warum.
Warum kam nach der Flucht das Rotlicht?

Solche Geschichten haben es schwer, aus der Beliebigkeit herauszukommen. Zwar gelingen Dir aussagekräftige Bilder, aber es wirkt zu steril.

cu
lap
 

KS

Mitglied
antwort

Kinder wollen aus der armut fliehen, manche nehmen die falsche richtung und merken es – zu spät.
Stärker, genauer und treffender kann man ein schicksal, zu dem man nähe hat, nicht verdichten und in worte fassen.
In dem gedicht bewundere ich die schärfe, genauigkeit und zugleich die distanz des schreibers, mit der er eine geschichte darstellt, die berührt und zugleich erschüttert.

GROSSE KLASSE DAS GEDICHT.
 

zarah

Mitglied
Hallo KS,

ich glaube kaum, dass der Autor hier von einem Kind spricht, das aus der Armut fliehen will; da sprechen so manche Stellen dagegen.
Ich denke, dass hier ein im übertragenen Sinn "armes" Kind gemeint ist, dem es eher in emotionaler als in materieller Hinsich an etwas fehlt.

LG
Zarah
 

zarah

Mitglied
ich möchte noch nachreichen, was mich zu meiner Ansicht veranlasst hat, dass hier ein Mensch beschrieben wird, welcher aus einem “goldenen Käfig” ausbricht und sich dann nicht in der Welt zurechtfindet:
A) “auf goldenen tablos”: Habe hier Tableau gelesen, also auf goldenem Tablett; das passt dann für mich nicht zu Armut.
B) “über fremde Hände”: Habe mir hier mehrere (fiese) Kindermädchen oder sowas in der Art vorgestellt (wg. dem goldenen Tablett).
C)“Ballettschuljahre”: Das Wort Ballet verbinde ich mit der sogen. Oberschicht.

Daneben frage ich mich auch, warum es in der ersten Strophe “gewunschen” heißt. Das Wort kenne ich so nicht, aber egal.
Trotzdem meine ich es würde sich besser anhören zu schreiben:

gewünscht
gezeugt
geboren

Zarah
 

Balu

Mitglied
hallo markus

was fällt mit zu deinem text ein?
-eltern , die sich selbst nicht viel zu sagen haben,
übertragen alle emotionen, alle hoffnung auf das kind und lähmen seine eigene entwicklung und kritikfähigkeit durch klammern.

- zwangsläufig folgt die flucht in eine freiheit, die nicht
funtioniert, weil das mädchen nie gelernt hat, frei zu leben
- dann das rotlicht, das für sie immer noch besser ist, als ihr fragwürdiges zuhause

hab deinen text gelesen und darüber nachgedacht
also ist er angekommen

Gruß
Knut
 

mitis

Mitglied
für mich ist es ein mädchen, das von zuhause ausreißt, dem allgemeinen leistungsdruck (symbolisiert im balletttanz) entflieht und schließlich als gogo-girl in einer striptease-bar landet (wieder "tanzend")
und wenn es so ist, dann ist es ein hochaktuelles gedicht!
 



 
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