horror

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bluesnote

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Es gibt einen Ort, da gibt jede Kuh, die man in den Stall stellt, oder zum grasen auf die Weide führt, Blut statt Milch! Und nur meine Eltern, ein paar Wesen und ich wissen, warum.
Ein Verrat fand schon einmal statt, aber in der Gegenwart ist es nicht mehr weiter tragisch, wenn ich mich an diesem Tag mit einem Banane - Kirsch Drink auf meinem Balkon zurückziehe und über eine Begebenheit schreibe, die sich in einem kleinen Flecken im tiefsten Niedersachsen ereignet hat, dessen Namen ich hier nicht nennen will; um der Nachfahren der Familie willen, um die es hier letztendlich geht.
Um nicht der Befürchtung anheim zu fallen, die seinerzeit schon ein großer Schriftsteller hegte, eine seiner Geschichten in einen etwas umständlichen Bericht ausarten zu lassen, halte ich mich fest an meinem Bleistift und ziehe mich zurück bis zu einem sonnigen Tag in meiner Kindheit, an der ich eine Entdeckung machte.
Die Sommer in dieser Zeit, in der sich zum vierzehnten Mal mein Geburtstag näherte, zeichneten sich vor allem dadurch aus, das die Sonne schien, und das es heiß war, so heiß, das die Luft waberte wie Wackelpudding in der Schüssel. Wir lebten in einem gottverlassenen Ort mitten zwischen Hamburg und Bremen, ein schäbiges altes Haus mitten zwischen Feldern, Weiden und Bauernhöfen war unser zuhause. Dem, -wie kann es anders sein-, zufällig Durchreisenden oder Verirrten wäre sofort eines aufgefallen, die Staubwolken, die selbst bei der leichtesten Brise träge von den langgezogenen Feldwegen aufstoben und dann förmlich trostlos in der Luft hingen. Auf den Feldern wurden die üblichen Getreidesorten angepflanzt: wie Gerste und Hafer; Kartoffeln, so weit das Auge reichte; und es gab eine Menge Vieh: Schweine, Kühe, Federvieh, ja, selbst Kaninchen wurden hier heran gezüchtet und für die Ernährung genutzt. Nicht weit, gegenüber der einzig asphaltierten Strasse, die an unserem Heim vorbeizog und hinaus führte in die Welt, wie die Einheimischen zu sagen pflegten, stand ein Bauernhof, der zwei Kindern, Junge und Mädchen, und ihrer Mutter ein Heim bot; der Bauer selbst war schon seit längerem verschollen. Mangels anderer Spielkameraden in der Nähe waren diese Kinder der einzige gleichaltrige Umgang für mich außerhalb der Schulzeiten. Heutzutage surfen Kinder im Internet, warten auf die neuesten Updates ihrer favorisierten PC - Spiele, die ihnen Unterhaltung und Abwechslung bieten mögen; für uns in diesen Kindertagen aber kam eine aufregende Zeit im Jahr, in der die Bauern eine Menge Vieh schlachteten, um Schinken zu räuchern und anschließend auf ihren Dachböden abhän-gen zu lassen, um Fleisch in Mett zu verwandeln und es zu verwursten, Rindfleisch und Knochen für die Suppe in einzelne Portionen zu verpacken; das war eine Seite ihres Broterwerbs.
Natürlich mochten wir Kinder alle Tiere des Hofes, gaben einigen von ihnen sogar Namen, doch gehörte es zu einem Teil unseres Lebens, das eines Tages der Abschied kam; und da dies für uns Gewohnheit war, überkam uns nur kurz eine leichte Trauer. Wir hatten die Lebewesen, die uns einem kleinen Teil unseres Lebens begleitet hatten, schnell vergessen; zuviel neues gab es für uns zu entdecken. Am Ende eines dieser Tage, an dem der Schlachter gegangen war und neben den Schobern aller Höfe das unbrauchbare Gedärm des Schlachtviehs Heerscharen von Fliegen anzog und die gesäuberten Rinder- und Schweinehälften an den Schenkeln auf einer stehenden Leiter gebunden der weiteren Verarbeitung harrten, sah ich vom Eingang des Hofes her, wie die Mutter meiner beiden Freunde einen blechernen Eimer aufgefangenen Blutes, das vormals einem geschlachteten Rind gehörte, ins Haus trug; mit der Neugier, die Kindern eigen ist, interessierte mich der weitere Verbleib dieses roten Saftes. Von ihrem Standpunkt bis zum Tor hatte sie mich nicht bemerkt, vielleicht bot das umherlaufende Federvieh zuviel Ablenkung, um einen kleinen Jungen zu bemerken.
Sie verschwand zum Haus hin, sah sich verstohlen nach links und rechts um, lächelte dabei, hielt eben diesen Eimer voller Blut in Händen, und ich wollte es damals wissen, was genau sie mit dieser sicherlich noch warmen Flüssigkeit vorhatte. Geduckt wie ein Indianer auf dem Kriegspfad schlich ich um einen der Kaninchenställe, ein Hund gab es auf diesen Hof nicht, und diese Tiere waren nahezu unfähig, Laute der Warnung abzugeben, also bewegte ich mich weiter zum Eingang des Hauses, hinter der die Bäuerin verschwunden war. Je näher ich der Tür kam, desto mehr zitterten mir die Knie, doch meine Neugier war übermächtig, schon presste ich mein Ohr an das Eichenholz des Eingangs: Ich lauschte!
Zuerst vernahm ich ein kurzes Scheppern, das von Blech, es war sicherlich der Eimer, den die Frau auf einen Tisch wuchtete, doch was war das? Plötzlich das dumpfe Mahlen wie von Zahnrädern, die ineinander griffen, um irgend eine Arbeit auszuführen; nur welche, fragte ich mich? Das Geräusch schwoll zu einem Rattern an, das nicht übermäßig laut wurde, der Auslöser, der meine Neugier noch verstärkte und mich verleitete, die Eingangstür vorsichtig einen Spalt weit zu öffnen. Trotz dem auf der anderen Seite des Raumes Licht durch ein Fenster fiel, sah ich im Moment nichts, dieses Licht blendete mich einen Augenblick, doch hörte ich jetzt leichtere Schritte, die beiden Kinder, die sich um ihre Mutter scharrten. Dieses mahlende Geräusch hielt weiter an, ich lugte genauer durch den Spalt, und jetzt sah ich ihren Rücken und die kreisende Bewegung einer ihrer Arme; sie drehte sich dabei ein wenig zur Seite, schaute auf ihre Kinder, die sie erwartungsvoll anblickten; und nun konnte ich sehen, was es war, was sie dort bediente: es war ein Fleischwolf, mit einem überaus großen Trichter, der über dem Gerät thronte. Von dort kamen auch diese mahlenden Laute, aus der unteren Öffnung quoll das zerkleinerte Fleisch, das sie in einer Schüssel fing.
Nun nahm sie etwas von dem Blut aus dem Eimer und gab es in die Schüssel mit dem Met, dann rührte sie eifrig, um gleich danach in den Taschen ihrer Schürze zu nesteln: hervor holte sie einen großen matten silbergrauen Löffel, den sie hoch über den Häuptern ihrer Kinder hielt, wie ein Magier seinen Zauberstab, der bereit ist, damit seinem Publikum eine Illu-sion zu bereiten, die ihm nach der Show die Ahh's und Ohh's der staunenden Menge versicherte, und dem nachfolgenden Applaus. Doch welche Befriedigung meiner Neugier wurde mir geboten, sie verfütterte ihren angerichteten Blutbrei an ihre Kinder, und zwar, bis der Löffel auf dem Grund der Schale kratzte; das entlockte mir allenfalls ein angewidertes Gesicht, keinen Ausruf der Verwunderung, und Applaus gab ich auch nicht, bevor mich jemand entdeckte, schloss ich leise die Tür.
- Nicht von dieser Welt -, wäre wohl meine Antwort gewesen, wenn man mich damals auf diese Bilder angesprochen hätte, ich überlegte, mit wem sollte ich darüber reden; meinen geplanten Besuch brach ich lieber ab und trottete heimwärts. Zuhause angekommen, traf ich auf meine Mutter, sie stand mit dem Rücken zu mir und breitete Wäsche auf einem Bügelbrett aus, die sie dann reichlich mit Wasser einsprühte, um dann mit einem schweren Bügeleisen; viel zu klobig für ihre zarten Hände, darüber zu fahren, sorgsam legte sie gleichmäßig die Ärmel der Kleidungsstücke zusammen, faltete das ganze ordentlich, um es dann liebevoll in einem gewaltigen Schrank zu verstauen. Sie bemerkte mich, sah mich an und wusste im nächsten Moment, das ich etwas auf dem Herzen hatte. Zaghaft begann ich, ihr Einzelheiten des eben erlebten zu berichten, - was sind das für Leute? - endete mein Bericht. Sie strich mit ihrer Hand über meine Wange und setzte sich dabei auf die Kante des Waschzubers, - andere Leute, andere Sitten , andere Leute und ihre Probleme -, so begann sie zu sprechen. Sie erzählte mir davon, das der Bauer eines Tages bei Vollmond verschwand, und Frau und Kinder zurück ließ, einfach so wegblieb, einer der Onkel kam regelmäßig, um die schwersten Arbeiten, die auf dem Hof anfielen, mit dem Rest der Familie gemeinsam zu erledigen. War das Verschwinden des Oberhauptes schon seltsam genug, niemand wusste, wohin und warum er gegangen war, aber ein paar Tage nach seinem Verschwinden kamen hier und da die Leute des Dorfes zusammen und klagten darüber, das ihnen Vieh abhanden gekommen war; meistens waren es kleinere Tiere, ein Huhn oder ein Kaninchen, aber es sollte vorkommen, das auch schon mal ein Schwein fehlte, verschwunden bis auf einen Rest Blut im Stroh. - Kein Hund schlägt an, kein Tier, das durch nervöses Scharren oder ängstliches Blöken oder Muhen seinen Besitzer alarmieren würde -, so schloss sie ihre Erzählung. Diese Worte reizten mich, meine Ohren auf Berichte von fehlendem Vieh zu spitzen, fortan war ein Detektiv unterwegs im Dorf; und tatsächlich, es dauerte nicht lange, bis ich ein Gespräch zwischen zwei Bäuerinnen beim Einkaufen belauschen konnte, die genau über den Vorfall eines Viehdiebstahls lautstark lamentierten. Auch hier war nichts zu bemerken gewesen, bis am frühen Morgen der Bauer das Fehlen einer ganzen Kuh bemerkte, allein der abgerissene Kopf hing noch an einem Strick in der Einstellbox. Meine Mutter hatte recht behalten, jetzt, wo ich speziell darauf achtete, über was sich die Leute im Dorf unterhielten, wurde mir bewusst, das irgend etwas umherging in der Umgebung, und dabei fiel mir ein, wir Kinder sollten die Wälder der Gegend, die hinter den Feldern begannen, meiden. Aber ich brachte es noch nicht zusammen, ob das eine mit dem anderen zu tun hatte.
Der Detektiv würde weitere Ermittlungen anstrengen müssen.
Andere Kinder hatten nachts die Fenster in ihren Zimmern geschlossen, um eventuelle Geister, die draußen herumschleichen sollten, fernzuhalten, ich konnte nachts in meinem Bett alles ertragen; nur eines nicht: Stille. Es ängstigte mich nicht, wenn Schatten von den Zweigen der Bäume, die draußen der Mond beschien, an der Zimmerdecke zum Konzert des Windes tanzten, aber Stille konnte ich nicht ertragen; selbst im kältesten Winter musste mein Fenster wenigstens einen spaltbreit geöffnet sein, damit ich den Wind hören konnte, wie er sich in den Kronen der Bäume verfing, um dort seine schaurige Melodie zu spielen. Ich lag auf meinem Bett, die Hände hinter dem Kopf gefaltet, sah dem Spiel der Schatten zu und überlegte, wie ich es anstellen sollte. Ich musste hinaus, Himmel ja, musste beobachten, vielleicht sogar in die unbekannte Zone hinter den Feldern; doch kämpfte ich noch mit einem Rest zauderndem Bangen. Dann hatte ich eine Idee: ich sprang auf und griff in das Regal neben den ganzen aufgereihten Karl May Bänden, die für mich einen Schatz bedeuteten, genau wie das Fahrtenmesser in der braunen Lederscheide, ein Geschenk vom letzten Ge-burtstag. Ich zog die Klinge heraus, schaute auf den blinkenden Stahl: durfte ein Indianer Angst haben? Die Antwort war klar: Nein! Ich fühlte mich wohler, als ich mich ankleidete und das Messer an meinem Gürtel hing, so stieg ich hinaus aus dem Fenster, bereit, eine erste Fährte aufzunehmen. Lautlos, wie ein Apache eben, so stahl ich mich geduckt davon, den Grizzly zu jagen, der mit einem gewaltigen Schlag seiner mächtigen Pranke der armen Milchkuh, die ihre größte Pein hinter sich hatte, den Rest ihres Körpers vom Kopf trennte. Das in meiner Phantasie die Kuh zu einem riesigen, alles zermalmenden Bison wurde, störte mich nicht im geringsten; heizte mich nur noch an. Ich war im Jagdfieber und nicht mehr zu retten!
Trotz aller Begeisterung war mir natürlich bewusst, das niemand auf blauen Dunst einfach losstapfen und sich auf die Suche nach einer Person begeben konnte; schon gar nicht in die-ser Dunkelheit, und dann noch in den Wald hinein. Was ich brauchte, war eine erste Spur, den Anfang des Zwirnsfadens, und dazu fiel mir ein, zuerst das Haus meiner Beobachtungen aufzusuchen, um hoffentlich erneut sonderliches zu entdecken. Durch unseren Garten über die Strasse war es einfach, das Licht von Laternen gab es hier eh nicht, ich bemühte mich nicht sonderlich, Deckung zu suchen, am Rande des nachbarlichen Hofes angekommen, duckte ich mich und schlich an einen Baum heran, der in der Nähe der Eingangstür stand und mich vorerst genügend versteckte. Ich schalt mich töricht ob meines Vorhabens, als wenn nun auf Kommando die beobachtete Tür aufgehen und die Familie mir so etwas wie eine mitternächtliche Show bieten würde. Sicher würden alle ruhig schlafen außer ich, der volle Mond befand sich bereits hoch über meinem Kopf und ich war froh, das wir uns am Anfang der Sommerferien befanden. Ich hing noch meinen Gedanken nach, als ein Geräusch mich aufhorchen ließ, ich blickte nach vorn, die Eingangstür öffnete sich, heraus schlichen zwei kleine und eine große Gestalt; schattengleich, nur ihre Augen leuchteten merkwürdig gelb im Mondlicht. Ich lugte an der Borke des Baumes vorbei, sah die Szene, starr und jeder Bewegung unfähig. Wo war mein Mut geblieben, auf den ich anfangs so geschworen, nach einer kurzen Umsicht setzte sich die Gruppe in Bewegung, entfernte sich aus meiner Sicht, langsam glitt meine rechte Hand zum Schaft meines Fahrtenmessers und in dem ich den Griff des Messers umschloss, ging ein Gefühl wie Zuversicht durch meinen Körper, gab mir neue Energie und einen Teil meines Tatendurstes zurück. Trotz allem wartete ich eine ge-raume Weile, wollte mich natürlich auf keinen Fall entdecken lassen, dann folgte ich ihrer Richtung und wie schon vermutet, führte ihr Weg in die verbotene Zone.
Übermächtig der Waldrand, vor dem ich stand, ich war angekommen, hier endeten die Felder; und meine kleine Welt. In weitem Abstand war ich ihnen gefolgt, nun suchte ich einen geeigneten Eingang in diesen Forst, ging ein paar Schritte nach links, ein paar nach rechts, unschlüssig blieb ich stehen, blickte auf das Grün; dann sah ich einen kleinen Pfad. Und meine Neugier siegte, ich betrat diese grüne Hölle.

Gleich hinter der zweiten Baumreihe lag in dem hohen Gestrüpp ein vom Sturm und Alter gefällter Baumriese, den, wollte ich auf dem Pfad bleiben, überwinden musste, denn links und rechts des schmalen Weges waren die Büsche einfach undurchdringlich. An einer Stelle des Stammes krümmte das modrige Holz sich vom Boden her nach oben, ich wollte mich darunter herschieben, schon setzte ich es in die Tat um; wagte aber nicht daran zu denken, was sich an Krabbeltieren in der vermoderten Borke befinden mochte, noch was im Gras auf dem Boden verborgen vielleicht auf mich wartete. Ich machte mir Mut, in dem ich an meine Freunde dachte, um deren willen ich mich in völlig unbekanntes Terrain begab. Sollte ich da vor ein paar Käfern zurück schrecken, Nein! Das Gras kitzelte mein Gesicht, als ich dicht an meinem linken Ohr ein Geräusch vernahm. Ich stockte einen Moment in meinen Bewegun-gen, das Geräusch blieb, ich schloss die Augen, wollte jetzt nicht in Panik geraten. Mir war, als wäre ich in einem schalldichten Raum und nur dieses eine eklige lauter und lauter werdende Geräusch von raschelnden, knisternden Gras (ich fand, es war das hässlichste auf der Welt) war nur zu hören. Das Geräusch wurde lauter, wie laut musste es noch werden, bis dieses etwas ganz an mein Ohr war. Ich kroch jetzt hastig und krampfhaft vorwärts, so wie es meine Kräfte gerade erlaubten, allein, meine Eile nutzte nichts, das Rascheln hörte sich jetzt nur noch näher an. Plötzlich ein Zischen direkt an meinem Ohr, ein gewaltiger würgender Laut, dann ein alles übertönendes "Quak".
.... ein Ochsenfrosch wollte partout nicht weichen und hatte endgültig seinem Ärger Luft gemacht. Er hatte seinen Kehlsack mit Luft gefüllt, daher das Zischen! Wenn ich es hier in der unübersichtlichen Enge gekonnt hätte, hätte ich das Vieh am liebsten erschlagen! Die Tiere, die sich normalerweise an Tümpeln aufhielten, kamen morgens, wenn die Wiesen noch feucht vom Tau waren, bis an den Rand des Dorfes. Sie nahmen die Mühen eines längeren Marsches auf sich, weil es dort verlockend Fressbares gab, und wenn es die großen Schmeißfliegen auf den Dunghaufen waren. Ich stieß mir den Kopf, weil ich vor Schreck hochgefahren war. Sobald ich unter den Stamm hervorgekrochen kam, säuberte ich meine Sachen, indem ich sie abklopfte, beugte mich hinunter, wischte noch einen Käfer von einem meiner Hosenbeine und musste trotz allem lachen. Ich fand die Situation idiotisch, ich richtete mich gänzlich auf, immer noch lachend setzte ich meinen Weg fort, weiter hinein in den Wald; und noch etwas, ich hatte, seit dem wir hier lebten, nicht soviel Unterhaltung auf einmal gehabt.
So trottete ich fröhlich durch den Wald, schüttelte verwundert über mich selbst und meinem seltsamen Vorhaben, Licht in das Gebaren dieser Familie zu bringen, den Kopf, war es über-haupt richtig, was ich hier tat, nannte man das, was ich hier vorhatte, nicht - "Schnüffeln" -; ein gewaltiges Geheul, das in der Ferne anhob, sagte mir, das es nicht richtig war; und zuhause war weit weg. Zweige der niederen Büsche streiften meine grobporige Haut, als ich auf die Schnelle ein geeignetes Versteck aufsuchte, eine kleine Senke im Waldboden schien mir genau richtig, konnte man sich vor so einem Untier, das ein dermaßenes Geheul ausstieß, überhaupt verstecken? Was blieb mir anderes übrig, ein Blick in die Runde knapp über den Boden sagte mir, das ich mich verirrt hatte, also, die Flucht nach vorn? versuchen, das Spiel zu überblicken und somit die Kontrolle über das Geschehen zu bewahren? Das schien mir im Moment die beste Möglichkeit, meine Angst unter Kontrolle zu bringen. Es war eine ganze Weile still, ich kroch heraus aus meinem Loch mit dem bangen Gedanken, das, wenn ich nach hause finden wollte, vielleicht bis zum Morgengrauen in diesem Wald aushalten musste, und zu versuchen, welches Untier auch immer hier hausen mochte, zu entkommen. Mit zitternden Knien bewegte ich mich langsam vorwärts, ständig wollte ich vermeiden, das morsche Äste und kleinere Zweige unter meinen Füssen knackten, was mir nie ganz gelang; bis ich auf weiches Waldmoos geriet, auf dem sich angenehm gehen ließ, ich wanderte darauf weiter bis zum Rande einer Lichtung mitten im Wald, die von großen Findlingen umsäumt wurde.
Neuerliches schauriges Geheul schreckte mich abermals auf, doch diesmal mischten sich hellere Stimmen darunter, ganz in der Nähe, als wenn ein Wolfsrudel mitten auf der mondbeschienen Lichtung sein Lager aufsuchte, um den großen runden Mond seinen Tribut zu zollen mit einer außergewöhnlichen mitternächtlichen Arie. Nur noch um einen Stein musste ich herum; Wölfe gab's hier schon lang nicht mehr, das wusste ich, aber ich wollte jetzt wissen, was es dann war; ob ich an das Ziel meiner nächtlichen Expedition angelangt war.
Als ich endlich sehen konnte, was sich auf der Lichtung im milden, goldenen Licht abspielte, trieb's mir die Tränen in die Augen, ich wusste sofort, eine Familie hatte sich gefunden, die Nachbarskinder hockten vor einer riesigen Gestalt, die sich in einem dunklen Pelz darbot und winselten freudig zu ihr hoch, die Mutter der beiden umarmte ihren Mann; ich wusste, sie mussten es sein, auch, wenn ihre Kleidung nun ein pelziges Fell war und ihre Münder spitz zuliefen wie das Maul eines Wolfes eben. In dieser mittenächtlichen Stunde hatten sie sich wieder vereint, wer weiß, zum wievielten Mal schon; und mir wurde bewusst, ich hatte mich in etwas eingemischt, was mich nichts anging; würde ihr Geheimnis ein Mensch wissen, brauchte es nicht lang, und es würden alle wissen! Und so kam es dann auch.

- Gestehe! - meine Eltern rüttelten mich links und rechts an den Armen, natürlich hatten sie meinen nächtlichen Ausflug bemerkt, warum nur hatte ich meine Mutter belastet, ihr von meinen Beobachtungen im Nachbarhaus berichtet, unter Tränen erzählte ich von dem Geschehen an dem uns Kindern untersagtem Ort; verriet, was niemals hätte verraten werden dürfen; die Tränen, die ich weinte, waren vor allem Tränen der Scham.
Sie holten ihre Mutter bei Tag, in den Stunden, in denen sie für Menschen ungefährlich war, in der anschließenden Nacht hallten Schüsse silberhell über die Felder, der Nachtwind trug ihre Echos bis zu unserem Heim an meine Ohren, und mir war's, als drangen sie direkt durch mein gepeinigtes Herz. Während die Bäuerin in der Psychiatrie verblieb, brachten sie die Kinder fort in ein Waisenhaus, von dem ich wusste, das es ganz in der Nähe am Rande des nächsten Ortes lag.
Nach einigen Tagen, der Hof wurde bereits von einem eingesetzten Bauern verwaltet, kam mir der erste Verdacht, das die beiden Geschwister zumindest nachts unterwegs waren, wie sie das auch schaffen mochten, aus dem behüteten Haus herauszukommen, das zu bewerk-stelligen, mochte wilden Tieren, welche die Freiheit über alles liebten, vorbehalten bleiben, jedenfalls fand ich erste Zeichen ihrer Besuche vor meinem Fenster. Da stand nach jeder vergangenen Nacht eine Schüssel neben einem Beerenstrauch in unserem Garten, darin be-fand sich eine Schöpfkelle und ich wusste sehr wohl, was das zu bedeuten hatte; und von wem sie gefüllt werden sollte. Um Abbitte zu leisten, nahm ich mich der Aufgabe an, den beiden ihre wahre Nahrung zu besorgen, in der Nacht stand ich auf und besorgte mir ein Messer aus der elterlichen Küche; ich musste vorsichtig sein, kein Geräusch wollte ich auf den blanken Fliesen erzeugen, das Fahrtenmesser war mir vom Vater genommen, das war meine Strafe für den begangenen Ungehorsam, der den Anfang allen Elends für die Nach-barn einläutete. Und es war der Anfang des Sterbens unter den Hühnern und allen Kaninchen auf dem Hof, die neugeboren, nur ein paar Tage alt, der Häsin vor der Nase weg aus dem wärmenden Stroh gestohlen wurden. Ich war der Dieb und ihr Mörder, sobald ich mit einem Stoss in ihre Herzen das junge Leben beendete, fing ich noch am Tatort ihr Blut auf; in dem ich ihnen die Kehle aufschnitt und ihre Körper über die bereit gestellte Schüssel hielt. Dann tat ich es der Bäuerin nach, schlich hinüber auf den verlassenen Hof, hin zu dem Fleischwolf, dort nahm ich den Kadavern das Fell, riss das rohe Fleisch von den Knochen und füllte damit den Trichter; was unten heraus kam, mischte ich mit ihrem eigenen Blut; das ganze stellte ich nach draußen an einem geheimen Ort, jeden morgen war die Schüssel leer.
Es begannen Tage, in denen die Hoffnungslosigkeit meines Tuns mir immer deutlicher bewusst wurde; wann würde es endgültig auffallen, das der Bestand der Tiere deutlich nach-ließ, schon vermuteten einige Leute einen Fuchs oder Marder, der in den Nächten auf Raubzüge in den Ställen ging. Meine nächtliche Beschäftigung hinterließ erste Spuren in meinem Gesicht und mein Körper magerte auffallend ab. Die Nächte liefen gleichförmig ab, Tränen liefen meine Wangen hinab, sobald ich wieder eines der Tiere tötete, die oftmals einen letz-ten Laut der Angst und Verzweiflung von sich gaben, bevor sie in dem metallenen Wolf endeten. Doch Verzweiflung wurde auch zu meinem zweiten Vornamen, jede Nacht machte ich mich auf, in Schweiß gebadet, immer in der Angst lebend, das meine nächtlichen Ausflüge entdeckt würden; schlich mich hinaus, das Messer in der rechten haltend und bedacht, keinem Menschen aufzufallen; das war meine wirkliche Strafe. Eine Strafe, die keines irdischen Richterspruches vorangegangen war, und die registriert allenfalls in dem Buch der gesammelten Qualen; herausgegeben von der Hölle selbst.
Es war eine Nacht wie viele vorangegangene, ich lehnte an einen der Kaninchenställe, meine glühende Stirn angelehnt an das Holz, wie viele der unschuldigen Tiere würde ich noch töten müssen, bevor dieser Wahnsinn endlich ein Ende finden würde?

Gierig nahmen sie jede Nacht, was ich ihnen hinstellte, ich war inzwischen ständig übernächtigt, mein Körper ausgemergelt und überfordert, doch war es in meiner Verantwortung, den beiden die Mutter zu ersetzen; schon öffnete ich die Tür des Stalles, bereit meine Mörder-hand in das Stroh zu strecken, um eines der Tiere hervor zu zerren, ihm sein junges Leben nehmen und zu opfern. Am unteren Rand des Stalles sammelte sich in dunklen Flecken der Urin der Tiere, eine Assel tauchte auf und lief ohne Ziel auf dem faulenden Holz umher, ja, diese Scheune beherbergte inzwischen eine eisige Kälte, totenstill war es bereits bei jedem meiner nächtlichen Eintreffen, wenn ich die Tür öffnete, jedes vereinzelte Scharren, jeder einsame Sprung verklang im Knarren der rostigen Scharniere; inzwischen waren die Opfer-tiere größer geworden.
Blut ergoss sich in der üblichen Schüssel, als eine große, warme Hand sacht meine Schulter berührte, meine Angst und der Schrecken waren so groß, das das getötete Tier meinen Händen entglitt und gänzlich in den verschmierten Napf fiel, Tier und Gefäß polterten vom Tisch, alles schlug auf dem Boden auf, die Schüssel zerbrach, und in dem ich die warme Hand meines Vaters spürte, die Scherben sah, die auf dem Boden verstreut lagen, fiel eine Belastung von mir ab; ich brach in Tränen aus und erleichterte mein Herz.

Auf allen Höfen rund um das Dorf brach allmorgendlich Geschrei aus, Knechte, Mägde und Bäuerinnen liefen laut kreischend aus den Ställen, seit dem Tag, an dem ich die Brut zum zweiten Mal verriet, gaben die Kühe jeden Morgen Blut statt Milch, und was sie gebaren, waren keine Kälbchen und Ferkel; es war Metzgerfüllsel, unförmiges Fleisch und Gedärm.
Meine Eltern erwiesen uns die Gnade, fort zu ziehen aus diesem Ort, weit weg in eine große Stadt, was immer schon ihr großer Wunsch gewesen, erfüllte sich jetzt. An den Zustand der Kühe hatte sich bis zuletzt nichts geändert, niemand hatten wir etwas verraten, und ich weiß nach all den Jahren nicht, ob irgendwann Besserung eingetreten ist, der Leser mag mir gewiss nachfühlen, das mir nicht daran gelegen ist, den Ort meiner Kindheit aufzusuchen, um neugierig den Stand der Dinge zu erkunden.

Es ist kühler geworden, ich schaue auf die sich drehenden roten Schlieren in meinem Drink und frage mich: war das alles nur ein Alptraum aus meiner eine Weile zurück liegenden Kindheit, vielleicht hatte ich den Nachbarn, insbesondere den Geschwistern einiges angedichtet; eines weiß ich gewiss, einen noch warmen Teil des Geschlachteten hatten sie gegessen, habe ich nicht auch davon probiert, mag das normal sein? Aber das wissen wir doch alle: was ist schon "Normal!"
Doch ich bin überzeugt, und bin es bis zum heutigen Tag: irgend etwas ist da draußen, verbirgt sich vor uns in der Dunkelheit, an einem Ort, irgendwo; wer weiß, vielleicht direkt vor deiner Haustür.

Westen, im Mai 2002
 
Ich denke es ist gewollt, aber die langen Sätze mit den unzähligen Beschreibungen machen das Lesen mühsam. Das ganze wirkt ziemlich monoton, man verliert leicht den Faden und die Lust weiterzulesen.
Schade eigentlich, Idee und Stimmung sind gut
 



 
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