immerdar

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noel

Mitglied
immerdar


er war einer der kreaturen, die man jeden morgen mit dem innerlichen nicken einsteigen sah.
seine unbunte jacke. seine graubraune hose ohne kniff.
seine bewegungen waren immer sparsam & zielgerichtet.
er ging auf den immer selben sitzplatz zu, hielt in annehmbaren abstand seine aktenmappe zum körper,
strich sich leicht - nur rechtsseits -
über den schnurrbart.
doch heute hatten seine bewegungen…


als er sich setzte legte er das erste mal ein verhalten an den tag,
dass die penibel skizzierte abfolge durchbrach;
seine sonst so minimistischen bewegungen ad veritatum führten. ungehalten doch interessiert
winkelte ich ihn aus dem auge an.
er setzte den fuß auf, kicksteppte ihn leicht nach vorne,
musterte ihn wohl
_wollend. es schien mir, als böte er ihn dar.
ich schüttelte den kopf ohne bewegung, ohne IHN aus dem augenwinkel
zu entlassen.
bis das licht auch mir die lider weitete. die schuhe, die schuhe waren neu.
nicht von ausnehmender
veränderung zu ihren vorgängern, doch neu.
als er sein spiel selbstvergessen fortführte kam mir in den sinn
- nicht gleich & doch -
ihm zu sagen, vorzuschlagen,
auf den händen zu laufen.
es würde die schuhe schonen & sichtbarer
machen.
aber ich wusste nicht wie ich den gebührenden ernst
in information & aussage tragen konnte.

was soll's, nickte ich mir ohne bewegung des kopfes zu.
morgen wäre alles wie immer & die schuhe von gestern.
 
P

Prosaiker

Gast
Wie alltäglich - im besten Sinne. Das Alltägliche romantisieren, so ähnlich verlangte es doch Novalis: die Idee, auf den Händen zu laufen, um diese neuen Schuhe zu schonen, finde ich großartig. An dieser Stelle: -

aber ich wusste nicht wie ich den gebührenden ernst
in information & aussage tragen konnte.
- : denke ich, du solltest den Satz entweder weglassen oder umformulieren. Er nimmt dem Text nach meinem Empfinden Geschwindigkeit und Rhythmus & ist zudem zu konkret. Das dritte Wort im ersten Satz sollte "eine" lauten.

Grüße,
Prosa.
 

noel

Mitglied
immerdar


er war eine der kreaturen, die man jeden morgen mit dem innerlichen nicken einsteigen sah.
seine unbunte jacke. seine graubraune hose ohne kniff.
seine bewegungen waren immer sparsam & zielgerichtet.
er ging auf den immer selben sitzplatz zu, hielt in annehmbaren abstand seine aktenmappe zum körper,
strich sich leicht - nur rechtsseits -
über den schnurrbart.
doch heute hatten seine bewegungen…


als er sich setzte legte er das erste mal ein verhalten an den tag,
dass die penibel skizzierte abfolge durchbrach;
seine sonst so minimistischen bewegungen ad veritatem führten. ungehalten doch interessiert
winkelte ich ihn aus dem auge an.
er setzte den fuß auf, kicksteppte ihn leicht nach vorne,
musterte ihn wohl
_wollend. es schien mir, als böte er ihn dar.
ich schüttelte den kopf ohne bewegung, ohne IHN aus dem augenwinkel
zu entlassen.
bis das licht auch mir die lider weitete. die schuhe, die schuhe waren neu.
nicht von ausnehmender
veränderung zu ihren vorgängern, doch neu.
als er sein spiel selbstvergessen fortführte kam mir in den sinn
- nicht gleich & doch -
ihm zu sagen, vorzuschlagen,
auf den händen zu laufen.
es würde die schuhe schonen & sichtbarer
machen.
aber ich wusste nicht wie ich den gebührenden ernst
in information & aussage tragen konnte.

was soll's, nickte ich mir ohne bewegung des kopfes zu.
morgen wäre alles wie immer & die schuhe von gestern.
 

noel

Mitglied
@ prosaiker
danke für das [strike]r[/strike]

der satz - der dir nicht augt & ohrt - ist mir immens wichtig... ich überlege ihn nicht zu streichen, doch vielLeicht umzuformulieren(?)
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe noel,

mich faszinieren hier die leise Beobachtung, der verhaltenene Handlungsablauf und die eindeutige Bestimmtheit der Körpersprachen.

Herzliche Grüße

Elke
 

Eve

Mitglied
Hallo noel,

erst hat mich der Aufbau etwas gestört (Kleinschreibung, & statt und, die spontan anmutenden Zeilenumbrüche), dann war es plötzlich egal ;-) (man muss ja nicht päpstlicher als der Papst ...) ... eine klasse Beschreibung! Auch die Idee, auf den Händen zu laufen, um die Schuhe zu schonen :) ... und der Schluss bringt alles auf einen Punkt!

Ich tausche das 'minimistischen' in minimalistischen (zweiter Absatz, dritte Zeile).

Gerne gelesen und viele Grüße,
Eve
 



 
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