in den pudding malen

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
In der ferne rennen brennende rehe mit kerzen im haar,
aus kirchen fallen windhunde und treiben wolken vor sich her,
mauern lassen ihre steine fließen und moos aus den knochen,
glaube nicht der nummer fünf, die die schatten festbindet und regenbogen schnürt,
glaube nicht dem uhumond und nicht dem bienenmond, glaube nur mir,
wer bin ich, dem du das geschenk vergangener und zukünftiger weihnachten gewährest?
wer bin ich schon unter dem Abtritt im shculöffel?
wer, wer, wer bin ich schon, dass ich solche antworten will?
ich bin doch nur der briefbeschwerer, der eingaben zerknittert,
ich bin doch nur der donner, der wasserpflanzen glättet,
ich bin doch nur die steckdose, die schwarzen rauch entlässt.
niemand wird bestreiten wollen, dass wolken aus milch schwerer sind als kämme aus granit.
obwohl granitene kämme etwas für sich haben, wenn sie durchs haar steuern und stau erleben.
granitene kämme sind wie das erdinnere auf dem saturn oder wie eine peitsche im freudenhaus.
wie locken aus draht, die sich in schwelsäure mit silber beschichten.
lauge, der bilder entweichen, brühe ohne kloß, doch mit ganz vielen regenwürmern, die fische verschlucken, arme fische.
wie soll ich die kerze löschen, die brennt, solange ich brenne, die leuchtet, solange ich leuchte?
wie soll mein lachen den urknall übertönen?
wie soll ich galaxien ins haar flechten, bis schlangen sprießen?
immer und immer greife ich zum lötzinn, um das all zu reparieren,
doch die löcher sind einfach zu groß.
wehe, wehe, arp habe ich gelesen und wedekind, werfel und van hoddis,
seitdem arbeitet es in mir und ich würfle auf der stirn, dass gott nur so staunt.
aber selbst gott kann die zahl nicht lesen.
er weiß aber, dass ich eine dreizehn in den pudding malte.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
just a little bit

Ja, da ist er ja, wer da? der da!, der dada!
Wie ich das bei Arp gesehen habe, gibt es auch hier tragende Satz-Struktur-Parallelen, z.B.:
glaube nicht dem uhumond und nicht dem bienenmond, glaube nur mir,
wer bin ich, dem du das geschenk vergangener und zukünftiger weihnachten gewährest?
wer bin ich schon unter dem Abtritt im shculöffel?
wer, wer, wer bin ich schon, dass ich solche antworten will?
Nach dem "glaube nur mir" klingen die folgenden parallel gleich-schwingenden Fragen wie eine Gegensetzung, als hätte das Lyri empfohlen, ihm "bloß nicht" zu glauben, "denn wer bin ich?"
Oder es bleibt eine positive Empfehlung (oder ein Imperativ), dann schlüge die Antithese logisch deutlicher mit einem "doch" gegen das "glaube mir" aus; "doch wer bin ich?" wäre eine rhetorische Frage, eine von der Sorte, die eine negative Antwort austrägt: "Doch wer bin ich schon? (nur ein Nichts)"

Die Bilder zersplittern zu Fragmenten, - entweder "bloß" spielerisch (kubistisch, wie bei Picasso), oder mit surreal(istisch)en Traumtiefen für die Psychoanalyse (wie bei Max Ernst oder Dali), und jetzt verweile ich eine Weile beim Granitkamm. Gebirgskamm. Gneis und Glimmerschiefer.
Schöne Wort-Klang-Echos in der ersten Zeile.
Und auch die locker-weit auslaufenden Langverse, tief durchatmen und pfingstlich weit ausbrausen --
soweit nur zum Anfang, zum Ersten, was ich in dieser Hymne gesehen und gelesen habe.
 
D

Die Dohle

Gast
eine ode an das leben, grandios, wild, bizarr und ungestüm, wie das leben eben.

hallo Bernd,
aber der shculöffel, der ist doch ein schuhlöffel in vers 7?
der text ist eine solide achterbahnfahrt durch die höhen und tiefen, respekt! sehr beeindruckend.

lg
die dohle
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke Dir, Mondnein,
und es ist doch nur ein schwaches Echo des armen Kaspar, der gestorben ist.
Ein Echo des Sterbens,
Ein Echo des Gehens.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
In der ferne rennen brennende rehe mit kerzen im haar,
aus kirchen fallen windhunde und treiben wolken vor sich her,
mauern lassen ihre steine fließen und moos aus den knochen,
glaube nicht der nummer fünf, die die schatten festbindet und regenbogen schnürt,
glaube nicht dem uhumond und nicht dem bienenmond, glaube nur mir,
wer bin ich, dem du das geschenk vergangener und zukünftiger weihnachten gewährest?
wer bin ich schon unter dem Abtritt im schuhlöffel?
wer, wer, wer bin ich schon, dass ich solche antworten will?
ich bin doch nur der briefbeschwerer, der eingaben zerknittert,
ich bin doch nur der donner, der wasserpflanzen glättet,
ich bin doch nur die steckdose, die schwarzen rauch entlässt.
niemand wird bestreiten wollen, dass wolken aus milch schwerer sind als kämme aus granit.
obwohl granitene kämme etwas für sich haben, wenn sie durchs haar steuern und stau erleben.
granitene kämme sind wie das erdinnere auf dem saturn oder wie eine peitsche im freudenhaus.
wie locken aus draht, die sich in schwelsäure mit silber beschichten.
lauge, der bilder entweichen, brühe ohne kloß, doch mit ganz vielen regenwürmern, die fische verschlucken, arme fische.
wie soll ich die kerze löschen, die brennt, solange ich brenne, die leuchtet, solange ich leuchte?
wie soll mein lachen den urknall übertönen?
wie soll ich galaxien ins haar flechten, bis schlangen sprießen?
immer und immer greife ich zum lötzinn, um das all zu reparieren,
doch die löcher sind einfach zu groß.
wehe, wehe, arp habe ich gelesen und wedekind, werfel und van hoddis,
seitdem arbeitet es in mir und ich würfle auf der stirn, dass gott nur so staunt.
aber selbst gott kann die zahl nicht lesen.
er weiß aber, dass ich eine dreizehn in den pudding malte.
 
D

Die Dohle

Gast
echo des sterbens?
echo des sterbens
morgenröte des lebens!

der wille zu gestalten, es ist dasselbe ...

lg
die dohle
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Bernd,
danke dir für deinen hinweis. diesen text kannte ich bisher noch nicht.
und: ... irgendwie irre, wie es scheint, lese ich auch diesen, deinen text hier, der mir sehr gut gefällt, von der anderen seite her, ich kann nicht sagen, weshalb das so ist, vielleicht ist es die bisher unkaputtbare gewissheit des geborgenen eingebettetseins in ein ganzes.

lg
die dohle
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke.

Es ist ja auch keine Wiederholung, eher ein ANtipode.
Das Gedicht enthält viele ANspielungen.
Perlen im Haar, Nummer 5, jede Öffnung einzeln zuzulöten und anderes. Aber alles ist verborgen und verwebt.
 



 
Oben Unten