jetzt nur noch ...

wolfwalk

Mitglied
jetzt nur noch liebe schreiben
liebe denken, liebe wissen
liebe machen

andere werden in meinem namen
das richtige tun
die richtigen töten
in meinem namen
der liebe ein nest bauen
aus fleisch und aus blut

jetzt liebe machen
jetzt?




geschrieben 15-9-01 unter dem eindruck der ereignisse.
bei der lektüre von srivers "krieg" und der verschiedenen wortmeldungen dazu erkenne ich meinen eigenen zwiespalt wieder.
 

Charima

Mitglied
Lieber Wolfwalk,

Dein Text drückt in etwa die Gefühle aus, die ich bezüglich der (mir bedrohlich erscheinenden) Ereignisse ebenfalls empfinde.

Die Sprache, die Du verwendest, erscheint mir poetisch und klar zugleich.

Besonders angesprochen hat mich die Frage zum Schluß, dieses "Jetzt?", das für mich Anklage, Zwiespalt, Frage nach dem richtigen Weg und Frage nach dem Ausgang zugleich beinhaltet.

Ich kenne Deine Intention bezüglich dieses Textes zwar nicht wirklich, aber das hat er in mir ausgelöst.

Den Gruß des hereinbrechenden Morgens,

Charima
 

wolfwalk

Mitglied
liebe charima, es ist mehr als EIN zwiespalt, den diese ereignisse in mir auslösen. zum einen natürlich der zwischen friedenswunsch und sicherheitsbedürfnis. ich möchte auch nicht opfer des terrors werden oder dass irgendwer dieses schicksal erleidet. etwas muss getan werden, aber was? und wer kocht auf diesem feuer noch sein süppchen, putin zum beispiel, der jetzt im nachhinein für seine brutale tschetschenienpolitik verständnis von schröder erntet!
dann auch der zwiespalt zwischen mitgefühl für die opfer des 11.9. aber andererseits eine riesenwut, weil ansonsten auf der ganzen welt menschen vor und nach dem 11.9. an krieg, folter, hunger und ungerechten wirtschaftsrelationen krepiert sind und noch krepieren werden, ohne dass deswegen irgendwer dringenden handlungsbedarf erkennt oder auch nur eine schweigeminute einlegt.

und das eigenartige gefühl, dass man das leben geniesst, dass man liebt und liebe macht, während gleichzeitig .... ist normal, war immer so, dennoch eigenartig.

liebe grüsse
wolfwalk
 

Charima

Mitglied
Hallo, Wolfwalk!

Bei mir hat Dein Text auch nicht nur einen Zwiespalt ausgelöst, sondern eine ganze Menge.
Meiner Ansicht nach ist die politsche Lage momentan aufgrund der plötzlich eingetreten, schockierenden Ereignisse dabei, ziemlich zu entgleisen. Und das betrifft nicht nur die Sache mit Putin. Allerdings hätte ich leider auch keinen durchführbaren Vorschlag, was besser zu tun wäre. Wobei es keine Frage ist, daß mir ein friedlicher Weg wesentlich lieber wäre!

Wütend macht mich wie Dich ebenfalls, wie viele Menschen täglich an Hunger oder anderen Folgen ihrer wirtschaftlichen Notlage sterben, und daß danach "keiner kräht", wenn ich es mal so lapidar ausdrücken darf.
Warum aber nach einem solchen Attentat (das ich allerdings auch grauenvoll finde!) derart gehandelt wird, scheint mir klar zu sein: Weil mit diesem Akt gleichzeitig der ganze Kapitalismus angegriffen worden ist, und den gilt es schließlich zu verteidigen. Abgesehen davon haben Industrienationen natürlich die Mittel für einen Gegenangriff.

Und wieviel Geld wird im Vergleich dazu für Entwicklungshilfe ausgegeben? Und dann bleibt noch die Frage, was davon tatsächlich wahre "Entwicklungshilfe" ist. Ganz bestimmt sollte sie nicht dazu dienen, Menschen noch abhängiger von sich zu machen. Aber dann würde wiederum der Kapitalismus nicht funktionieren... Also bleibt es meist bei einem Freikaufen des schlechten Gewissens.

Besonders leide ich momentan mit den Menschen in Afghanistan. Wenn ich mir vorstelle, ich würde mich nun dort befinden... schrecklich! Und es war ja eigentlich klar, daß es nicht in die Realität umzusetzen sein würde, alle Zivilisten zu verschonen.

Warum wir trotzdem weiterhin weitermachen, weiterlieben und weiterleben? Eine Pauschalantwort habe ich darauf auch nicht parat. Aber vielleicht ist es zumindest zu einem gewissen Teil ganz gut, daß dem so ist, denn sonst würde der Terror vermutlich binnen kürzester Zeit alle Menschen beherrschen.

Den Frieden der Nacht und viele produktive Gedanken wünscht Dir herzlichst

Charima

P.S.: Das gerade war rein meine Meinung, und ich zwinge niemanden, sie ebenfalls anzunehmen!!!
 

Khalidah

Mitglied
Hallo wolfwalk,

da mich das Thema auch berührt hat, bzw. noch immer berührt, fühlte ich mich genötigt, auch meinen Senf dazuzugeben.

Etwas ähnliches habe ich auch verspürt, dieses Hin- und Hergerissensein zwischen zwei Gedanken: Ist es nicht pietätlos, ignorant, kalt... wenn ich jetzt mein Leben weiterlebe, mich auch über meinen kleinen Alltag weiter freuen kann, eine Blume am Straßenrand, den Blick eines geliebten Menschen...
ANDERERSEITS: Hat es nicht etwas von falscher/aufgesetzter Betroffenheit, wenn ich jetzt nur noch mit Trauerflor und mit meiner Gitarre und meiner Blockflöte Protestlieder anstimmend herumlaufe? Ich habe keinen Einfluß auf die große Politik und das große Weltgeschehen, aber vielleicht kann ich ja versuchen, in meiner kleinen Welt, etwas Gutes zu schaffen; die Blume am Straßenrand nicht pflücken, Blicke erwidern, Lächeln verteilen...

Ich weiß nicht, was "richtig" wäre, aber ich gebe zu, dass ich irgendwie Angst habe. Ich gebe auch zu, dass mir die, die leiden, leid tun, aber ihr Leid ist nicht das meine und ich versuche auch nicht krampfhaft so zu tun, als wäre es das, ich glaube, DAS wäre der wahre Mangel an Respekt. (zumindest für mich)

Ich hoffe, ich hab mich nicht zu merkwürdig ausgedrückt.

Viele Liebe Grüße

Khalidah
 

Charima

Mitglied
Hallo, Khalidah!

Auch wenn ich nicht Wolfwalk bin, möchte ich zu Deiner Ansicht etwas schreiben.

Es stimmt, was du sagst, zum Teil denke ich auch so. Denn es wäre falsch, mit einem "Trauerflor" herumzulaufen, wie Du es so schön ausdrückst, wenn ich nicht so empfinden würde. Das ist vollkommen richtig.

Mir geht es auch so, daß ich versuche, in den Situationen, in denen es mir möglich ist, positive Dinge zu verbreiten und mich selbst auch gut dabei zu fühlen. Aber manchmal ist es mir eben nicht möglich. Nämlich dann, wenn ich (ungewollt) in die Perspektive der "Leidenden" gerate. Und dann fühle ich tatsächlich mit den Menschen, daher denke ich dann, daß es in diesem Fall keine aufgesetzte Trauer ist.

Den Gruß des hereinbrechenden Morgens,

Charima
 

wolfwalk

Mitglied
hallo charima und khalidah, so empfinde ich das auch.

manche fühlen sich eben schuldig am unglück der welt, auch wenn sie hundertmal unschuldig sind. es ist seltsam. es ist vielleicht das wissen, dass uns jedes menschen tod etwas angeht, wie in dem schönen gedicht von john donne "no man is an island, entire of itself ... etc etc". in der welt ist alles mit allem und alle mit allen auf geheimnisvolle weise verbunden, daher kann keiner sagen, mich geht das nichts an. andererseits lebt jeder sein eigenes leben und macht das meiste draus, alles andere wäre eine missachtung des lebens.

liebe grüsse an euch beide
wolfwalk
 

Charima

Mitglied
Hallo, Wolfwalk!

Liebe Grüße zurück! Vor allem Deine letzten beiden Sätze haben für mich den Punkt irgendwie getroffen!

Den Frieden der Nacht
und den Gruß des hereinbrechenden Morgens,

Charima
 

Khalidah

Mitglied
Hallo Charima, Hallo wolfwalk,

derselben Meinung wie Charima bin ich auch. Mein Mitgefühl allen, die Leiden (und dies aufrichtig) - und in meinem Leben versuche ich, wenigstens im kleinen Frieden zu schaffen.

Viele Liebe Grüße
Euch Beiden

Khalidah
 

Charima

Mitglied
Liebe Khalidah!

Schön, daß unsere Meinungen dann doch nicht so weit auseinanderliegen, wie ich erst vermutet hatte...
Und zu Deinem "kleinen Frieden": Vielleicht ist gerade das der richtige Weg, es müssen eben nur genug Menschen so handeln...

Es gibt dazu übrigens eine schöne Geschichte in "Die Farben der Sehnsucht", die sich "Der kleine Weg zum Frieden" nennt (zumindest gefällt mir die Geschichte).

Vielen Dank noch für Deine Kritik an meinem Text - wenn Du nochmal nachsiehst, wirst Du feststellen, daß sich zumindest ein Anfang in der Veränderung getan hat.

Den Gruß des hereinbrechenden Morgens wünscht dir herzlichst

Charima
 
Ich melde mich vielleicht etwas verspätet zu Wort aber ich denke das macht nichts.
Dein Gedicht finde ich durch seine einfach Wortwahl wirklich gut. Als ich es gelesen hatte fiehl mir nur ein Wort ein - Schneckenhaus.
 

wolfwalk

Mitglied
hallo franz, danke für deine reaktion. "schneckenhaus", ja das ist es schon, aber das ist nicht alles. tatsache ist, dass man nicht nur diesem ereignis, sondern sehr vielen tragödien, die sich irgendwo weit weg von uns abspielen aber durch die medien ins wohnzimmer gebracht werden, sehr hilflos gegenüberstehen. egal wieviele tausend menschen täglich umkommen, unser leben geht weiter und im übrigen auch das der überlebenden in den betroffenen gebieten. ich bin häufig in kolumbien, wo seit ca. 40 jahren ein bürgerkrieg tobt, dem hauptsächlich zivilisten zum opfer fallen. es ist zunächst schockierend, wie die menschen das wegstecken, aber mit der zeit versteht man.

gruss
wolfwalk
 

Löwengeist

Mitglied
Hallo Ihr alle,

ich denke, das Thema Krieg kann niemals unnötig oder als unnütz betitelt werden, wie leider öfter geschehen.
Ich frage mich, was manche Menschen dazu bewegt, einfach achselzuckend dazusitzen und die Thematik an sich vorüberziehen zu lassen.
Ich kann mich Euren Worten nur anschließen.
Es ist niemals zu spät oder unsinnig, sich Gedanken zu machen. Kriege werden täglich auf der ganzen Welt geführt, es wird leider immer so bleiben.

Nachdenkliche Grüße
Kerstin
 



 
Oben Unten