kellerleben

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MH

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(überarbeitung einer früheren veröffentlichung)

aus deinem kellerleben steigst du
früh morgens in die gassen hoch.
dein erster weg an jedem tag
führt dich zu deiner alten liebe,
zum namenlosen massengrab.
dort zeigen heute kleine kreuze
aus holz wie kinderfinger auf,
als wenn sie allein die antwort wüssten
auf deine und auf alle fragen,
aber sie schweigen und sie trotzen
jeder frage wie ihr tod.

der frieden starb hier kinderlos,
tausend erben warf der krieg.
mit stahl und feuer grub der westen
dir das leben, als seinen ackerboden,
fast ungesehen und wortlos um.
aus angst und trümmern wachsen mauern
mitten in die stadt hinein,
wo in manchem freund an einem nahen morgen,
erwacht ein neuer feind.

geschichten altern und geschichte
deckt staubgrau manche wahrheit zu,
so zählen dir die jahre nun
das alter eines unbekannten.
deine zukunft blieb auf steilem wege
einfach liegen, irgendwann - trug die hoffnung
manchmal, und trug zu schwer, und kam zu fall.
dein kreuz aus holz ist stein geworden:
ein denkmal lügt vom massengrab,

und stein um stein kriecht aus ruinen
eine fremde stadt hervor,
als zuflucht vor dem nirgendwo.
nur dein stein ist stein geblieben,
ein keller liegt noch tief in dir,
aus einem kranken leib keucht armut,
zum leben fehlen brot und glück,
du und alle kellermenschen,
ihr zehrt von einem lebensstück.
 



 
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