körpermetapher

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Venus

Mitglied
körpermetapher

du kommst mir gehörig
und ich spitz meinen mund du wirst
ihn runden
alsbald auch im hinterland auf zeiten
gebückt
verküsst sich dein untendurch geschweift
verfangen sich fluten es steht
mir offen dort
grätschen sich gesten und zerspalten
so allerhand
verlustigte leiber vergeben sich dann
verkommen ins andauernd
und ersticken inmitten

still ist’s

im gewaltigen sterben
lebendige herzen den toten zu


© gabriele schmiegelt
 

Montgelas

Mitglied
liebe venus,

wie du eros in sprache verwandelst,
direkt - ohne scham - großartig !

der einstieg ist explosiv,
das spiel der leiber in optisch-rhytmische
worte gefasst, atemberaubend dicht !

aber nichts ist ewig,
der tod lauert überall,
wo kleine tode uns zum leben wecken.

dir gute tage !

montgelas
 
E

El Lobo

Gast
Erotik pur

Liebe Gabi,

das ist Spitzenklasse diese Erotik, diese gewaltige Sprache und dieses Sterben.

Liebe Grüsse, Enzio
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Venus,

ich will mal eine Interpretation versuchen.
Du sprichst davon, dass die Körper nur noch als Metaphern das vollziehen, was ihnen einst Lust bereitet hat und dieses lustlose Tun bringt dann auch die Empfindungen des Herzens, die zuerst da waren, zum Absterben.

Ein trauriger Text für mein Empfinden.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
Lieber montgelas,

wenn der Prophet nicht zum Berg... ;o)
Ich danke dir sehr, für deinen wunderbaren KOMM.
Glaub es ruhig, ich bin sehr unsicher ob dieser Wortspielerei. Ich habe wirklich schon x-mal daran gefeilt und es gibt noch eine weitere Fassung.
Wenn man es streng nimmt sind da auch wirklich zuviel "durch", nicht wahr?
Aber sterben tu ich nicht dran ;o)

Es lebe die Auferstehung!

Herzliche Grüße,
Gabi
 

Venus

Mitglied
Wenn du Erotik pur gefunden hast, dann tut das meinem Dichterhirnchen wirklich gut, lieber Enzio.
Ein bisschen brave Gewalt darf schon sein, meine ich ;o)
Sie zu vermitteln fiel mir gar nicht so leicht.
Ich danke dir!

Liebe Grüße,
Gabi
 

Venus

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

herzlichen Dank, für dein behutsames Eindenken.
Ich freue mich immer sehr über jede Form der Interpretation.
Traurig stimmen wollte ich nicht wirklich, doch wenn meine Gedanken dich auf diese Weise erreichten, dann hat die Empfindung auch ihre Berechtigung.
Du magst kein bisschen unrecht haben, mit deiner Auffassung...

Liebe Grüße,
Gabi
 
I

IKT

Gast
Liebe Venus,
Textarbeit kann ich hier nicht mehr leisten. Schamlose ;) Erotik auf engstem Raum, die in ihrer Verdichtung herrlich offen ist.
Ich wußte doch, ohne Dich fehlt hier was!
Einen schönen 3. Advent und alles Liebe!
das Rotschöpfchen (IKT)
 

Venus

Mitglied
Liebes Rotschöpfchen,
du hast mir gefehlt!
Danke, für deinen feinen Kommentar;
da ist Heimkommen gut ;o)

Ich glaube ein bisschen Arbeit kann dem Text
nicht wirklich schaden. Hab es nochmal versucht,
um die Wortwiederholung zu umgehen.

Schau mal, bitte:

körpermetapher

du kommst mir gehörig
und ich spitz meinen mund du wirst
ihn runden
alsbald auch im hinterland auf zeiten
gebückt
verküsst sich dein untendurch
geschweift verfangen sich fluten es steht
mir offen dort
grätschen sich gesten und zerspalten
so allerhand
leiber verkommen ins andauernd/
nimmt ein huschender schmerz
seinen abschied

still ist’s

im gewaltigen sterben
lebendige herzen den toten zu


© gabriele schmiegelt



Sag, bitte, was denkst du?

Herzliche Grüße in eine Vorweihnachtszeit ganz in deinem Sinne!

Deine
Gabi
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Venus,

Deine zweite Version spricht mich viel stärker an, weil sie die Dinge, die über das Metaphorische hinausgehen besser verdeutlicht. Da Du gegen Ende vom Sterben sprichst, erhält der Text eine größere Geschlossenheit, wenn ein Empfinden ausgesprochen wird.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Venus

Mitglied
Ich danke dir sehr, liebe Vera-Lena, für deine gezielte Textarbeit.
Du bist mir eine große Hilfe!

Recht herzlich,
Gabi
 
B

bonanza

Gast
klingt wie eine liebeserklärung einer außerirdischen,
die der (deutschen) menschlichen sprache noch nicht
ganz mächtig ist.

ich fand es lustig beim lesen - denke aber, daß heiterkeit
nicht in deinen ambitionen lag.
als körpermetapher kommt ein unding mit sechs armen
und drei armen heraus.
außerirdische haben, denke ich, genügend versuche offen.

bon.
 

Venus

Mitglied
Vielen Dank, für deinen Eindruck Bon,
den ich natürlich vollkommen nachvollziehen kann.
Mein Gedankensprung wollte in der Tat frankophil angehauchte Komiker beschrieben wissen.

Freundliche Grüße,
Gabi
 
Das Anheben der Arme bei Feuersglut

Hallo Venus,

wie du die Sprache auseinander nimmst und neu zusammenfügst, das ist ganz außerordentlich. Dieses Deskonstruieren. So etwas kann die Lupe dringend gebrauchen. Dichten heißt, egal in welche Richtung, fortschreiben und nicht repetieren. Allzu viele repetieren, du schreibst fort. Auch bonanza, der deinem Gedicht offenbar wenig abgewinnen kann, schreibt gewissermaßen fort, wenn er sich denn mal - fern voreiliger Selbstzufriedenheit - die Mühe gibt. Der eine ist Wasser, die andere ist Feuer. Jeder geht – in vollkommen andere Richtung – weiter. Löst sich vom Standard der Seelen- und Blümchendichter mit ihren geliehenen Floskeln.

Ein wenig Ulla Hahn höre ich raus. Oskar Pastior treibt das Spracheauseinandernehmen noch weiter. Ein bisschen Mayröcker, Jandls Partnerin.
Wirklich sehr, sehr schön! Und mit Feingefühl. Und mit sprachlicher Leichtigkeit und mit Lust an zauberhaften Kapriolen.

Herzliche Grüße

Monfou
 

Inu

Mitglied
Hallo Venus
Für mich ist das im Höchstfall ein Versuch, ein Experiment. Es sagt mir garnix. Ich finde es auch nicht erotisch. Es ist seelenlos und klingt nach Konstruktion aber nicht nach Herz, Liebe, Sex. Es bringt für mich überhaupt keine Stimmung rüber.
Ein kaltes Hirngespinst.:-O

LG.
Inu
 

Inu

Mitglied
Noch etwas:

[blue]still ist’s

im gewaltigen sterben
lebendige herzen den toten zu[/blue]
Dieser Satz scheint mir ein Versuch, noch einen allgültigen, mächtigen, klangvollen Vers dazuzubringen. Er gefällt mir sehr. Aber er steht wie ein Fremdkörper. Für mich ist da eine zu große, stimmungsmäßige Diskrepanz zum übrigen Gedicht.

Inu
 
Hallo Inu, hallo Venus,

ich kann mir gut vorstellen, dass du mit dieser Lyrik weniger anfangen kannst. Aber wir müssen einfach sehen, dass es ganz verschiedene Richtungen in der Lyrik gibt und jede hat ihre Berechtigung. Dir liegt das politische Schreiben nahe und das finde ich sehr, sehr wichtig. Ich erinnere mich an eines deiner Gedichte, das was von Agitprop hatte, und ich fand es sehr interessant. Du haust mit deiner Auffassung auf den Tisch, du schreibst plakativ, provokativ, realistisch. Es gibt also verschiedene Arten, mit Lyrik auf Welt zu reagieren. Venus’ Sprachzerlegungen gehören genauso dazu. Warum überhaupt an die Sprache herangehen, sie ver- oder entfremden? Es gibt eine ganz entschieden wichtige philosophische Richtung, beginnend mit Wittgenstein. Ohne dass ich hier auf Details eingehen kann, steht in deren Mittelpunkt die Skepsis gegenüber den Aussagemöglichkeiten der Sprache. Die Sprache, normal benutzt, führt in immer dieselbe Erkenntnisschleifen, ohne wirklich neue Erkenntnisse zu bieten, so wie ein Werkzeug, das eben nur gewisse Dinge ausführen kann. Die Sprache in ihrer gewachsenen Semantik schränkt also nach dieser Philosophie unser Denken ein, es sind keine neuen, weitreichenderen Erkenntnisse möglich. Die Sprache ist also die Grenze. Um diese Grenze zu durchstoßen, kann man mit der Sprache und an der Sprache arbeiten. Ich sage nicht, dass jeder Lyriker sich das vorher denken muss, aber es führt eben zu anderen Ergebnissen. Wir müssen also Gedichte immer wieder von der Warte aus beurteilen, die ihnen angemessen ist. In einem exzellenten politischen Gedicht, das mir die direktesten Dinge wuchtig um die Ohren haut, frage ich nicht nach erhebenden Metaphern. In einem Gedicht, das nach dem Vorbild amerikanischer Slampoetry ganz schlicht einen Alltag schildert, frage ich nicht nach den ewigen Werten. Jedes Gedicht ist eine Frage an die Welt. Jedes gute Gedicht formuliert diese Frage selbst.

Ob jemandem ein Gedicht und eine lyrische Richtung GEFÄLLT, ist eine andere Sache. Und was ist schon erotisch? Bei der meisten Erotik, die ich im Internet lese, wende ich mich wegen unmäßigen Kitsches peinlich berührt ab .
Mir muss das beste Gedicht nicht gefallen. Das steht natürlich jedem frei, sofern uns etwas freisteht.

Liebe Grüße

Monfou
 
D

Denschie

Gast
Hallo,
ich bewertete dieses Gedicht als unterdurchschnittlich
und zwar, weil es mir nicht gefällt. Es ist mir zu
aufdringlich und bleibt gleichzeitig nichtssagend.
Eine komische Mischung ohne rechte Lesefreude.
Monfou, was mich an deiner Argumentation stört,
ist folgendes:
so wie ich den auf Wittgenstein beruhenden Turn
bisher verstanden habe, geht es nicht darum, die
Grenze der Sprache durch irgendwelche Überarbeitungen
an ihr zu durchbrechen. Gerade das Durchbrechen dieser
Grenze wird als unmöglich dargestellt, denn jeder
Durchbruch tritt in den sprachlichen Diskurs ein, der
nichts eiligeres zu tun hat, als sich weiter zu
reproduzieren. Sehr anschaulich an diesem Gedicht
zu sehen, wie so etwas dann geschieht.
Ich will gar nichts gegen der Versuch der Durchbrechung
der Sprache sagen. In gewisser Hinsicht probiert das
bestimmt auch die politische Dichterin. Egal wie
realistisch sie ist - verstanden
wird sie nur durch die Vorerfahrung ihrer Leserschaft.
Ich hatte allerdings durch deinen
Kommentar den Eindruck, dass du findest, es würde ein
Gedicht automatisch besser machen, wenn es mit
Sprache experimentiert. Das finde ich zu wenig.
Es ist genauso der Auftrag der Lyrik, Menschen
anzusprechen, Emotionen auszulösen oder einfach zu
gefallen. Ihre Abstraktionen bleiben bedeutungslos ohne
Leser, die sie entcodieren.
Denn letzendlich existiert Sprachen nur durch Sprecher
und Hörer und nicht an und für sich.
Viele liebe Grüße,
Denschie
 



 
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