Merci
Mit dem Verstehen ist das so eine Sache. Du gehst gut an die Sache ran, damit hast Du Dir wahrscheinlich schon mehr Gedanken gemacht als nötig, das begrüße ich sehr. Danke.
Ich nehme Deine Gedanken an und versuche mich an einer kleinen, ergänzenden Interpretation.
Ich bin der Meinung, dass man nicht alles verstehen muss. Gerade das ist doch interessant, so finde ich, dass etwas seine Widersprüche enthält, trotzdem aber schlüssig kling. Das ganze Leben ist voll von diesen Situationen, in denen man glaubt, das Ganze zu sehen, alles verstanden zu haben, aber doch gibt es einen hartnäckigen Rest, den man zunächst nicht zuordnen können wird, aber, unter einem gewissen Druck, in das Ganze einreihen müssen wird, um zumindest so etwas wie Stringenz, also Balsam für den Kopf, herstellen zu können. Zu Deinem Kommentar.
Deine Lesart mit dem „Erschießungskommando“ ist ganz wunderbar.
Das mit dem Wechsel der Perspektiven würde ich unterstreichen. Wobei es einen krassen Widerspruch gibt, und zwar zwischen Strophe zwei und vier. In der zweiten Strophe sei ihnen gesagt worden, „dass wir stürmen müssen“, wobei es in der vierten Strophe heißt, dass „wir nicht stürmen sollen“.
Durchaus geht es hier, so meine Interpretation, um einen Staat, der seine Bürger als Insassen hält, der es mit Waffengewalt zu vermeiden versucht, Flüchtlinge entkommen zu lassen. Darein passt auch der Widerspruch mit dem, was jemandem gesagt oder befohlen wird, und dem, was einem wirklich gesagt und befohlen wird. Dazu muss ich noch sagen, dass persönlich in Frieden in NRW aufgewachsen bin, was mich zu dem Schluss bringen würde, dass nicht die DDR das Thema sein wird, aber es gibt genug andere Beispiele in diesen Tagen. Und Vergewaltigungen , so mein Wissensstand über die damaligen Verhältnisse, gehörten wohl nicht dazu. Dann eher „Zersetzung durch andauernde sexuelle Attraktion durch Dritte“. Aber durchaus gibt es eine Schnittmenge.
Was ich noch beabsichtigt habe:
In der ersten Strophe kann man jeweils die Satzanfänge beliebig mit den Endungen tauschen, also:
„im glückstau glaubt der wind“
„am boden schreit ein mann“
etc.
Und der Knackpunkt:
Tja, das mit dem „keusch richt das genick“ ist schwierig, schwierig. Muss lange drüber nachdenken, mhh.
Wahrscheinlich muss man sich damit abfinden, dass es keine befriedigende Auflösung gibt. Ich versuche es nichtsdestotrotz.
Ich sehe es so: Das „richt“ im Kontext der Hinrichtung ist mit „bricht“ und „richtet“ belegt. Beides kann gelten. Wenn nun keusch das Genick „bricht“, sehe ich eine Frau, die sich nicht hat vergewaltigen, sich nicht hat brechen lassen. Gleichsam hat sie durch ihren Widerstand auch „Genick“ gezeigt“, sie „richtet“ durch ihren Widerstand zugleich die Täter, die sie, also die gefangene Frau, letztlich, und da bin ich mir mittlerweile sicher, hinrichten, denn am Ende heißt es „blut“ und „tod“.
Die letzten beiden kurzen Verse habe ich auch voller Absicht verwendet. Dachte dabei an Georg Trakl, wobei mir das Gedicht momentan nicht mehr in den Sinn kommen will. Es geht um die kurzen Kriegs-Gedichte von Trakl, vielleicht kannst Du mir mehr dazu sagen, konnte gerade nichts dazu finden.
Okay, Zwerg, vielen Dank für Deinen Kommentar! Schaue mir direkt noch ein Gedicht von Dir an, das mit den wenigsten Kommentaren.
Gruß,
der Verboholiker