mein Weg

Miro

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Mein Weg


"Welchen Weg nimmst du?"
"Meinen Weg."
"Aber welcher Weg ist dein Weg?"
"Der Weg, den ich gehe ist mein Weg."
"Woher weißt du, dass es dein Weg ist?"
"Weil ich ihn gehe."

"Weil du ihn ausgewählt hast?"
"Nein, erst dann, wenn ich darauf gehe, wird er mein Weg."
"Nicht schon dann, wenn du ihn auswählst?"
"Nein, dann noch nicht. Ich könte ja stehen bleiben, nicht weiter gehen. Ich könnte mich umdrehen oder einen Abzweig nehmen."
"Also ist nur der Weg, den du gegangen bist dein Weg?"
"Ja. Das ist ohne jeden Zweifel mein Weg."

"Und was ist jetzt dein Weg?"
"Der Weg, den ich gerade gehe."
"Welcher Weg ist das? Woher kennst du diesen Weg?"
"Ich kenne ihn nicht. Ich lerne ihn gerade erst kennen, Schritt für Schritt!"
"Woher weißt du, welcher Abzweig richtig ist, welchen Weg du nehmen musst?“
„Ich weiß es noch gar nicht!“
„Dann gehst du auf einem Weg, den du gar nicht kennst?“
„Ja!“

„Wieso nur sagst du dann, das genau sei dein Weg?"
„Ich entscheide mich für diesen Weg.“
„Wann?“
„In jedem Augenblick. Schritt für Schritt!“
„Warum?“
„Ich mache ihn mit jeder kleinsten Entscheidung zu meinem Weg, unwiderruflich.“
„Hast du keine Zweifel?“
„Oh ja, ich habe oft Angst und Sorgen und Zweifel.“

„Warum gehst Du dann auf diesem Weg weiter?“
„Hätte ich eine andere Wahl?“
„Du könntest doch einfach stehen bleiben?“
„Wäre das eine Lösung?“

„Katastrophen vermeiden, wäre das nicht erstrebenswert?“
„Chancen verpassenwäre der Preis!“
„Wirklich?“
„Ja!“
„Du könntest stolpern, straucheln oder gar stürzen?“
„... könnte!“
„Du könntest von deinem Weg abkommen?“
„Ja, ich könnte stolpern, straucheln oder stürzen. Aber: wohin auch immer mich das führt, ES wäre immer noch mein Weg.“

„Aber wenn du in den Graben neben dem Weg fallen würdest?“
„Es wäre immer noch mein Weg!“
„Wenn du dich beim Versuch, zurück zum Weg zu finden im Dickicht verirren würdest?“
„Dann wäre eben das mein Weg!“
„Wenn dorniges Gebüsch dich zerkratzt, Geäst dich umfängt und kaum noch weiter kommen lässt?“
„Es wäre mein Weg, immer noch!“
„Aber wenn es doch gar keinen Weg mehr gibt?“

„Ich würde immer noch suchen und versuchen. Ich würde niemals glauben, dass es keinen Weg mehr gäbe!“

„Wenn Räuber dich fänden, dir alles nehmen und dich totschlagen, wäre das dein Ende?“
„Nein. Ich würde meine Seele aussenden, meinen Weg weiter zu gehen!“
„Hat deine Seele Füße, einen Weg zu gehen?“
„Für den Weg, von dem wir reden, braucht man keine Füße.“

„Wenn du so wenig darüber weißt, wohin der Weg dich mit dem nächsten Schritt führt, macht er dir dann nicht Angst?“
„Nein.“
„Was empfindest du denn dann?“
„Hoffnung und Zuversicht!“
„Was lässt dich hoffen, was macht dich so zuversichtlich?“
„Der Weg, den ich schon gegangen bin.“

„Aber diese Räuber, die könnten noch kommen.“
„Ja. So manche Schicksalsschläge könnten mich treffen.“
„Bei jedem weiteren Schritt auf dem Weg?“
„Ja.“
„Du hast keine Angst?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Es wäre immer noch mein Weg.“

„Aber es könnte ein sehr beschwerlicher Weg werden.“
„Fürwahr, das Schicksal baut keine Autobahnen.“
„Aber leichte, angenehme Wege?“

„Per aspera ad astra.“
„Was bedeutet das?“
„Durch Ungemach zu den Sternen.“
„Was willst du damit sagen?“
„Leichte Wege werden kaum wahrgenommen und letztlich auch nicht wertgeschätzt. Niemand wäre stolz, einen solchen Weg genommen zu haben.“
„Nur was du erkämpft hast, mühevoll mit Schweiß und Blut wäre dir wertvoll?“
„Ich weiß dann jedenfalls, was ich daran habe!“
„Und was dir geschenkt wird?“
„Ich nehme es dankend an.“

„Dein Leben wurde dir geschenkt, deine Familie, deine Chance auf Bildung und darauf, überhaupt auf den Weg gegangen zu sein.“
„Ja, das weiß ich.“
„Es gibt viele Menschen, die niemals die Chance hatten, auf den Weg zu gehen, den du DEINEN WEG nennst.“
„Jeder Mensch hat einen eigenen Weg.“
„Ist das gerecht?“
„So ist das Leben.“
„Schämst du dich nicht manchmal angesichts all derer, die deine Chancen niemals erhalten haben?“
„Nein.“

„Wie kannst du das so einfach sagen? Wie kannst du schamlos hinnehmen, in einem reichen Land geboren zu sein, in geordneten Verhältnissen herangewachsen und eine gute Bildung genossen zu haben?“
„Weil es mein Weg war und ist.“
„Verdient dieser Weg nicht Ehrfurcht und Demut?“
„Ja.“
„Du könntest aber auch neidisch sein auf die Reichen und Mächtigen, auf Stars und Gewinner.“
„Bin ich aber nicht.“

„Warum nicht?“
„Mein Weg ist mein Weg.“
„Per aspera ad astra?“
„Manchmal schon.“
„Du bist zufrieden damit?“
„Ja.“
„Warum?“
„Weil es mein Weg ist.“
 



 
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