momEnttäuschung

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

george

Mitglied
Eine Perle an Text, liebe Noel.
Die Wortschöpfungen "dein andersland" und dass "das morgen uns schon gestern war" finde ich besonders gelungen.

Grüße
Jürgen
 

Suse

Mitglied
Hervorragend!

Man soll zwar pures Lob direkt an den Autor senden und nicht hier posten, aber ich möchte gerne mal öffentlich kundtun, dass es so wunderbar ist, wenn endlich mal wieder jemand mit kleinen feinheiten arbeitet, die einem text ganz viel geben können.

ich finde es ausgesprochen genial, wie du wert auf ganz besondere zeichen (in sachen groß- und kleinschreinung) und zusammensetzung und buchstabenspiel legst, und auch sonderzeichen mit einbindest (das "&"). ganz fantastisch! wir schneiden uns eine scheibe ab!

lg,
suse
 

noel

Mitglied
@ george/jürgen

eigenTLich ist es kein verDienst, nichts erarbeitetes.
mit dem schöpfen ist es bei mir wie mit dem reimen,
es passiert mir

@ suse

danke gerade für --> &
es ist in der regel etwas, was mir
negativ zu buche geschlagen wird.

noel
 

Inu

Mitglied
Hallo noel

Wunderschön hört sich Dein gesprochener Text an und plötzlich verstehe ich ihn und brauche nicht mehr auf Deine mal groß, mal klein geschriebenen und oft ( verzeih mir ) unklaren wOrt&fragMente zu sehen, die mich langsam ganz kirre machten und mir jeden Genuss nahmen.

Du hast auch eine sehr angenehme Stimme. :) Solltest Deine Gedichte immer lesen.

Lieben Gruß
Inu
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Noel,

zunächst muss ich dir sagen, dass mir die Spielerei mit dem Wortbild nicht gefällt. Heißt dein Text nun: Moment Enttäuschung oder Moment Täuschung oder etwas dazwischen? Zwischen beidem oder dreiem gibt es ja eine ziemliche Differenz wie zwischen Kopf, Zuschauer und Henkerbeil. Und wenn du das dritte meinst, dann schreib es doch. Hier willst du „modern“ sein, wirst aber nur unklar. Auch die Verwendung des &-Zeichens hat sich schon lange verabschiedet, und man hat den Eindruck, du klebst verblühte Rosensträuße auf deinen Badezimmerspiegel, anders gesagt: Du kannst nicht mehr anders.

Teilweise einverstanden bin ich mit: „Ich will reden mit dir, doch nur zuhören kann ich, noch fragen vielleicht“. Schon, dass ich anstandslos deine ersten Zeilen als Prosa schreiben kann, beweist, dass du keine Verse geschrieben hast, das zum einen. Frage: Warum nur? Zuhörenkönnen ist ein seltener Schatz. Dieses „nur“ empfinde ich nicht als zumutbares Understatement, sondern als Koketterie.

„Obgleich, dabei entkräfte ich dein Andersland“:
Sicher, man kann mit Fragen einem Gespräch eine bestimmte Richtung geben. Jedoch nicht, wie du schreibst, etwas entkräften. Denn dieser Entkräftung steht immer auch die festgemauerte Überzeugung des Sprechenden gegenüber, die selten durch Fragen entkräftet wird, sondern eher Widerstand erzeugt, nämlich ein Zurückziehen auf die eigenen Bastionen. Die Neubildung „Andersland“ gefällt mir sehr gut.

„das Tage zu Wochen, zu Monaten werden lässt und alles weitet dem nichts entgegen“
Das Andersland ist also für die Zuhörende reichlich langweilig, uninteressant, nicht attraktiv. Sie glaubt aber, sie sei gescheit genug, dem Gespräch durch Fragen die entscheidende Wende zu geben, damit der Sprechende seine eigenen, wie das Ich glaubt, Fehler erkennt. Durch die generelle Kleinschreibung hast du den Sinn des „Nichts“ unklar gemacht. Ich kann das „nichts“ als „Nichts“ verstehen, nämlich dass die Argumente des Sprechenden der Zuhörenden nichts bedeuten, sie wischt sie vom Tisch. Ich kann aber auch „nichts“ verstehen, und das würde bedeuten: Die Argumente der fragenden Zuhörerin sind so überzeugend, dass der Sprechende dem nichts entgegenzusetzen weiß. Die Spielerei All – alles kommt mir in welchem Zusammenhang auch immer nicht ganz unbescheiden vor.

„und der Moment täuscht verkehrt“:
Ist hier gemeint, dass es die falsche Täuschung ist? Das Ich also eine andere Täuschung beabsichtigt hat? Das Spiel Enttäuscht – täuscht weist darauf hin. Eine größere Aussage erreichst du damit meiner Ansicht nach nicht. Erst an dieser Stelle wird deine Prosa zum Gedicht.

„Worte passend im Vergessen“:
Auch hier wieder das Spiel Worte – Orte, passend – End. Wenn du es sagen willst, warum sagst du es nicht, sondern frühstückst uns mit solchen Halbworten ab? Ich habe das Gefühl, du sprichst von Brot, doch reichst uns nur das Stullenpapier. Oder ist das tatsächlich nur reine Formspielerei?
Aber zum Inhalt: Mir nicht ganz klar. Soll der Sprechende oder das Ich etwas vergessen? Warum eigentlich? Oder stellt das Ich fest, dass all seine Bemühungen vergeblich waren? Würde ich eher so sehen, wenn ich den Bezug zur nächsten Zeile bedenke.

„Das Morgen uns schon gestern war“:
Die beiden haben sich im Kreise gedreht, das Gespräch hätte auch nicht stattfinden können.

Liebe Noel, ich habe versucht, mir dein Gedicht zu deuten. Teil mir bitte mit, wo ich mich geirrt oder etwas falsch oder überhaupt nicht gesehen habe.

Insgesamt ist mein Eindruck, dass dein Ich sich sehr ernsthaft mit dem Gegenüber beschäftigt hat, es ihm dabei aber nicht gelingt, seine eigenen Grenzen zu sprengen. Irgendwo hätte ich das Wort „eigene Grenzen“ oder ähnliches erwartet, denn die stehen Erkenntnisgewinn und gutem Gesprächsende entgegen, nicht nur die Grenzen des anderen. Zu Überheblichkeit also keinerlei Ursache, auf beiden Seiten nicht.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Noel, ich muss noch etwas nachschieben, es ist durch einen technischen Fehler bei mir herausgefallen:

Dein Ich geht meiner Ansicht nach paternalistisch an das Gespräch heran. Seine Haltung ist folgende: Der andere muss sich ja irren, denn: Er hat eine andere Meinung als ich, die meiner völlig entgegensteht, und meine Meinung ist die beste für mich, das habe ich erprobt. Warum ist er so verbaut, dies nicht zu erkennen? Warum sträubt er sich, diese meine beste Meinung auch für sich anzuerkennen? Denk mal darüber nach. Das lässt sich zum Beispiel in vielen, auch gutgemeinten Ost-West-Gesprächen sehr genau nachvollziehen.

Lieben Gruß
Hanna
 

noel

Mitglied
ola hanna

Teilweise einverstanden bin ich mit: „Ich will reden mit dir, doch nur zuhören kann ich, noch fragen vielleicht“. Schon, dass ich anstandslos deine ersten Zeilen als Prosa schreiben kann, beweist, dass du keine Verse geschrieben hast, das zum einen
aha, nuja. diese grundsatzdiskussion würde sich lohnen, wenn du dieses INDIZ im ganzen text finden würdest& wenn die teilweise elliptische struktur des satzes nicht wäre. ich glaube schultechnisch wäre das kein "1 setzen-satz"

Zuhörenkönnen ist ein seltener Schatz. Dieses „nur“ empfinde ich nicht als zumutbares Understatement, sondern als Koketterie.
neihein, warum siehst du alles immer so beschattet. kannst
du dir nicht imaginieren, dass es auch ANDERE gründe geben könnte, warum man eben nicht mehr sprechen, fragen kann... eben nur noch zuhören?

bild --> http://www.gruppe-vier-w.org/audio_upload/noel__textfoto.jpg

Entkräftung steht immer auch die festgemauerte Überzeugung des Sprechenden gegenüber, die selten durch Fragen entkräftet wird, sondern eher Widerstand erzeugt, nämlich ein Zurückziehen auf die eigenen Bastionen.
es geht hier nicht um mAcht. mir fällt auf, dass du viele meiner texte immer unter diesem gesichtsPunkt betrachtest.
es gibt mehr & anderes

und der Moment täuscht verkehrt“:
Ist hier gemeint, dass es die falsche Täuschung ist? Das Ich also eine andere Täuschung beabsichtigt hat? Das Spiel Enttäuscht – täuscht weist darauf hin. Eine größere Aussage erreichst du damit meiner Ansicht nach nicht. Erst an dieser Stelle wird deine Prosa zum Gedicht.
--> der mensch belügt sich selbst am meisten, will
meinen: wenn ich mich belüge, ist die enttäuschung VORPROGRAMMIERT.
da der mensch aber der hoffnung bedarf, wird
er es immer wieder machen, wider, oder gerade trotz
besseren wissens, denn es geht um hoffnung & glauben

die dringlichkeit, nicht die notwendigkeit bestimmt den menschen

Worte passend im Vergessen“:
Auch hier wieder das Spiel Worte – Orte, passend – End. Wenn du es sagen willst, warum sagst du es nicht, sondern frühstückst uns mit solchen Halbworten ab?
a) sage ich es, denn sonst könntest du damit ja gar nicht argumentieren, oder?
b) mag ich die halbworte

„Das Morgen uns schon gestern war“:
Die beiden haben sich im Kreise gedreht, das Gespräch hätte auch nicht stattfinden können.
neeeeiiiiiiiiihhhheeeeeiin
du bist von anfang an auf dem falschen dampfer geschippeert & darauf baut sich ein nein, nein, neiihhein nach dem anderen in mir auf

beste grüße
noel
 

noel

Mitglied
uuaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhh

Liebe Noel, ich muss noch etwas nachschieben, es ist durch einen technischen Fehler bei mir herausgefallen:

Dein Ich geht meiner Ansicht nach paternalistisch an das Gespräch heran. Seine Haltung ist folgende: Der andere muss sich ja irren, denn: Er hat eine andere Meinung als ich, die meiner völlig entgegensteht, und meine Meinung ist die beste für mich, das habe ich erprobt. Warum ist er so verbaut, dies nicht zu erkennen? Warum sträubt er sich, diese meine beste Meinung auch für sich anzuerkennen? Denk mal darüber nach. Das lässt sich zum Beispiel in vielen, auch gutgemeinten Ost-West-Gesprächen sehr genau nachvollziehen.
würde ich so denken, schreibsprechen, wäre ich eine kreatur, biologisch am lEben, aber das war es auch.

wie verfällst du nur solch einseitigen perspektiven.

ich will nicht verstanden werden, ich will nUr beWEGen
für mich gibt es keine wahrheit `per se´, sondern nur wahrhaftigkeiten & die sind divers.

vielleicht verIrrst du dich ja mal in mein autorenforum, dann klärt sich einiges
aber lass mich noch einmal fragen wagen sagen...
deine perspektive ist sehr scheuklappig
 

Suse

Mitglied
Offenheit, liebe Leser!

Ja, uff, nach so einer ausufernden Debatte sehe ich mich tatsächlich auch noch einmal veranlasst, einen Kommentar abzugeben.

Es ist mit der Lyrik ja so: Würde man alles einfach so sagen, dann bräuchte es die Lyrik nicht. Dann könnten wir auch einen Brief schreiben, drunter: Mit freundlichen Grüßen, tschüss und danke.

Aber wir wollen ja keine Briefe schreiben und wir wollen auch nicht logisch argumentieren wenn wir Lyrik schreiben. Man sollte an Gedichte sehr frei heran gehen, man sollte seinen Kopf leer machen und die Wirkung abwarten. Dabei geht es nicht darum, was der Autor mit dem Gedicht sagen will, sondern es geht darum, was es in uns auslöst. Es ist ein ziemlich ungünstiges Vorgehen, wenn man versucht sich einem Gedicht zu nähern, indem man fragt: Was will uns der Autor damit sagen?

Ich zitiere hier mal Ralf Thenior, der ganz knapp aber einleuchtend ein paar Punkte zusammengestellt hat, wie man an Lyrik rangehen sollte:

"Die kritische Auseinandersetzung mit dem Gedicht kann erst beginnen, wenn man es ganz erfasst hat. Ganz erfasst bedeutet, sich nicht nur dem Inhaltlichen anheimzugeben, sondern auch die formale Struktur betrachtet und durchdrungen und die Beziehungen und Spannungsverhältnisse der sprachlichen Aspekte zu den inhaltlichen Aspekten erkannt zu haben." ....hier liegt meiner Meinung nach viel von dem Hund eurer Diskussion begraben....

Thenior sagt weiter: "Die erste Lektüre eines Gedichtes bringt ein Anmutungserlebnis: ein unklares, diffuses Gefühl der Anziehung oder Abstoßung, mit dem sich arbeiten lässt."

.... um auf die Diskussion hier Bezug zu nehmen: Man nimmt sich selbt etwas weg, wenn man versucht, ein Gedicht sofort peinlichst genau zu zerpflücken. Lieber sollte man sich davon "zudecken" lassen, und sehen, wie es sich anfühlt. Das Gedicht hat ja keineswegs den Anspruch, dass es einen "richtigen" Inhalt transportieren will. Es soll den Leser anregen, sich Gedanken zu einem Thema zu machen, und im Übrigen auch das Denken in alle möglichen Richtungen anstoßen - gerade über "Halbwörter" und gezielten Einsatz von bestimmten Zeichen und die Arbeit mit optischen Elementen und Beziehungen zwischen all diesem funktioniert das sehr gut.
Es macht doch Freude, wenn man als Leser ein Gedicht nicht nur einmal liest, sagt: Danke, habs kapiert. Tschüss." Es ist doch ein Hochgenuss, wenn man beim mehrmaligen Lesen immer neues entdeckt und dadurch Spannungen entstehen, die man nicht direkt fassen kann.

Puh - jetzt hab ich mehr Senf dazu gegeben, als ich wollte.

LG,
Suse
 

noel

Mitglied
chapeau

Dabei geht es nicht darum, was der Autor mit dem Gedicht sagen will, sondern es geht darum, was es in uns auslöst. Es ist ein ziemlich ungünstiges Vorgehen, wenn man versucht sich einem Gedicht zu nähern, indem man fragt: Was will uns der Autor damit sagen?
chapeau
Es soll den Leser anregen, sich Gedanken zu einem Thema zu machen, und im Übrigen auch das Denken in alle möglichen Richtungen anstoßen - gerade über "Halbwörter" und gezielten Einsatz von bestimmten Zeichen und die Arbeit mit optischen Elementen und Beziehungen zwischen all diesem funktioniert das sehr gut.
merci
 



 
Oben Unten