mutter (eine liebeserklärung)

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M

margot

Gast
es klingt saumäßig dumm
dass ich frage, warum ich am leben bin
seit nahezu 40 jahren
reihen sich die tage zu einer schier
endlosen perlenkette
an die meisten tage kann ich mich
nicht mehr erinnern
meine geburt kenne ich nur aus den
erzählungen meiner mutter
ich war ein 9-pfund schwerer brocken
den dickkopf habe ich mir bewahrt
und wie ich brüllen konnte!!
vor allem wenn sie mich mit spinat fütterten
als meine mutter zur fahrstunde unterwegs
war, flennte ich stundenlang
gotterbärmlich
während im fernsehen ein piratenfilm
mit errol flynn lief
mein älterer bruder stellte ein wasserglas
vor mich auf den teppich
das sollte meine tränen auffangen
mein opa roch nach zigarre
stimmt, der war auch da
er war sehr wortkarg
er nahm mich mit auf seine spaziergänge
und zeigte mir, wie man aus einem
jungen haselnußzweig eine flöte
schnitzt
einmal fiel ich in das goldfischbecken
der parkanlage, und mein opa hatte
angst, dass ihn meine mutter ausschimpfen
würde
und ich teilte seine angst
hunderte dieser tage tauchen aus meiner
erinnerung empor
und tausende dieser tage hat mein gedächtnis
einfach verschluckt
die sind in einen dunklen brunnenschacht
gefallen
in pure bedeutungslosigkeit
trotzdem bleiben noch eine menge geschichten
übrig
eine der besten: als mein bruder den kinderwagen
samt meinem inhalt auf einer abschüssigen
straße in die brennnesseln rauschen ließ
oder als ich als 3-jähriger ausbüchste
weil ich meine mutti suchen ging
ich hing sehr an ihrem rockzipfel
eigentlich wollte ich gar nicht geboren werden
der kinderarzt verpasste meiner mutter
eine spritze
er hätte sonst seinen skiurlaub verpasst
und so kam es, dass mich meine
mutter unter großen schmerzen am
3. advent 1962 zur welt brachte
sie hatte sich ein mädchen gewünscht
und weinte, als die hebamme mich
prachtkerl zeigte
die hebamme tröstete sie:
„an dem ist alles dran“, sagte sie
und meine mutter lächelte
überglücklich
ihre milch musste abgepumpt werden
die war durch die spritze schlecht geworden
ich kriegte die flasche
der kinderarzt fuhr in seinen skiurlaub
komisch, ich habe nie verstanden, warum ich
auf der welt bin
nicht mal jetzt nach beinahe 40 jahren
nach einer endlosen permutation
biographischer ereignisse
fehlt meinem bewußtsein der grund unter
den füßen
es ist gerade, als stände ich neben meinem leben
als zöge mich alle sehnsucht in den schoß
meiner mutter zurück
fände ich dort mein „ich“?
bin ich wirklich aus einer vom sperma meines
vaters befruchteten eizelle entstanden?
wie ist das möglich?
ich erinnere mich nicht
kann sich überhaupt jemand erinnern, wie er
entstanden ist?
aber alle tuen so, als ob es die natürlichste sache
der welt wäre
da zu sein
oder sie verdrängen diese frage nach dem ursprung
wie den tod
das ist sehr komisch
ein schauer von gruseligkeit durchfährt mich
wenn ich an meine artgenossen denke
die vielen unter der erde
und die blinden über der erde
wir teilen dasselbe schicksal
wir bewohnen dasselbe haus
sind wir gute nachbarn?
ich stelle die fragen
und jede antwort gebiert 10 neue fragen
gäbe es eine antwort auf alle fragen
nenne sie „gott“
oder „liebe“
mutter, wo komme ich her?
 
C

caruso

Gast
Gute Frage

...Ralph, aber vielleicht aus einem anderen Leben?

Kommen wir nicht Alle dorther und werden wiedergeboren?

Buona serata, caruso
 
M

margot

Gast
in diesem leben - hier und jetzt

die frage selbst macht den kick. in diesem gedicht
geht es sehr stark um seins-gefühle - und um die
ganz normale absurdität, geboren zu sein.
 

Chakram

Mitglied
Der Inhalt ansich ist interessant. Doch wäre eine Prosa-Erzählform nicht flüssiger zu lesen? Es handelt sich ja hier offensichtlich mehr um eine Erzählung als um ein Gedicht. Hier ist der Text arg zerstückelt und der Leser holpert durch den selbigen, was den Lesefluß erheblich stört. Auch die fehlende entsprechende Rechtschreibung tut sein übriges.

Man tut sich schwer beim lesen. Mit entsprechender Überarbeitung wäre der Text noch interessanter - und lesefreundlicher.

Lieben Gruß
Chakram
 
C

caruso

Gast
zerstückelt

Ralph, da muss ich Chakram recht geben ist es in der Tat, ich dachte anfangs sogar ob es nicht besser wäre das Ganze unter "Erzählungen" zu schreiben, wo ist da der Bezug zu "Liebe"?

LG caruso
 
M

margot

Gast
wo hast du rechtschreibefehler entdeckt?
die verbessere ich gerne. sofort.
dies ist ein erzählgedicht. der vortragende muß sich
auf den erzähler einlassen, sonst wird aus dem lesen
freilich nichts.
ich schrieb es nieder, wie es meiner seele entfiel.
etwas daran in der form zu ändern, wäre seiner
sinnhaftigkeit abträglich.
ist unsere biographie immer so flüssig zu lesen?
vielmehr wollen wir alles flüssig aufbereitet haben.
das ist nicht meine vorstellung von kunst.

gruß
ralph
 
M

margot

Gast
caruso, holder italiener, die größte liebe ist die
mutterliebe - das müßtest du wissen.
 
C

caruso

Gast
Mutterliebe

lieber Ralph, nichts dagegen einzuwenden aber gehört die in diesen Thread?

Mamma ist alles bei uns :)
 

Chakram

Mitglied
Hallo Ralph,

nicht Rechtschreibfehler. Mit der Rechtschreibung meinte ich die Einhaltung der Groß- und Kleinschreibung. Bei der stupiden Schreibweise in Kleinbuchstaben hab ich immer das Gefühl, der Verfasser hat entweder eine defekte Shift-Taste oder ist zu faul dazu sie zu benutzen :). Bei letzterem wiederum wird dann der Leser, meiner Meinung nach, nicht für voll genommen.

Es scheiden sich immer die Geister des Stil's das der Verfasser anwendet. Dennoch, auch für ein künstlerisches Erzählgedicht, ist es zu zerstückelt und holperig. Wenn der Vortragende sich auf den Erzähler einlassen soll, kann doch der Erzählende dem Vortragenden entgegenkommen ;).

Liebe Gruße
Chakram
 
M

margot

Gast
klar, ein mann, der seine mutter nicht liebt, wird
eine frau nie verwöhnen können. diese theorie stelle
ich mal in den raum - zum nachdenken.
 
M

margot

Gast
danke für deine aufrichtige meinung, chakram.
ich fühle mich mit diesem gedicht sauwohl, weil es
dem entspricht, was ich empfinde. zumindest zu einem
guten teil. warum sollte ich einem anderen menschen
mehr entgegenkommen als mit meiner aufrichtigkeit,
meiner eigenen empfindsamkeit. ist das nicht das
wertvollste gut, das wir einander mitzuteilen hätten?

stimmt - ich finde die groß- und kleinschreibung
total reaktionär und überholt. nichts für mich.
das wortbild ist differenziert genug ausgeprägt, so
daß man es auch ohne groß- und kleinschreibung ein-
wandfrei in seinen sinnzusammenhängen erkennen kann.
womit du recht hast: ich bin tatsächlich ein fauler
hund.

ralph
 
M

margot

Gast
ich meine die liebe vom kind zur mutter und von der
mutter zum kind. sie ist die innigste liebe, die einem
menschen teilhaftig werden kann. ich dachte, das wäre klar.

ralph
 

Aceta

Mitglied
Hallo Ralph,

ein Kuß, den sie Dir gab, vor der Schule, wo alle Deine Freunde es gesehen haben - über den Du damals so unendlich erbost warst - dessen Sinn Dir heute ganz neu erscheint, verstehend, daß darin ein Abschiedsschmerz lag, der es ihr so schwer machte?
Diese Szene beim Frisör - kannst Du Dich daran noch erinnern - damals warst Du drei: Du saßest auf ihrem Schoß, weil der Stuhl sonst zu niedrig gewesen wäre, und sie hat Dich gehalten und während des Haareschneidens spielten ihre Hände mit Deinen Fingern?
Dieses Bild, als Du zwölf oder dreizehn Jahre alt warst, Du solltest im Kunstunterricht Deine Mutter zeichnen, und sie war entsetzt, wie viele Falten Du in diesem Gesicht gezeichnet hast?
Die Liebe Deiner Mutter - wo ist sie Dir begegnet? Du schreibst viel von Empfindungen aus der Kindheit, wie Du die erlebtest - aber dies nicht nur in der Interaktion mit der Mutter. -
Es ist ein schönes Thema - es gibt so viel dazu zu sagen ...
*lächel*

Aceta
 
M

margot

Gast
aceta, du hast recht. ich konnte die beziehung zu
meiner mutter in diesem gedicht nur anreißen.
ich konnte kein umfassendes bild von ihr zeichnen.
ich schrieb von ein paar wenigen frühen kindheits-
erfahrungen, an die ich mich selbst nicht mal
erinnern kann. doch darauf lief mein gedicht hinaus -
zum ursprung unseres seins. darum hielt ich mich
in der nähe meiner geburt auf und stellte eine
verbindung zu dem sich immer noch fragenden, erwachsenen
mann her, der ich jetzt bin. hier ist die frage.
ich trage sie euch vor. diese frage ist auch eure frage.
sie wird euch bewußt oder unbewußt das ganze leben begleiten.

ralph
 

Aceta

Mitglied
Lieber Ralph,
diese Frage nach dem Anfang ist sicherlich mit der Mutter verbunden. Aber weißt Du, ich habe die Liebeserklärung gemeint - wie in der Überschrift angekündigt: Vielleicht solltest Du diesen Teil noch mit ein paar Worten intensiver einflechten?
Ach ja - ich habe den Rotstift weggeklickt, wenn Du solches Interesse wecken kannst, dann ist das ja wohl angemessen ...
*lächel*

Aceta
 
M

margot

Gast
das schreiben dieses gedichtes ist an sich schon
liebeserklärung genug. meine mutter würde das verstehen.
einflechten könnte ich eine menge. und in irgendwelchen
gedichten werde ich das sicher auch ausdrücken.
(eine liebeserklärung) setzte ich nicht umsonst
in klammern. das ist nicht das hauptthema des gedichts.
es geht um die frage nach meinem ursprung, daß ich
mich mit meiner mutter als meine erzeugerin innig
verknüpft fühle, und daß ich im poesieforum in den
letzten 24 stunden bereits ein gedicht untergebracht hatte.

lieben gruß
ralph
 
C

Christine

Gast
mutterliebe

Hallo ralph,
eine sehr schöne erzählung.
Die Mutter bringt das Kind zur Welt.
Mutter sein ist was sehr schönes,
durch schmerzen kommen KInder zur welt.
Sie kommen aus Dem leib der Mutter,durch Liebe enstanden.
Es ist die Liebe allen Ursprung des Seins.
Ich bin selbt Mutter und weiß das ich meinen Sohn Liebe.
Ein kind zur Welt zu bringen ist ein Gefühl des Glücks.
Beide Kind wie Mutter haben die Geburt erkämpft.
Ich werde nie dieses Gefühl vergessen,das Tiefe Glück in
mir die Freude,als ich Meinen Sohn zum ersten mal im Arm hielt.
es ist schön deine Erzählung
ganz Liebe grüße christine
 
M

margot

Gast
ich habe respekt vor deinem mutter-sein. ich bin leider
nur kind. immer noch. nur kind.
ich wünschte mir meine mutter als schwester.

ralph
 



 
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