neunzehn siebensiebzig

juleb

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neunzehn siebensiebzig

19 77
war ich siebzehn
19 77
war ich fürchterlich verliebt
19 77
starben menschen, doch
das hat mich überhaupt nicht interessiert

auch ohne diese toten
es war ein wichtiges jahr
die demos in brokdorf zeigten
erwachen vor größter gefahr

ich war nicht da aber trotzdem
ich sah sie am fernsehschirm
und wurde ein kleines bißchen
zu dem, was ich heute noch bin

19 77
war ich siebzehn
19 77
war ich fürchterlich verliebt
19 77
starben menschen, das hat mich
sehr viel später erst berührt

die schwachen zweifel wuchsen
ich denke anders jetzt
ich frage öfters was geschah
in diesem heißen herbst

trat neunzehnsiebensiebzig
ein staat als mörder auf
so hat er damals restlos
rechtsstaatlichkeit verkauft

19 88
ich bin älter
19 88
ich bin wieder mal verliebt
19 88
ich bin klüger
was haben diese jahre mich gelehrt

elf jahre sind vergangen
ich habe kämpfen gelernt
ich trage schon etliche narben
und die nicht nur auf der haut

neunzehnsiebensiebzig
schlief ich noch
friedlich fett
elf jahre später ruht bei mir
ein colt in meinem bett

19 77
war ich siebzehn
19 77
war ich schauderhaft naiv
19 88
ich bin wilder und
ich warte auf den nächste krieg

(eines der ersten gedichte, entstanden 1988, elf jahre nach dem tod der stammheimer gefangenen, in einer zeit, wo ich nach einer politischen position suchte. Ein paar jahre lang wa ich ein echter terrorfan, fühlte mich mit böll verbunden, der auch nie begriffen hat, weshalb sechzig millionen 7 staatsfeinden nachjagten.)
1988
 



 
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