ohne Titel

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eloise

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Mike sah in Benns Augen und erkannte sich selbst. Klein, hilflos.
Sie kannten einander schon so lang. In Benn stiegen Bilder aus längst vergangener Zeit empor, glitten durch jede seiner Gehirnwindungen und pochten von innen gegen seine schweißbedeckte Stirn! Es waren Bilder vom Schulanfang, von Mom und Dad, wie er und Mike sich in der Vierten kennenlernten. Alles schien so greifbar und dennoch ohne Sinn.
Es war als wären sie wieder Kinder, die sich um ein Spielzeug auf dem Schulhof stritten. Der Schulhof war auf ein kleines, dunkles Zimmer zusammengeschrumpft. Es war kalt und leer, bis auf zwei Stühle, auf denen sie saßen und dem Holztisch, der beide trennte. Das Spielzeug verwandelte sich in Ernst. Die 9mm lag eine Armlänge entfernt auf der Tischplatte, gefüllt mit nur einer Patrone. Benn hatte die Waffe besorgt. Er wußte sein Vater würde sie nicht vermissen.
Warum ist nur eine Kugel in der Knarre? hatte Mike gefragt. Benn konnte keine Antwort geben. Nur eine Kugel. Das bedeutete, man mußte treffen. Es gab keinen zweiten Versuch,
das war beiden klar.
Mike fühlte Benns Nervosität und wie gut konnte er diese nachempfinden. Hätte er erklären sollen, wie es dazu kam, er hätte keine Worte gefunden. Es gab für das was geschah keine Erklärung.
Was beide empfanden, war eine Mischung aus Angst, Beklemmung, ja sogar Mitleid für den anderen.
Doch es musste sein und es musste jetzt sein.
Beide sprangen auf, es gab ein Handgemenge und Mike hielt die Waffe in seinen Händen. Sie sahen einander an. Der Schuss hallte durch den Raum, dann Ruhe.
Benn saß wie versteinert da und betrachtete seinen Freund, dessen Kopf auf dem Tisch lag, mit geöffneten Augen...
 



 
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