schiller, zum nachtgebet

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Hallo samuel,

die Totenmaske von Friedrich von Schiller habe ich einmal gesehen. Sie hing bei meinem Professor für Bibliothekswissenschaften in seinem Wohnzimmer in Berlin, denn die Bibliothekswissenschaft war mein Nebenfach, obgleich ich später einen ganz anderen Beruf erwählt habe und mich dann dazu ausgebildet habe.

Schiller war der Abgott meiner Jugendjahre. Ich sprach kein Nachtgebet für ihn, aber ich küsste vor dem Einschlafen das Bild, das einer meiner Onkel von Schiller für mich gemalt hatte.

Er hatte überhaupt keine Mühe, etwas zur Sprache zu bringen. Wenn er mit Fieber zu Bett lag, so krank, dass man oft seinen Tod befürchten musste, hat er seiner Schwägerin die Texte für seine Theaterstücke diktiert. Aus ihm floss alles nur so heraus, ein Meisterwerk nach dem anderen.

Sicher, die Totenmaske kann nun nicht mehr sprechen und wenn man über diese etwas sagen wollte, würden auch mir die Worte fehlen.

Seine Extasen wurden immer ausgelöst durch einen unbändigen Drang, die Wahrheit auszusprechen oder die Freundschaft zu preisen, oder den menschlichen Drang nach Freiheit zu offenbaren.

"Mannerstolz vor Königsthronen, -
Brüder, gält es Gut und Blut -"

Du kannst Dir sicher vorstellen, wie glücklich ich darüber bin, dass die Deutschen das "Lied an die Freude" häufig erklingen lassen.

Für die Fremdheit könnte es viele Deutungen geben, da will ich jetzt nicht herumfantasieren. Du wirst ja wissen, was Du gemeint hast.

Ja, wie mag er geschlafen haben, dieser Mensch, der ein verzehrendes Leben geführt hat, der an einem Tag das geleistet und durchdacht hat, wofür andere ein Jahr brauchen.

Natürlich konnte ich über diesen Text hier nicht hinweggehen. Sollte er als Hommage gemeint sein, ist er vielleicht ein allererster Ansatz dafür, wenigstens in meinen Augen. Ich finde es mutig von Dir, Dich an so ein Thema zu wagen. Ich habe bis jetzt erst eine einzige Hommage geschrieben und die gilt Marcel Marceau und ich fand das sehr schwierig.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
S

samuel

Gast
ach, und die fremdheit

Danke, Vera-Lena!

Schön, wie ich dein Empfinden getroffen habe und wie Du Schiller darstellst und siehst!

Zur Fremdheit: Nun, wie muss sich einer fühlen in einer Welt, die seinen Idealen gar nicht entspricht?

Liebe Grüße, samuel
 

Vera-Lena

Mitglied
Aha, das hattest Du gemeint, lieber Samuel. Ja, seine Ästhetischen Schriften sprechen immer vom "Ideal".

Ich glaube, er war so gefangengenommen von seiner eigenen Welt, dass er nie in Gefahr war an dem, was sich um ihn herum abspielte, zu zerbrechen.

Aber das ist nur so eine Vermutung von mir. Man muss ja auch bedenken, dass die Welt nicht voller Informationen war damals, wie wir es heute kennen. Deshalb waren auch Reiseromane so beliebt, weil man nichts über andere Länder wusste.Und denk einmal, wie zerklüftet Deutschland war. Ein deutsches Fürstentum konnte man mit einer Kutsche in 2 Tagen durchqueren, denke ich jedenfalls. Da erfuhr man nicht so viel Tragisches, wie wir es heute an einem einzigen Abend im Fernsehen erschauen können.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Ralf Langer

Mitglied
hi samuel,
ich muß bei schädel auch an Golgatha
denken.
und dann sehe ich den in seiner eigenen
zeit fremden schiller am kreuze

schweigen

lg
ralf
 
S

samuel

Gast
Hallo, Ralf!

Ein schönes Verstehen meines Textes! Und was Du dazu sagst, ist schon ein eigenes Gedicht, das mir sehr gut gefällt:

ich muß bei schädel auch an Golgatha
denken
und dann sehe ich den in seiner eigenen
zeit fremden schiller am kreuze

schweigen


Liebe Grüße, samuel
 



 
Oben Unten