schneewittchen

4,20 Stern(e) 16 Bewertungen
M

mirami

Gast
schön tiefsinnig und märchenhaft gut auf den punkt gebracht.
für mich dein schönstes werk hier bisher, mitis.

lg
mirami
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe mitis,

hier hast Du eine exzellente Form gefunden, (Dein Thema, ich behaupte das mal so frech) schlüssig in Lyrik umzusetzen.

Die Zwerge stehen für die noch nicht reifen Männer. Sie lieben Schneewittchen, bieten ihr eine Zuflucht, aber sie sind noch keine wirklichen Gefährten.
Sie sind es auch, die den Sarg aufheben, wodurch Schneewittchen, durch das Gerüttel den vergifteten Apfel wieder ausspeien kann.
Der Prinz findet sie ja so schön, dass er sie im verstorbenen Zustand mitnehmen wollte.

Ich finde es übrigens sehr gelungen, dass Du den Prinz in Deinem Text gar nicht erwähnst.

Knapper ging es nicht und auch diese Kürze finde ich hervorragend.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
B

Beba

Gast
Hi mitis,

dieser Text lässt viel Raum für den Leser, und das finde ich gut. Du deutest dieses bekannte Märchen an, malst es in diese Zeit, in zurückhaltendem Ton. Und mit dem Ende ist dann der Leser dran ...

Gefällt mir gut,
Bernd
 
G

Gelöschtes Mitglied 8846

Gast
Hallo mitis,

ich kann mich hier der Kurzeinschätzung von mirami nur anschließen, gefällt mir richtig, richtig gut.

LG Franka
 
K

Kasper Grimm

Gast
Interessante Märcheninterpretation. Ich führe das für mich so aus: Schönheit ist nicht nur ein Vorzug, sie kann auch in die Isolation führen, also ein Nachteil sein. So sehr, daß man wie in einem gläsernen Sarg ist. Erst wirkliche Liebe, also nicht die in Äußerlichem hängengebliebene, kann soweit erschüttern, daß das Eis, Sinnbild vom gläsernen Sarg, gesprengt wird.
Im Märchen stolperten die Zwerge beim Sargtransport, worauf dem Mädchen das im Hals stecken gebliebene Apfelstück herausrutschte. Oder War es nicht der Kuß des Prinzen, der sie wiedererweckte?
Jedenfalls läßt es Raum für Assoziationen.
 

Vera-Lena

Mitglied
Wenn man sich an den Text halten will, so ist Schneewittchen erwacht, weil die Zwerge stolperten. Die eigentlich Aussage macht das Märchen aber durch die Worte des Prinzen, der die Zwerge bat:
"So schenkt mir ihn (den gläsernen Sarg), denn ich kann nicht leben, ohne Schneewittchen zu sehen, ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes."

Es ist eine Liebesgeschichte, die viele Umwege nehmen musste, bis die beiden Protagonisten einander finden konnten.

Wem ergeht es nicht so. Wenn zwei Menschen für einander bestimmt sind, kann man oft nur staunen, welche Wege sie nehmen mussten, um einander überhaupt zu begegnen. Geduld gehört dazu in der Zeit des Wartens und Hoffens. Auch Helfer braucht man, die in die Tiefen der Erde (der Psyche) hinabsteigen, um die Schätze hervorzuholen, die im eigenen Innern einem selbst in der Jugend noch verborgen sind.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

mitis

Mitglied
@kaspar grimm
führe das für mich so aus: Schönheit ist nicht nur ein Vorzug, sie kann auch in die Isolation führen, also ein Nachteil sein. So sehr, daß man wie in einem gläsernen Sarg ist.
so waren auch meine gedanken in bezug auf schneewittchen, der "gläserne sarg" für mich auch ein symbol für misstrauen, vorsicht.

@vera lena
der prinz schwingt ungenannt mit. er verliebt sich eigentlich in eine (für ihn) "tote", d.h. ein bild. wir alle verlieben uns ja zunächst in ein "bild" bzw. in eine "vorstellung vom anderen" etc.

lg mitis
 
H

Heidrun D.

Gast
Dein Gedicht gefällt mich ausgezeichne; geradezu vorbildlich finde ich die Erwähnung der Randständigkeit, die, in welcher Form auch immer, Neid erwecken kann.

Rollt man den Text von hinten auf, steht am Anfang die Liebe, dicht gefolgt vom Vertrauen (dem gläsernen Sarg), der Undurchschaubarkeit als Gefahr ... am Ende triumphiert die siegreiche Schönheit.

Ein kurzes Gedicht, dass so viele Spielarten zulässt. Allerliebst!

Heidrun
 

Vera-Lena

Mitglied
"Wir alle verlieben uns ja zunächst in ein Bild bzw. eine "Vorstellung" vom Anderen.

Schade mitis, dass Du das so sehen musst. "Ver"lieben sollte man sich überhaupt nicht; und ein Bild von einem Menschen sollte man sich auch nicht machen, weil jeder Mensch morgen schon wieder ein anderer ist, als er es heute ist. Da bleibt nur immer wieder, die Puzzle-Teilchen zusammenzufügen und entzückt zu sein von dem, was man heute gefunden hat. So gehen zwei Menschen und suchen immer wieder einen möglichst gemeinsamen Weg und versuchen, sich einander anzuverwandeln wenigstens zu einem Prozent. Eine Beziehung ist eine große Arbeit, aber sie ist das Wundervollste, was uns geschenkt werden kann. So sehe ich das.

Wenn Du allein schon mal Dir Gedichte ansiehst hier in der Lupe von Usern, die schon viele Jahre hier schreiben, dann wirst Du sehen, wie sie sich verändert haben. Und ihre Werke spiegeln doch immer nur ein wenig von ihrem Selbst.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Inu

Mitglied
Mitis
Dieses Gedicht hat mir eine Gänsehaut verursacht. Die drei letzten Zeilen sind wunderbar.

Gruß
Inu
 

mitis

Mitglied
@vera-lena
ich schrieb ja auch "man verliebt sich ZUNÄCHST in eine vorstellung vom anderen".
verlieben hat auch meiner meinung nach nicht unbedingt was mit "liebe" zu tun - allerdings bietet verlieben eine von mehreren chancen zu einer der vielen formen von liebe.
beim verlieben muss man - so denke ich - zunächst durch seine eigenen "vorstellungen" durch. das kann klappen oder auch nicht und hängt sehr von der bereitschaft des anderen ab.
schließlich kann man ja auch jahrelang verliebt sein ohne die andere person überhaupt richtig zu kennen.
lg mitis
 



 
Oben Unten