schwarze Seide

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memo

Mitglied
Du hast die Bluse selbst ausgesucht.
Ich binde dir die Schleife. Sie ist schön.

Opa hat mich angerufen. Es ist Nacht. Er hat Kerzen aufgestellt, dich fotografiert und abgeheftet. Alles muss seine Ordnung haben. Immer noch.

Den Tag zuvor habe ich nicht bemerkt wie durstig du warst.
Dieser Gedanke erinnert mich daran, wie gerne ich deinen Holundersaft trank, der immer bereit stand.
Verzeih mir.
 

Duisburger

Mitglied
Hallo memo,

das Werk hat einen eigentümlichen Reiz. Es gefällt wegen seines Klangs und der Leichtigkeit der Worte.

Und doch verstehe ich es nicht wirklich.

lg
Duisburger
 

memo

Mitglied
Lieber Duisburger,
ich freue mich sehr über deine Reaktion.
Leider kann ich dir meine Worte nicht erklären. Es ist geht um das Sterben.
Liebe Grüße
memo
 
N

no-name

Gast
hallo memo,

dass es um das sterben geht, habe ich vermutet, so richtig an deinem text begründen, warum ich darauf gekommen bin, kann ich das aber nicht.

ich hatte die assoziation, dass die frau, von der du schreibst, bereits im offenen sarg liegt. dein prot. bindet ihr sozusagen die schleife der totenbluse... wäre ein mögliche interpretation, oder?

so kurz dein text auch ist, ich musste diesen mehrmals lesen, und finde noch immer wieder neues darin. wirklich faszinierend, wobei du dem leser nicht wirklich viele informationen gibst.

freundliche grüße von no-name.
 

memo

Mitglied
hallo no-name,
ja, deine assoziation ist gut.
vielen dank für deine Gedanken zu meinen zeilen.
sehr freundliche grüße
zurück
memo
 

memo

Mitglied
Ich werde das Buch lesen. Danke für den Hinweis.
Und Danke für deine Worte.
Liebe Grüße
und alles Gute, lieber Otto
wünscht
memo
 
Für mich ein sprachlich sehr schöner Text, fast "anmutig" weich und wie selbstverständlich plätschert die Schilderung.

Besonders gefällt mir:
"Opa hat mich angerufen. Es ist Nacht. Er hat Kerzen aufgestellt, dich fotografiert und abgeheftet. Alles muss seine Ordnung haben. Immer noch."

... wie das einzige Mittel gegen den diffusen Zugriff des Nichts in eine Idylle das geradezu manische Pochen auf "Ordnung" ist, welche die Menschenwelt dann trotzdem und auf genau bisherige Weise weiterhin alltags-lebbar sein lässt.
(bloß keine Störungen meiner Idylle)

Meine Bedenken gegen solche Vermeidungsstrategien:

Es werden damit die Antworten und hints, welche die Vergänglichkeit unserem Dasein fruchtbar rückmelden kann, einfach ignoriert.

Anders geschildert:
Der in solchen highlight-Momenten bewusst durchlebbare grelle Schmerz wird in der Ordentlichkeit äußerer Abläufe, äußerlichen Tuns erstickt wie mit einer Droge - aber gerade solcher Schmerz, der native Aufschrei des Lebens gegen den Tod, ist ja die in solchen Momenten leicht zu öffnende Türe, hinter der das eigentliche grelle, chaotische, abenteuerliche Leben zu finden ist.
Das Leben gedeiht und läuft ja nur an der sicheren Hand des Todes, ohne diesen ist es schwach, welk, führungslos und unfruchtbar.
Es gibt keine Siege ohne Kämpfe, kein wirkliches Lebenkönnen ohne Sterbenkönnen, und jede Idylle ist praktisch ein kleiner oder großer Tod bereits mitten im Leben.

Insofern würde ich dem textlichen Opa vorwerfen, dass er offenbar bereits vor seiner Frau abgestorben ist, denn seine Ordnungswut repräsentiert eine "frozen world". (und man könnte zynisch interpretieren, dass sich die tote Oma nun lediglich unter Selbstaufgabe Opas totem Stilleben angepasst habe)
 

memo

Mitglied
Lieber Waldemar!
Danke für deine wunderbare Auseinandersetzung mit meinem Text!
Ausführlich, tiefsinnig und sehr schön zu lesen.
memo
 



 
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