schwarzglöckchen

4,80 Stern(e) 10 Bewertungen

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
schwarzglöckchen

hör nicht auf
die männer am tor
bewegen den riegel
als schwert der freiheit
gefangen zu bleiben

auf den mund gedrückt
die hand
zum bruderkuss
den schwestern
nicht neiden

ich singe die sätze
von steinernen köpfen
die nasenlos
an fremden plätzen
mit namen
wie alternde wunden
doch noch verschweigen

du hast gelacht
die flachen zähne
tief im griechischen nacken
und nirgends flohen
sie weiser
als hier

und heute
denke ich nach
über sommerstückchen
und den
unzertrennlichen himmel
von einst
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo lap!

Ein grandioser Nachruf auf Christa Wolf!

Danke dafür und liebe Grüße
Manfred
 
A

AchterZwerg

Gast
Dem schließe ich mich vorbehaltlos an.
Ich hatte selber schon etwas zum Thema angefangen, wage es nun aber nicht mehr weiterzumachen. -
Eine ganz Große ist heimgegangen, die zeitlebens keinen Ort fand. Nirgends.
Liebe Grüße
Heidrun
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Vielen Dank euch.

Es gibt viele Autoren, die den Tod zum Anlass nahmen und nehmen, an sie zu denken. Jeder auf seine eigene Art.

cu
lap
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo lap,

hier schreibt einer (du), dem die Worte wie gefühltes Staunen aus der Feder tropfen: sehr mitreißend!

Erlaube mir dennoch anzumerken, dass dem Mittelstück m.E. (als Herz) das Verb fehlt. Da stockt was. Vielleicht gewollt?

ich singe die sätze
von steinernen köpfen
die nasenlos
an fremden plätzen
mit namen
wie alternde wunden
doch noch verschweigen
Sonst vielleicht so:

ich singe die sätze
von steinernen köpfen
die nasenlos
den fremden plätzen
mit neuen namen
trotzen und schweigen
wie alternde wunden

So wäre es mir klarer - falls ich es richtig verstehe.

Liebe Grüße,

Elke
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Elke,

du kennst ja meine minimalistische Art
:)

Das Verb, welches Dir im Mittelteil fehlt, ist jedoch da.
Der Bezug ist eines der für mich prägendsten Bilder aus Kassandra.
Letztlich geht es darum, dass man heute in Museen die Köpfe von Leuten liebevoll restauriert und präsentiert, die in irgendeinem Sinne Dreck am Stecken haben.
So wie ihre Gewalttaten verschwiegen wurden, als ihrer zum ersten Mal gedacht wurde, so geschieht es in Ausstellungsräumen wieder, wenn man ihre Namen nicht kennt, aber das künstlerische Geschick der Bildhauer bewundert.
Die lateinischen Namen teilen sie mit Krankheiten, was ein eher zynisches Mittel zur Bildung negativer Verknüpfungen ist.
In Deiner Version werden die Helden und Könige wieder positiv dargestellt.

Kassandra ist in dieser Hinsicht sehr ernüchternd.
 



 
Oben Unten