solotour

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Ich stockte einen Augenblick als müsste ich mich besinnen. Alles was ich tat, war, meinen Schuh zu betrachten. Ich dachte an nichts anderes, als an die Sohle, die sich mit ihrem tiefen, an manchen Stellen schon leicht abgenutzen Profil zwischen kleine Steinchen und etwas Erde grub, und dabei noch ein oder zwei Grashalme unter die Erde presste. Mein Fuß hatte sich ein geringes Stück eingedreht, nach dem ich den letzten Schritt vor meiner Beobachtung getan, und meine Körperlast auf mein rechtes Bein verlagert hatte. ich atmete schwer. Es war für mich anstrengend den Berg nach und nach zu ersteigen. Ich hatte nicht vor zu pausieren um mich auszuruhen, aber immer wieder gab es diese kleinen Momente in denen ich nur beobachtete: Steine, Vögel, Gräser, meinen Schuh und wer weiß, was alles noch kommen würde. oft schaute ich hinab, und sah kaum das Umland des Berges, das Tal war verschluckt von Felsgestein, das mir den Blick in die grüne Tiefe versperrte. Ich schaute lediglich auf den Anstieg zum nächsten steinernen Himmelsstürmer. Was ich zurückließ, und was ich hinter mir gelassen hatte, sah ich nicht. ich fühlte mich getrieben, denn ich hatte Sehnsucht nach dem Gefühl der Freiheit. Die Beklommenheit meines Alltags wollte ich abschütteln. Nur für mich atmen können und müssen, meinen Atem für mich behalten, und nicht für andere aufbrauchen, das wollte ich.
Beim Besteigen des Berges fühlte ich mich nicht mehr ziellos umtriebeig, sondern hatte ein Ziel vor Augen, endlich wieder ein Ziel, ein kleines, ein kleinliches, aber ein Ziel. ich wollte den Gipfel erreichen.
Das Gesteinsmassiv, auf dem ichmeine Freiheit zu initiiren gedachte, warf Schatten, unermessliche Schatten in das inzwischen wieder sichtbare Tal. Ich war weiter den Berg hinaufgestiegen. Aus dem dunklen Deckmantel , den der Berg über das Tal warf, stachen sonnenbeschienene, grüne Flecken hervor. Ausschnittsweise konnte ich die belaubten Bäume erblicken, und auf sie spucken. Ich tat ihnen Unrecht, indem ich auf sie niederspuckte, aber alles, was sich im Tal befand, wurde für mich zur Kanalisation, durch die meine Enttäuschung, mein verletzter Stolz, meine schmerzliche Traurigkeit abfloss. Auf eine sonderbare Weise war ich der Natur dankbar, dass ich genau auf meinem Weg das Tal, in dem ich die vergangenen drei Jahre zurückließ, noch einmal sehen durfte, und meine Verbitterung nicht schlucken, sondern ausspucken konnte. ich kam meinem Freiheitsgefühl näher. Ein Lächeln schien sich bald auf meinem Gesicht abzeichnen zu können.
Ich stieg langsamer voran, denn ich hatte erkannt, dass ich jetzt Zeit besaß, und mich nicht zu hetzen brauchte. Auch meine innere Eile ließ nach. Ich genoss den beschwerlichen Weg.
'Raja' - ich dachte daran, wie mir dieser Name noch einmal über meine Lippen rollte. Ich stellte mir vor, ich würde versuchen den Namen auszusprechen. Keinen Ton brachte ich zustande. Wozu auch? Raja wollte den Berg nicht besteigen. Nicht mehr mit mir, mit niemandem. Sie hatte mich unten auf dem Parkplatz einfach stehen gelassen.
inzwischen war es mir recht so. Meine Spucke für die Bäume, so hoffte ich zynisch, hatte sie in das Bächlein, und der wiederum hatte sie aus dem Tal gespült. Sie war weg. ich hatte sie ausgespuckt, und mit ihr allen Wehmut, der an ihr klebte. Sie würde weg bleiben. Ich war mir sicher.
Stück um Stück kletterte ich dem Berggipfel entgegen, bis ich unerwartet etwas Wunderschönes zu Gesicht bekam. Es nahm mich gefangen. Nah bei mir kreiste der erste Steinadler, den ich je sah. Sein Gefieder schimmerte dunkelbraun, und versank in Schwarz, wenn er der Sonne entgegnflog. Die Kraft und die Freiheit, die er ausstrahlte, hielten mich für eine kleine Ewigkeit in ihrem Bann. Genussvoll sog ich diesen Anblick in mich auf.
 

Zefira

Mitglied
Lieber Fabian,

das ist eine feine Geschichte. Das Eingangsbild des Schuhs - der Blick auf das Vertraute "zu Füßen" statt in die Weite - gefällt mir besonders. Ich bin aber sehr darüber gestolpert, daß Du den Schuh, auf in dem Du stehst, von unten betrachtest. Dieses Bild solltest Du vielleicht noch etwas sortieren.

Noch eine Stelle, wo es m.E. ein wenig holpert:
>Meine Spucke für die Bäume, so hoffte ich zynisch, hatte sie in das Bächlein, und der wiederum hatte sie aus dem Tal gespült. Sie war weg. ich hatte sie ausgespuckt, und mit ihr allen Wehmut, der an ihr klebte.<

Abgesehen davon, daß ich das Bild furchtbar unappetitlich finde - und wenn Du einen Menschen (bildhaft) so traktierst, sollte das, finde ich, wenigstens andeutungsweise begründet werden! - geht das doch nicht gleichzeitig: einmal wird sie von dem Bächlein aus Spucke mitgerissen und aus dem Tal gespült, im nächsten Halbsatz wird sie selbst ausgespuckt....

Im Prinzip finde ich diese Metapher des Ausspuckens aber sehr gelungen (nur darin mitschwimmen - muß das sein??), wie überhaupt die ganze Metaphorik dieses Anstiegs zum Gipfel.
Es finden sich überall originelle Formulierungen, wie
>Ich schaute lediglich auf den Anstieg zum nächsten steinernen Himmelsstürmer.<
oder
>Nur für mich atmen können und müssen, meinen Atem für mich behalten, und nicht für andere aufbrauchen, das wollte ich.<

... das ist toll!
Liebe Grüße,
Zefira
 



 
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