soziales

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grasshof

Mitglied
Joachim wird heimgeholt
Lydia zwängte sich durch das Knäuel der Aussteiger, bis sie neben dem Gesuchten Platz fand. Es war Joachim. Sie kannte ihn vom Sehen schon sehr lange, als er noch seiner Arbeit nachgegangen war. Dann war da ein Unfall, später folgte die Arbeitslosigkeit, seit Jahren beobachtete sie, wie er immer mehr verkam und sie hatte Mitleid. Aufmerksam wurde sie eigentlich schon in jungen Jahren auf ihn, denn er erinnerte sie an ihren Vater. Deswegen war sie unterwegs zu ihm.
Sie setzte sich neben Joachim hin: "Schönen Abend Herr Bendler, was machen Sie denn hier?" Der Mann starrte entgeistert auf die Frau, war er es doch nicht mehr gewohnt, angesprochen zu werden. Dann antwortete er: "Ich hier? Na ja, ich sitze hier, weil es da warm ist, und ich trinke, weil ich sonst nicht hier sein kann." Aber warum sie denn frage, wer sie denn sei?
Lydia rückte zu ihm hin und nahm die Hand des Mannes, hielt sie fest: "Joachim, Sie sollten mit dem Trinken aufhören, verstehen Sie, dann wüsste ich einen Ausweg aus ihrer Lage."
Weiter sprach sie nicht, sie dachte nur an die zwei Betten zu Hause in ihrer warmen Stube, dort wäre Platz für zwei. Er könne sich doch einer Frau anvertrauen, in seinem Alter. Nur mit dem Trinken müsste er halt aufhören.
Joachim ließ seine Hand in der ihren liegen, er rückte nicht ab, er wurde auch nicht zudringlicher. Ja, er hatte Haltung, wie ihr Vater, welcher erst vor einigen Monaten gestorben war, den sie gepflegt hatte bis zu seinem Tod.


Lydia blieb eine Weile bei dem Mann sitzen. Seine Hand war kalt, doch allmählich begannen seine Augen zu leuchten, als ob er verstanden habe.
Sie versprach ihm, bald wieder vorbeizukommen. Kurz, nachdem die Frau das Lokal verlassen hatte, richtete sich auch Joachim zum Fortgehen. Seine Zechgenossen witzelten hinter ihm her, wegen dieses überraschenden Besuches einer so attraktiven Frau. Doch der Mann verließ ruhig das Gasthaus und humpelte die Straße entlang. Es war bitterlich kalt. Seine Beine trugen ihn kaum, obwohl er diesmal nüchtern den Weg zu seiner Behausung ging.
Immer wieder murmelte er: „Sie hat meine Hand gehalten."
Er sperrte umständlich mit zittrigen Händen das Gartentor auf, schob die Eisentüre zum Keller zurück und stieg die Stufen nach unten. Da hatte er seine Bleibe. Er warf den Mantel über den einzigen Stuhl im Raum, holte mit dem Eimer Wasser aus der Waschküche und schob dann den Riegel vor seine Tür. Wackelig schlurfte er zu seinem Lager. Es bestand nur aus drei Matratzen am Boden. Seine Kleidung behielt er an.
Sie hat meine Hand gehalten, sie hat mich sogar angeschaut, murmelte er. Gerne hätte ich über ihr ergrautes Haar gestrichen, oder über ihre rosige Wange, aber sicher wäre sie dann abgerückt. Ich weiß ja, wie Frauen sind. Ich habe mich stillgehalten, redete er mit sich selber. Sie hat meine Hand gehalten und mich angeschaut. Wie groß ihre dunklen Augen waren, wie rot ihre Lippen brannten. Ihre Hand war warm und ihre Augen freundlich. Lydia heiße sie und ich solle mit dem Trinken aufhören, dann ..., ja, was meinte sie damit? Sie hat mich glücklich gemacht, mein Gott, wie lange war ich nicht mehr glücklich.
Wie war das Beisammensein heute schön und es war gut!
Lydia, murmelte er. Wie gut es doch ist, jemanden neben sich zu haben. Bald schlief Joachim ein.
Die Frau besuchte Joachim jeden zweiten Tag abends im Gasthaus. Er nahm einen kleinen Imbiss zu sich, besoff sich aber nie mehr. So vergingen einige Wochen.
Nach dieser Zeit dann, stand der Sandler Joachim lange an einer Straßenecke. Seine rotblau gefärbten Finger ragten gekrümmt aus zerrissenen Handschuhen. Sein Körper steckte in einem zerschlissenen, farblosen, dunklen Mantel, viel zu groß, viel zu lang und um einen Knopf schief zusammengeknöpft. Unter dem Mantel lugten abgetragene Sommerschuhe hervor. Er stand da als warte er auf etwas. Er wartete und wartete, keiner beachtete ihn.
Tränen liefen über sein bärtiges Gesicht. Rot, und wässrig waren seine Augen. Ein grauer Filzhut hielt seinen leicht ergrauten Haarkranz zusammen.
Sein Blick schien ins Leere zu schweifen. Doch zeitweise schrak er zusammen und seine Augen irrten rundum, als wäre er blind.
Immer wieder putzte sich Joachim die Nase mit einem rotkarierten Tuch.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, als er noch als Tischler arbeitete, dann, als er erkrankte, arbeitslos wurde und letztlich im Wirtshaus landete. Aber was hätte er denn tun sollen, wenn’s zu kalt wurde, flüchtet man eben ins Gasthaus und trinkt. Aber die Frau, auf die er jetzt wartete, würde ihm helfen. Mit dem Trinken habe er ja aufgehört, das hatte sie verlangt. Sie wollte ihn zu sich holen. Sie hat ein Bett frei in einer warmen Stube. Lydia! Er träumte vor sich hin. Um zwölf Uhr holt sie mich ab, dann wird das Leben nochmal beginnen.


Es war erst 10 Uhr. Aber der Mann wollte diese zwei Stunden warten. Es ist doch schön auf jemanden warten zu können, dachte er und es war ihm bewusst, dass es nicht viele Menschen gibt, die, aus einer solchen Situation heraus, von jemandem heimgeholt werden.
anna grasshof
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo anna,

erstmal vorneweg: du musst für überarbeitete textversionen keinen neuen beitrag aufmachen (kannst du aber selbstverständlich). du hast die möglichkeit überarbeitungen mit der bearbeiten/löschen funktion zu posten. dann wird die aktuellste version eingeblendet (die anderen sind durchs datum verlinkt).

so, jetzt aber zum text und bitte versteh das hier nicht als besserwisserei, sondern als konstuktive kritik: im prinzip ist die geschichte gut, aussage klar, aufbau stimmig. die charaktere sind auch lebendig. aber sprachlich habert es, gerade zu beginn ein wenig, sodass der erste absatz schon zum knackpunkt wird.

der titel: soziales oder joachim wird eingeholt? beides eher deskriptiv, aber nicht unbedingt etwas das ein leseerlebnis einleietet.

die sprache ist noch ein wenig ungelenk, mit vielen überflüssigen füllseln, klarer auf den punkt kommen. der satzaufbau haufig nicht optimal. mir hilft beizeiten das laute vorlesen, um satzmelodie besser zu erkennen (klappt aber auch nicht immer).

in dem teil mit dem kurzen dialog, schließt sich eine indirekte rede an. wozu? das kann er gleich mit sagen.

für weitere details fehlt mir gerade die zeit. ich hoffe, der punkt ist klar.

inhaltlich nicht ganz ausgereift an folgenden punkten:

aussteiger im ersten satz ist schwierig, könnte auch eine bushaltestelle sein. die situation muss sich der leser erst erarbeiten.

Lydia setzt sich 2mal neben joachim bendler und obwohl er trinkt geht er später nüchtern nach hause.

genauso wie seine zechgenossen keine rolle spielen, wahrscheinlich sitzen sie nur - wie immer - da rum, haben aber sonst nichts miteinander zu tun, bestenfalls tresenbekanntschaften, die dummschwätzen.

sandler ist ein eher österreichischer ausdruck, aber schön, nur nicht sehr geläufig. es wird indirekt angedeutet, dass joachim heimlich in einem keller haust, wieso ist da eine waschküche mit wasser?

und das ende ist gleichfalls wieder doppelt: joachim träumt erst, dann wartet er. das ist eine zeitperiode. das der protagonist dann einfach der mann wird, ist nicht so glücklich, erzähltechnisch gesehen.

ich hoffe, das war jetzt nicht zuviel des guten.

liebe grüße & ein schönes wochenende.

nofrank
 

grasshof

Mitglied
hallo nofrank!
fast wäre ich umgekippt, so vieles liegt daneben.
Ich weiß, sprachlich bin ich österr.umganssprache gewöhnt. Ich arbeitete in einem alkoholiker Dorf ehrenamtlich.
Ich werde den text umarbeiten, aber österreichisch bleiben.
Danke für deine Hinweise.
Es fehlt noch die Weihnachtsgeschichte: mette im Wald. Bin gespannt was du dazu sagen wirst. Dieser Text ist jüngerer herkunft.
ich wünsche dir auch ein erholsames wochenende. Mit lieben Gruß Grasshof
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo grasshof,

bitte nicht umkippen. bei allem feedback (meinem eingeschlossen) geht es im wesentlichen darum, dass du für dich dabei etwas gewinnst, was du gebrauchen kannst, was dich in irgendeiner weise voranbringt. vieles sind anregungen, nicht alles muss auch (für dich) richtig sein. das war nur meine lesart des textes.

natürlich bleibt das österreichische, gehört ja zu dir und deiner schreibstimme. und seinen sound kann man zwar entwickeln aber nicht verleugnen.

liebe grüße
nofrank
 

grasshof

Mitglied
soziales

Hallo nofrank, ich bin die sehr dankbar für deine tipps. Und ich werde den Text verbessern und dann neu eingeben. Dauerd aber noch einige Zeit, es gibt vor weihnachten noch viel zu tun.
Jedenfalls war es sehr lieb, dass du mich getröstet hast, danke.
schönes wochenende! Gruß grasshof
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo,

freut mich, wenn ich hilfreich war. viel vergnügen beim überarbeiten.

liebe grüße
nofrank
 

grasshof

Mitglied
Joachim, sein großer Tag

Rauchwolken, Biergeruch, grölendes Gelächter schlug ihr entgegen, als sie das Stadtbeisl betrat.
Lydia zwängte sich durch durch die Sesselreihen, bis sie neben dem Gesuchten angekommen war. Es war Joachim.
Als jener noch seiner Arbeit nachgegangen war kannte Lydia ihn schon, damals war er ein fleißiger Arbeiter. Dann passierte ein Unfall, später folgte die Arbeitslosigkeit, seit Jahren beobachtete sie, wie er immer mehr verlotterte.
Aufmerksam wurde sie eigentlich schon in jungen Jahren auf ihn, denn er erinnerte sie an ihren Vater. Deswegen war sie nun unterwegs zu ihm.

Sie setzte sich neben Joachim, um mit von ihm gehört zu werden musste sie laut schreien: "Schönen Abend Herr Bendler, was machen Sie denn hier?" Der Mann starrte entgeistert auf die Frau, er war es nicht mehr gewohnt angesprochen zu werden.
"Ich hier? Na ja, ich sitze hier, weil es da warm ist, und ich trinke, weil ich sonst nicht hier sein kann, warum fragen Sie überhaupt?"
Lydia rückte näher zu ihm hin und nahm die Hand des Mannes, hielt sie fest: "Joachim, Sie sollten mit dem Trinken aufhören, verstehen Sie, dann wüsste ich einen Ausweg aus ihrer Lage."
Weiter sprach sie nicht, sie dachte nur an die zwei Betten zu Hause in ihrer warmen Stube, dort wäre Platz für zwei. Er könne sich doch einer Frau anvertrauen, in seinem Alter. Nur mit dem Trinken müsste er halt aufhören.
Joachim ließ seine Hand in der ihren liegen, er rückte nicht ab, er wurde auch nicht zudringlicher. Ja, er hatte Haltung, wie ihr Vater, welcher erst vor einigen Monaten gestorben war, den sie gepflegt hatte bis zu seinem Tod.


Lydia blieb eine Weile bei dem Mann sitzen. Seine Hand war kalt, doch allmählich begannen seine Augen zu leuchten, als ob er verstanden habe.
"Ich werde jetzt gehen, aber ich komme wieder", sagte die Frau, ihr Augen brannten von den beisenden Zigarettenrauch.
Kurz, nachdem sie das Lokal verlassen hatte, richtete sich auch Joachim zum Fortgehen. Seine Zechegenossen witzelten hinter ihm her, wegen dieses überraschenden Besuches einer so attraktiven Frau: "Hast eine Verehrerin, was? Wirst doch nicht wieder heiraten wollen?." Doch der Mann winkte mit der müden Hand ab. Er verließ ruhig das Gasthaus und humpelte die Straße entlang. Es war bitterlich kalt. Seine Beine trugen ihn kaum, obwohl er diesmal ganz wenig getrunken hatte.
Immer wieder murmelte er: „Sie hat meine Hand gehalten."
Er sperrte umständlich mit zittrigen Händen das Gartentor auf, schob die Eisentüre zum Keller zurück und stieg die Stufen nach unten. Da hatte er seine Bleibe. Er warf den Mantel über den einzigen Stuhl im Raum, holte mit dem Eimer Wasser aus dem Nebenraum und schob dann den Riegel vor seine Tür. Wackelig schlurfte er zu seinem Lager. Es bestand nur aus drei Matratzen am Boden. Seine Kleidung behielt er an.
Sie hat meine Hand gehalten, sie hat mich sogar angeschaut, murmelte er. Gerne hätte ich über ihr ergrautes Haar gestrichen, und über ihre rosige Wange, doch wäre sie dann abgerückt. Ich weiß ja, wie Frauen sind. Ich habe mich stillgehalten - so redete er mit sich selber. Sie hat meine Hand gehalten und mich angeschaut. Wie groß ihre dunklen Augen waren, wie rot ihre Lippen brannten. Ihre Hand war warm und ihre Augen freundlich. Lydia heiße sie und ich solle mit dem Trinken aufhören, dann ..., ja, was meinte sie damit? Sie hat mich glücklich gemacht, mein Gott, wie lange war ich nicht mehr glücklich. Sie wird doch keinen Spass mit mir treiben.

Lydia, murmelte er. Wie gut es doch ist, jemanden neben sich zu haben. Bald schlief Joachim ein.
Die Frau besuchte Joachim jeden zweiten Tag abends im Gasthaus. Er nahm einen kleinen Imbiss zu sich, hielt sich beim Trinken so gut er konnte zurück. So vergingen einige Wochen.
Dann kam der Tag, der große Tag für Joachim. Zum letzten Mal stand der Sandler Joachim an der Straßenecke. Seine rotblau gefärbten Finger ragten gekrümmt aus zerrissenen Handschuhen. Sein Körper steckte in einem zerschlissenen, farblosen, dunklen Mantel, viel zu groß, viel zu lang und um einen Knopf schief zusammengeknöpft. Unter dem Mantel lugten abgetragene Sommerschuhe hervor. Er stand da als warte er auf etwas. Er wartete und wartete, keiner beachtete ihn.
Tränen liefen über sein bärtiges Gesicht. Rot, und wässrig waren seine Augen. Ein grauer Filzhut hielt seinen leicht ergrauten Haarkranz zusammen.
Sein Blick schien ins Leere zu schweifen. Doch zeitweise schrack er zusammen und seine Augen irrten rundum, als wäre er blind.
Immer wieder putzte sich Joachim die Nase mit einem rotkarierten Tuch.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, als er noch als Tischler arbeitete, dann, als er erkrankte, arbeitslos wurde und letztlich im Wirtshaus landete. Aber was hätte er denn tun sollen, wenn’s zu kalt wurde, flüchtet man eben ins Gasthaus und trinkt.
Aber die Frau, auf die er heute wartete, würde ihm helfen. Sie wollte ihn zu sich holen. Sie hat ein Bett frei in einer warmen Stube. Lydia! Er träumte vor sich hin. Um zwölf Uhr holt sie mich ab, dann wird das Leben nochmal neu beginnen.


Es war erst 10 Uhr. Er wollte diese zwei Stunden warten. Es ist doch schön auf jemanden warten zu können, dachte er.
Und dann kam Lydia, sie nahm seinen Arm und führt ihn weg, weg von der Armut in eine neue Heimat.

anna grasshof
 

grasshof

Mitglied
Joachim, sein großer Tag

Rauchwolken, Biergeruch, grölendes Gelächter schlug ihr entgegen, als sie das Stadtbeisl betrat.
Lydia zwängte sich durch die Sesselreihen, bis sie neben dem Gesuchten angekommen war. Es war Joachim. Sie kannte den Mann schon sehr lange, sie hatte ihn lange Zeit sogar verehrt.
Als jener noch seiner Arbeit nachgegangen war, wurde Lydia auf ihn schon aufmerksam, er war damals ein fleißiger Arbeiter. Dann passierte ein Unfall, später folgte die Arbeitslosigkeit, seit Jahren beobachtete sie, wie er immer mehr verlotterte.
Er erinnerte sie auch an ihren Vater. Deswegen war sie nun unterwegs zu ihm.

Sie setzte sich neben Joachim, um von ihm gehört zu werden musste sie laut schreien: "Schönen Abend Herr Bendler, was machen Sie denn hier?" Der Mann starrte entgeistert auf die Frau, er war es nicht mehr gewohnt angesprochen zu werden.
"Ich hier? Na ja, ich sitze hier, weil es da warm ist, und ich trinke, weil ich sonst nicht hier sein kann, warum fragen Sie überhaupt? Kennen wir uns?"
Lydia rückte näher zu ihm hin und nahm die Hand des Mannes, hielt sie fest, sie nickte: "Joachim, Sie sollten mit dem Trinken aufhören, verstehen Sie, dann wüsste ich einen Ausweg aus ihrer Lage."
Weiter sprach sie nicht, sie dachte nur an die zwei Betten zu Hause in ihrer warmen Stube, dort wäre Platz für zwei. Er könne sich doch einer Frau anvertrauen, in seinem Alter. Nur mit dem Trinken müsste er halt aufhören.
Joachim ließ seine Hand in der ihren liegen, er rückte nicht ab, er wurde auch nicht zudringlicher. Einigemale schaute er sie von der Seite an.
Ja, er hatte Haltung, wie ihr Vater, welcher erst vor einigen Monaten gestorben war, den sie gepflegt hatte bis zu seinem Tod.


Lydia blieb eine Weile bei dem Mann sitzen. Seine Hand war kalt, doch allmählich begannen seine Augen zu leuchten, als ob er verstanden habe.
"Ich werde jetzt gehen, aber ich komme wieder", sagte die Frau, ihr Augen brannten von den beisenden Zigarettenrauch.
Kurz, nachdem sie das Lokal verlassen hatte, richtete sich auch Joachim zum Fortgehen. Seine Zechegenossen witzelten hinter ihm her, wegen dieses überraschenden Besuches einer so attraktiven Frau:
"Hast eine Verehrerin, was? Wirst doch nicht wieder heiraten wollen?." Doch der Mann winkte mit der müden Hand ab. Er verließ schlurfend das Gasthaus und humpelte die Straße entlang. Es war bitterlich kalt. Seine Beine trugen ihn kaum, obwohl er diesmal ganz wenig getrunken hatte.
Immer wieder murmelte er: „Sie hat meine Hand gehalten."
Er sperrte umständlich mit zittrigen Händen das Gartentor auf, schob das Eisentor zum Keller zurück und stieg die Stufen nach unten. Da hatte er seine Bleibe. Er warf den Mantel über den einzigen Stuhl, holte mit dem Eimer Wasser aus dem Nebenraum und schob dann einen Riegel vor seine Tür, taumelte zu seinem Lager. Es bestand nur aus drei Matratzen am Boden. Seine Kleidung behielt er an.

Sie hat meine Hand gehalten, sie hat mich sogar angeschaut, murmelte er. Gerne hätte ich über ihr ergrautes Haar gestrichen, und über ihre rosige Wange, doch wäre sie dann abgerückt. Ich weiß ja, wie Frauen sind. Ich habe mich stillgehalten - so redete er mit sich selber. Sie hat meine Hand gehalten und mich angeschaut. Wie groß ihre dunklen Augen waren, wie rot ihre Lippen brannten. Lydia heiße sie und ich solle mit dem Trinken aufhören, dann ..., ja, was meinte sie damit? Sie hat mich glücklich gemacht, mein Gott, wie lange habe ich mich nicht mehr gefreut.
Sie wird doch keinen Spass betreiben mit mir.

Lydia, murmelte er. Wie gut es doch ist, jemanden neben sich zu haben. Bald schlief Joachim ein.

Die Frau besuchte Herrn Bendler jeden zweiten Tag abends im Gasthaus. Dieser nahm einen kleinen Imbiss zu sich, hielt sich beim Trinken so gut er konnte zurück. So vergingen einige Wochen.
Dann kam der Tag, der große Tag für Joachim. Zum letzten Mal stand er als Sandler an der Straßenecke. Seine rotblau gefärbten Finger ragten gekrümmt aus zerrissenen Handschuhen. Sein Körper steckte in einem zerschlissenen, farblosen, dunklen Mantel, viel zu groß, viel zu lang und um einen Knopf schief zusammengeknöpft. Unter dem Mantel lugten abgetragene Sommerschuhe hervor. Er stand da als warte er auf etwas. Er wartete und wartete, keiner beachtete ihn.
Tränen liefen über sein bärtiges Gesicht. Rot, und wässrig waren seine Augen. Ein grauer Filzhut hielt seinen leicht ergrauten Haarkranz zusammen.
Sein Blick schien ins Leere zu schweifen. Doch zeitweise schrack er zusammen und seine Augen irrten rundum, als wäre er blind.
Immer wieder putzte sich Joachim die Nase mit einem rotkarierten Tuch.
Aber die Frau, auf die er heute wartete, würde ihm helfen. Sie wollte ihn zu sich holen. Sie hat ein Bett frei in einer warmen Stube. Lydia! Er träumte vor sich hin. Um zwölf Uhr holt sie mich ab, dann wird das Leben nochmal neu beginnen.


Es war erst 10 Uhr. Er wollte diese zwei Stunden warten. Es ist doch schön auf jemanden warten zu können, dachte er.
Und dann kam Lydia, sie nahm seinen Arm und führt ihn weg, weg von der Armut in eine neue Heimat.

anna grasshof
 

grasshof

Mitglied
Joachim wird heimgeholt
Lydia zwängte sich durch das Knäuel der Aussteiger, bis sie neben dem Gesuchten Platz fand. Es war Joachim. Sie kannte ihn vom Sehen schon sehr lange, als er noch seiner Arbeit nachgegangen war. Dann war da ein Unfall, später folgte die Arbeitslosigkeit, seit Jahren beobachtete sie, wie er immer mehr verkam und sie hatte Mitleid. Aufmerksam wurde sie eigentlich schon in jungen Jahren auf ihn, denn er erinnerte sie an ihren Vater. Deswegen war sie unterwegs zu ihm.
Sie setzte sich neben Joachim hin: "Schönen Abend Herr Bendler, was machen Sie denn hier?" Der Mann starrte entgeistert auf die Frau, war er es doch nicht mehr gewohnt, angesprochen zu werden. Dann antwortete er: "Ich hier? Na ja, ich sitze hier, weil es da warm ist, und ich trinke, weil ich sonst nicht hier sein kann." Aber warum sie denn frage, wer sie denn sei?
Lydia rückte zu ihm hin und nahm die Hand des Mannes, hielt sie fest: "Joachim, Sie sollten mit dem Trinken aufhören, verstehen Sie, dann wüsste ich einen Ausweg aus ihrer Lage."
Weiter sprach sie nicht, sie dachte nur an die zwei Betten zu Hause in ihrer warmen Stube, dort wäre Platz für zwei. Er könne sich doch einer Frau anvertrauen, in seinem Alter. Nur mit dem Trinken müsste er halt aufhören.
Joachim ließ seine Hand in der ihren liegen, er rückte nicht ab, er wurde auch nicht zudringlicher. Ja, er hatte Haltung, wie ihr Vater, welcher erst vor einigen Monaten gestorben war, den sie gepflegt hatte bis zu seinem Tod.


Lydia blieb eine Weile bei dem Mann sitzen. Seine Hand war kalt, doch allmählich begannen seine Augen zu leuchten, als ob er verstanden habe.
Sie versprach ihm, bald wieder vorbeizukommen. Kurz, nachdem die Frau das Lokal verlassen hatte, richtete sich auch Joachim zum Fortgehen. Seine Zechgenossen witzelten hinter ihm her, wegen dieses überraschenden Besuches einer so attraktiven Frau. Doch der Mann verließ ruhig das Gasthaus und humpelte die Straße entlang. Es war bitterlich kalt. Seine Beine trugen ihn kaum, obwohl er diesmal nüchtern den Weg zu seiner Behausung ging.
Immer wieder murmelte er: „Sie hat meine Hand gehalten."
Er sperrte umständlich mit zittrigen Händen das Gartentor auf, schob die Eisentüre zum Keller zurück und stieg die Stufen nach unten. Da hatte er seine Bleibe. Er warf den Mantel über den einzigen Stuhl im Raum, holte mit dem Eimer Wasser aus der Waschküche und schob dann den Riegel vor seine Tür. Wackelig schlurfte er zu seinem Lager. Es bestand nur aus drei Matratzen am Boden. Seine Kleidung behielt er an.
Sie hat meine Hand gehalten, sie hat mich sogar angeschaut, murmelte er. Gerne hätte ich über ihr ergrautes Haar gestrichen, oder über ihre rosige Wange, aber sicher wäre sie dann abgerückt. Ich weiß ja, wie Frauen sind. Ich habe mich stillgehalten, redete er mit sich selber. Sie hat meine Hand gehalten und mich angeschaut. Wie groß ihre dunklen Augen waren, wie rot ihre Lippen brannten. Ihre Hand war warm und ihre Augen freundlich. Lydia heiße sie und ich solle mit dem Trinken aufhören, dann ..., ja, was meinte sie damit? Sie hat mich glücklich gemacht, mein Gott, wie lange war ich nicht mehr glücklich.
Wie war das Beisammensein heute schön und es war gut!
Lydia, murmelte er. Wie gut es doch ist, jemanden neben sich zu haben. Bald schlief Joachim ein.
Die Frau besuchte Joachim jeden zweiten Tag abends im Gasthaus. Er nahm einen kleinen Imbiss zu sich, besoff sich aber nie mehr. So vergingen einige Wochen.
Nach dieser Zeit dann, stand der Sandler Joachim lange an einer Straßenecke. Seine rotblau gefärbten Finger ragten gekrümmt aus zerrissenen Handschuhen. Sein Körper steckte in einem zerschlissenen, farblosen, dunklen Mantel, viel zu groß, viel zu lang und um einen Knopf schief zusammengeknöpft. Unter dem Mantel lugten abgetragene Sommerschuhe hervor. Er stand da als warte er auf etwas. Er wartete und wartete, keiner beachtete ihn.
Tränen liefen über sein bärtiges Gesicht. Rot, und wässrig waren seine Augen. Ein grauer Filzhut hielt seinen leicht ergrauten Haarkranz zusammen.
Sein Blick schien ins Leere zu schweifen. Doch zeitweise schrak er zusammen und seine Augen irrten rundum, als wäre er blind.
Immer wieder putzte sich Joachim die Nase mit einem rotkarierten Tuch.
Seine Gedanken wanderten zurück in die Vergangenheit, als er noch als Tischler arbeitete, dann, als er erkrankte, arbeitslos wurde und letztlich im Wirtshaus landete. Aber was hätte er denn tun sollen, wenn’s zu kalt wurde, flüchtet man eben ins Gasthaus und trinkt. Aber die Frau, auf die er jetzt wartete, würde ihm helfen. Mit dem Trinken habe er ja aufgehört, das hatte sie verlangt. Sie wollte ihn zu sich holen. Sie hat ein Bett frei in einer warmen Stube. Lydia! Er träumte vor sich hin. Um zwölf Uhr holt sie mich ab, dann wird das Leben nochmal beginnen.


Es war erst 10 Uhr. Aber der Mann wollte diese zwei Stunden warten. Es ist doch schön auf jemanden warten zu können, dachte er und es war ihm bewusst, dass es nicht viele Menschen gibt, die, aus einer solchen Situation heraus, von jemandem heimgeholt werden.
anna grasshof
 



 
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