suizid.

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suizid.
ein experiment.

sprung.

schreie.

blut.

stillstand.

er ist doch noch so jung mir wird schlecht tut doch mal jemand etwas was ist da passiert lass uns gehen er ist vor den zug gespungen ich kann nicht hinsehen er hatte mut ich verstehe es einfach nicht glotzen sie nicht so oh mein gott so holt doch jemand einen arzt schau mal dort er ist tot er tut mir leid ihm muss es wirklich schlecht gegangen sein was meinst du dazu warum hat er das getan schau nicht hin.

martinshorn.

schweigen.

leichenwagen.

bewegung.

oliver liegmann, 15. januar 2003
 
L

Lotte Werther

Gast
Mehr als ein Jahr nach deinem Experiment, entdecke ich den "suizid".
Und experimentiere damit.
Ich lese zuerst deinen Text.
Ich wiederhole die Lektüre und beobachte mich dabei.

Was denke ich, wenn meine Gedanken auf deine treffen?

suizid.
ein experiment.


ein experiment? der suizid? ein einmaliges wohl in diesem fall. der junge mann ist tot.
nein, nein, der oliver versteht den text "suizid" als experiment, nicht den selbstmord an sich.

die nächsten worte stehen untereinander und suggerieren mir den sprung und fall von oben. vielleicht aus dem 10. stock.
dann erfahre ich, dass es ein zug war.

die aneinanderreihung der satzfetzen wiedergibt das erregte stimmengewirr. ich kann es hören, auch sehen.
am ende lese ich "oliver liegmann, 15. januar 2003" wie einen nachruf auf den toten jungen mann. dann erkenne ich, dass es der autor ist. und der ist sehr wohl lebendig. wie schön.

und wo ist die menge nun? die stimmen? verstummt? gleichgültigkeit? nach einem moment der neugier, der scheinbaren anteilnahme an fremdem schicksal?

Das dachte ich beim Lesen. Das Thema des suizids interessierte mich schon immer und ich teile die Auffassung Camus von der freien Entscheidung des Menschen über den Zeitpunkt seines Abgangs.

Ob dir mein Kommentar nun was nützt?

Lotte Werther
 



 
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