tum tum drum

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irrtümlich von irrtum zu irrtum
willen wollte ich an grenzen
erbbeamtentum schloss
auf anweisung
freiheit von heiten aus

beharrlichkeiten standen
mit gebeugtem rücken zur wand
jawolllust erweckte
alte leidenschaften
nie waren sie so wertvoll wie gestern

aufstand anständiger gegen
den anstand aufrechter
die welt hat ein müllproblem
der gott der fundamentalisten baut
seinen himmel auf mauern der hölle

und die neue welt
glaubt wieder
alte schöpfungsgeschichten
 
H

Heidrun D.

Gast
Grandios, Karl!

Es gibt so viele Schmankerln, dass ich sie gar nicht alle nennen kann: Freiheit und heiten, Jawollust (mein Favorit!)
und dieses altersweise, leicht resignative Finale ...

Begeisterte Grüße
Heidrun
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hurra, es lebt!

Mein persönlicher Favorit:

beharrlichkeiten standen
mit gebeugtem rücken zur wand
Und der Schluss wie immer grandios, da freue ich mich bei deinen Gedichten immer besonders drauf.

Eine gelungene Bestandsaufnahme!

Liebe Grüße
Manfred
 

Label

Mitglied
Lieber Karl Feldkamp
sehr, sehr schön verdichtet und kompaktet ;)

der Highlights sind so viele, dass es mir schwer fällt all die Assoziationen zu fokussieren und nicht im Augenwinkel zu verlieren

willen wollte
freiheit von heiten
beharrlichkeiten gebeugtem rücken zur wand
jawolllust alte leidenschaften
nie so wertvoll wie gestern
aufstand anständiger gegen den anstand aufrechter
fundamentalisten himmel auf mauern der hölle
neue welt glaubt alte schöpfungsgeschichten

gefällt mir im besonderen Maße.
Natürlich lässt sich aus alledem auch eine bestimmte Weltsicht herauslesen, auch die gefällt mir.

Dir einen lieben Gruß
Label
 
Lieber Manfred,
ja, nach meinen Ausrutschern habe ich wohl diesmal wieder ein Niveau erreicht, dass dich überzeugt.
Danke für dein Lob und herzliche Grüße
Karl
 
H

Herr Bernhard

Gast
Bitte beachten, das ist nur meine Meinung!

Ja, die Wort- und Symbolspielereien, …

Ich möchte zuerst den Text formal betrachten.

irrtümlich von irrtum zu irrtum
Ein Irrtum ist etwas, was man nicht wollte, man irrt, man macht etwas in eine bestimmte Richtung, hat aber falsche Annahmen, Überlegungen oder Ziele, so dass das Ergebnis nicht der Erwartung entspricht. Z.B.:
„Ich werde mit dem Fahrrad drei Tonnen Steine zum Mond transportieren und morgen da sein.“
Ich irre mehrmals. Das Fahrrad kann keine drei Tonnen tragen, ich kann nicht durch die Luft fahren, im All atmen und die Strecke in einem Tag zurücklegen, usw.
Ich gehe in meinem Satz von Irrtum zu Irrtum.
Nicht von Irrtum zu Irrtum würde ich gehen, wenn ich sagen würde:
„Ich werde mit dem Fahrrad zur Kneipe fahren, drei Bier trinken und Paul eine in die Fresse hauen.“
Natürlich kann aus dieser möglichen Absicht eine unmögliche Realisierung werden und damit ein Irrtum, weil die Kette reißt, die Kneipe zu hat, das Bier alle ist oder Paul schon weg ist oder schneller ist, aber das spielt für diese Betrachtung keine Rolle.
Egal, ob Irrtum oder nicht, eine Absicht steht immer am Anfang. Ich habe etwas vor und das kann sich als Irrtum oder das Gegenteil schon in der Absicht oder der Realisierung heraus stellen.
Was will ich aussagen, wenn ich von einer irrtümlichen Absicht, eine Absicht, die ein Irrtum ist, also von einem irrtümlichen Irrtum spreche?
„Irrtümlich ging ich zur Post, eigentlich wollte ich zur Kneipe gehen. Ich war wohl in Gedanken.“
Egal, ob Post und Kneipe zu sind und sich die Absicht, egal ob irrtümlich oder nicht, als Irrtum heraus stellt (da sie nicht zu sind, ist die Annahme, dass es ein Irrtum sein könnte, weil sie zu sind, ein Irrtum), war er nicht Herr seiner Schritte und nur deshalb ging er irrtümlich oder in die Irre. Jemand, der irrtümlich von Irrtum zu Irrtum eilt, ist ein Mensch, der nicht ganz bei der Sache ist und zusätzlich seine Pläne nicht umsetzen kann, egal, wessen Schuld das ist. Es kann sich also um einen dummen und zerstreuten oder schlauen aber machtlosen und zerstreuten Menschen handeln. Mit der ersten Zeile können alle Menschen gemeint sein, soweit sie zerstreut sind.
Die erste Zeile ist mehr oder weniger eine vollständige Aussage mit akzeptablem Ausdruck, auch wenn viele Personen gemeint sind.
„Jemand irrt von Irrtum zu Irrtum.“ Vergleichbar mit der Aussage: “Paul geht von Baum zu Baum.“

willen wollte ich an grenzen
Die zweite Zeile genügt dieser Einordnung nicht. Sie passt weder zur ersten noch zur dritten. Entweder liegt hier ein schlichter Schreibfehler vor oder ein syntaktischer Ausrutscher, denn alle anderen Zeilen ergeben wieder sinnvolle Aussagen. Interessant ist, dass von „Jemand“ zum „ich“ gewechselt wird. Man könnte rückwärst schlussfolgern, dass „ich“ von Irrtum zu Irrtum irrtümlich gegangen bin.
„Ich ging irrtümlich von Irrtum zu Irrtum.“
Wenn man das „ich“ aus der zweiten Zeile eliminiert, dann ergibt sich ein Sinn:
„Willen wollte an Grenzen!“
Oder:
„Ich wollte an Grenzen, aber irrte von Irrtum zu Irrtum.“
Oder:
„Ich irrte von Irrtum zu Irrtum, aber eigentlich wollte ich nur an Grenzen.“

erbbeamtentum schloss
auf anweisung
freiheit von heiten aus
Das ist eine einfache Aussage, klar und verständlich und mit Redundanz.
„Amtentum schloss Freiheit von Heiten aus!“

beharrlichkeiten standen
mit gebeugtem rücken zur wand
Auch hier kein Problem, die Aussage zu erkennen, wenn auch widersprüchlich.
„Beharrlichkeit“ ist eine positive und eindeutige Eigenschaft. Negativ wird es erst bei Starrsinn.
„Gebeugter Rücken“ ist negativ und mehrdeutig besetzt, Unterwerfung oder Überlastung? „Rücken zur Wand“ ist mehrdeutig. Einerseits positiv gesehen, aus Sicherheitsgründen den Rücken zur Wand wenden, weil von dort dann kein Angriff kommen kann, oder panisch gesehen, weil man nach hinten nicht mehr ausweichen kann.
Ein beharrlicher Mensch, also ein guter, beugt den Rücken, weil er ihn nicht mehr gerade halten kann oder will, steht an der Wand, was ein Vorteil oder Nachteil sein kann.

jawolllust erweckte
alte leidenschaften​


Menschen, die gerne „Ja“ sagen, sich unterordnen, nicht widersprechen, typische Untertanen also, erwecken Leidenschaften. Bei wem? Dem Untertan, weil er sich so am wohlsten fühlt, oder dem Obertan, weil er sich an dem Untertan weidet?

nie waren sie so wertvoll wie gestern
Wer war wertvoll? Die Untertanen, die Obertanen oder die Leidenschaften und wenn letztere, wessen?

aufstand anständiger gegen
den anstand aufrechter

Dass ein anständiger Mensch einen Aufstand macht, wenn es notwendig ist, versteht sich von selbst. Warum sollte aber ein anständiger Mensch gegen eine gute Sache, den Anstand, eines Aufrechten, also eines Anständigen, aufstehen, also gegen sich selbst?
„Aufstand von anständiger Menschen gegen anständige Menschen?“
Wenn man die Ironie mit einbezieht, ergibt sich ein Sinn, wenn auch mehrdeutig.


die welt hat ein müllproblem

Eine klare Aussage und Redundanz.
„Die Welt hat ein Problem!“
„Die Welt hat Müll!“


der gott der fundamentalisten baut
seinen himmel auf mauern der hölle
Eine klare Aussage.


und die neue welt
glaubt wieder
alte schöpfungsgeschichten
Ditto.


Inhaltlich wabert der Text von einer Ebene in die andere, was den Anschein von Breite erweckt, aber zu Lasten der Tiefe geht. Wenn man einen Weg verlässt und durchs Unterholz wandert, sollte man die Gangart wechseln.

PS: manchmal irrt ein Leser!
 
Lieber Herr Bernhard,
zunächst einmal bedanke ich mich, dass Sie/du sich so ausführlich mit meinem Gedicht befasst haben. Und das meine ich keineswegs ironisch.
Allerdings bin ich der Meinung, dass lyrischen Texten nicht unbedingt mit der reinen Logik beizukommen ist.
Es ging mir in meinem Text um Widersprüchlichkeiten, die sich in unserer Gesellschaft und in jedem seiner Mitglieder finden. Übrigens auch der Widerspruch zwischen Logik und Unlogik.
Daher am Schluss auch die Verwunderung darüber, dass unter uns aufgeklärten Evolutionsgläubigen wieder Creationisten die biblische Schöpfungsgeschichte für wissenschaftlich nachweisbar halten können.
Unsere Logik hat ganz offenbar Grenzen und der Weg zur Wahrheit ist ein Weg über immer neue Irrtümer.
Mag sein, dass ich damit nicht genügend Tiefgang erreicht habe. Aber auch Logik bewegt sich nicht selten in seichten Gewässern.
Herzliche Grüße
Karl
 
H

Herr Bernhard

Gast
Hallo Karl,
jetzt wird es schwierig.
Ich kenne außer der rationalen Ebene nur die emotionale. Für Emotionen ist der Text viel zu kurz und die Symbole zu global. Bleibt also nur die Bedeutung der Symbole, mit der Du spielen kannst. Allerdings bin ich nicht der Meinung, dass meine Bemerkungen logischer Natur sind. Logik ist eine künstliche Ebene, die nichts mit der Natur gemein hat. Logik gibt es nicht in der Natur und nichts aus der Natur lässt sich mit den Elementen der Logik erklären. Logik ist ein Spielzeug für Gedankenexperimente, mehr nicht.
Anders ist es mit den Begriffen und damit Symbolen, die Du verwendet hast.
Irrtum – kein logischer Begriff, sondern ein Symbol dafür, dass ein Mensch eine Handlung plant oder ausführt, wobei der Plan oder die Handlung Fehler enthält.
Willen – kein logischer Begriff, sondern ein Symbol dafür, dass ein Mensch eine Kraft entwickelt, die Hindernisse überwindet.
Grenzen – kein logischer Begriff, sondern ein Symbol dafür, dass etwas örtlich, zeitlich oder in anderer Weise ein Ende hat.
Erbe – kein logischer Begriff, sondern ein Symbol dafür, dass ein Vorgänger einem Nachfahren etwas übergibt.

Usw.
Du siehst, mit Logik hat Dein Text nichts gemein, auch meiner nicht, da ich lediglich den üblichen Gebrauch der Symbole betrachte und nicht logische Überlegungen anstelle. Ich schaue nicht nach „wahr“ oder „falsch“, sondern nach „gebräuchlich“ oder „ ungebräuchlich“ und nach „Vollständigkeit“ und „Art“ der Aussagen, gemessen an der „üblichen Art der Verwendung der Sprache“.
Dass „Beharrlichkeit“ für eine positive Eigenschaft steht, ist nicht logisch wahr, sondern üblich.
Dass ein „gebeugter Rücken“ mehrere Ursachen haben kann, ist nicht logisch, sondern üblich.
Dass ein unvollständiger Satz Raum zu Mehrdeutigkeiten gibt, ist nicht logisch, sondern der Sprache geschuldet.
Dass Müll gleichzeitig auch ein Problem ist, ist nicht logisch, sondern üblich, es sei denn, Du bist Inhaber einer Müllentsorgungsfirma, dann ist der Müll für Dich natürlich eine Praline!
Lyrik wie Prosa bedient sich der Sprache, für die es gebräuchliche Anwendungen gibt, nicht logische. Diese muss man berücksichtigen, da sie unabhängig von der Absicht des Autors existieren. Wenn ich neue Wege beschreiten will, dann muss ich die „gebräuchliche Variante“ aushebeln oder umschiffen oder austricksen, was andere Mittel erfordert als einfach nur eine Abweichung von der Norm.
Aus dem Satz: „Heute ist schönes Wetter.“, wird nicht dadurch ein künstlerischer, dass ich schreibe:
„wetter frisst häßlich.“
Das ist nur eine ungewohnte Ausdrucksweise, mehr nicht!
Herzlichen Gruß
 
P

Pelikan

Gast
@ Lapismont
ach, das ist ja interessant - einige werden abgetrennt
ander gleich ins Lupanum verschoben und zwar samt
Gedicht und Co. Wie war das nochmal? Wir sind alle gleich,
doch einige sind gleicher.
LG Pelikan
 
P

Pelikan

Gast
Diese 2 ist mir sowas von scheissegal - die war mir diese
Wahrheit wert. Was Lächerlicheres habe ich selten erlebt
und was Entlarvenderes auch.
Kannst Dich gleich weiter abreagieren, Lapismont und mir noch ein paar verpassen. Das kostet mich nicht mehr als
ein Achselzucken.
 
H

Herr Bernhard

Gast
Ich fordere nochmals als alleiniger Eigentümer meiner Texte die Moderatoren auf, diese zu löschen. Ich habe nicht die Absicht, sie weiter unter diktatorischen Bedingungen zu veröffentlichen. Sollte der Forderung nicht entsprochen werden, sehe ich mich gezwungen, Anzeige zu erstatten!

PS: Kunst passiert, aber nicht bei Diktatoren!
 

revilo

Mitglied
Moin Kalle, da hast Du ja mal wieder richtig zugelangt :
sprachlich genial, rotzfrech und hintersinnig.....das Beste an Deinem Gedicht ist die jawolllust......meinen ergebenen Glückwunsch

LG revilo
 
Hallo revilo,
danke für die ergebenen Glückwünsche, die mich ohne deine Ergebenheit auch schon sehr erfreut hätten.
Herzliche Grüße
Karl
 



 
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