van Gogh goes Jazz

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Renee Hawk

Mitglied
(Dienstag, 25. März 2003)
Er war perfekt.
Der Abend stand unter einem guten Stern.
Spontane Treffen sollen die Besten sein, dem kann ich nur zustimmen.
Gegen halb Neun Uhr abends trafen wir uns. Wir, dass waren meine cellospielende Freundin Sylvia und meine Wenigkeit.
In mir wühlte eine gewisse Nervosität, gemischt mit einer Portion Anspannung und ein undefinierbares Gefühl, welches sich schnell als Glücksendorphine herausstellte.
Unsere gemeinsame Freundin Carolyn hatte ihren ersten öffentlichen Auftritt in einem Berliner Szene-Cafe Nähe S-Bahnhof Friedrichstrasse.
Jazzgesang mit Piano.
Während der S-Bahnfahrt plapperten wir über dies und jenes. Meist ging es um Männer und deren Vor- und Nachteile. Im punkto „Zickenverhalten“ stimmten wir überein, dass Männer den Frauen in dem nichts nachstünden.
Vor dem Szene-Lokal brummte das Handy meiner Freundin. Fröhlich quasselte sie mit ihrem besten Freund Jörg und verriet mir, das auch er kommen würde.
Das „Van Gogh“, so der Name des Etablissements, wirkte dem Klischee der Yuppiekneipe entsprechend und so waren die Gäste auch alle „Trendy“ und „On“.
Die Drucke des Meisters waren alle vertreten und meist erschein es mir, dass der Rahmen an Wert entsprechend höher lag als das Bild an sich.
Der „Latte Macchiato“ wurde bei der Bedienung zum schnöden Milchkaffee und der Pianist stellte sich als Philosophiestudent mit Reportwart und Golfspielermütze vor.
Von Klassik bis Jazz und mit kleinen Abstechern zu deutschen Balladen hatte der Knabe die Tasten des Klaviers gut im Griff.
Carolyn strahle Zuversicht und Anmut aus. Ihren Körper hatte sie in Schwarz gehüllt und unterstrich damit ihre Stimmgewalt und ihre Weiblichkeit. Gern hätte ich sie mit dem Teufelsweib Ferres verglichen, befürchtete jedoch, dass Carolyn dagegen protestieren könnte – und so behielt ich diesen Vergleich für mich, strahlte ihr einfach entgegen und entzückte mich an ihrem Aussehen.
Dann kam er.
Kurzer frecher Haarschnitt, dunkle Augen, die charmant zu flirten wussten und dieses verstohlene Schmunzeln zogen mich förmlich an.
Er reichte mir die Hand, begrüßte mich und stellte sich vor.
Ich grinste und stellte fest, dass wir uns bereits kannten.
»Sylvesterparty, der junge Mann mit eigener Komposition am Klavier, im Arbeitszimmer«, stammelte ich Jörg entgegen. Seine Reaktion kann ich mit einem Wort zusammenfassen: »Wow«
Ja, ich wusste, dass mich diese Augen in der Sylvesternacht schon einmal anschauten und das mir dieses Lächeln frech entgegen strahlte.
Unsere Jazz-Lynn schmetterte mit ihrer imposanten Stimme die Lästermäuler an die Wand und zeigte, dass sie ohne Mikrofon den Raum und die Leute bestens unterhalten konnte.
Und immer wieder suchten meine Augen Jörgs Augen.
Selbstständig und ohne das sich mein Bewusstsein von mir steuern ließ, versuchte ich in diesem Gesicht seine Gedanken zu lesen.
Unergründlich und berauschend zugleich.
Hannes und Andreas, zwei weitere Freunde von Carolyn, waren ebenfalls anwesend. Beide ebenso spontan. Hannes, der Provokateur und Angreifer und Andreas, ein Mann, der weit über den Dingen steht und sich seiner sehr Bewusst ist, lieferten sich ein interessantes Wortgefecht über Logik, Moral und Notwendigkeit von Krieg, Gewalt und Verteidigung.
Wobei es Andreas innerhalb kürzester Zeit gelang, Hannes mit Worten zu entwaffnen. Ein sehr interessanter Mann.
Carolyns Augen ruhten bewundernd auf Andreas und seinem Mimikspiel.
Sylvia und Hannes saßen zwischen Jörg und mir und wir uns somit gegenüber. Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich seine glänzenden und ausdrucksstarken Augen suchte, sein Gesicht genau betrachtete, jede Feinheit seiner Haut im flackernden Kerzenschein in mich aufsaugte und mir sein gesamtes Wesen einprägte.
Die Augenblicke, in denen sich unsere Blicke trafen, kostete ich freilich völlig aus. Gierig verschlang ich seine Aura, lauschte seiner melodiösen Stimme und fühlte mich durch seine Anwesenheit attraktiv und begehrenswert.
Nachdem Carolyn den Pianisten mit zwei Songs begleitet hatte, verabschiedete sich zu erst Hannes mit den Worten: »So, nun habe ich meine freundschaftliche Pflicht des emotionalen Supports geleistet«, und dann auch Andreas.
Während einer kurzen Pause verschwanden Carolyn und der Pianist ins untere Stockwerk, um ihr Repertoire aufeinander abzustimmen und den Ablauf gesanglich festzulegen.
Als Sylvia für einen Moment das Kellergeschoss aufsuchte, entstand eine beinahe peinliche Stille mit intensivem Augenkontakt und verlegenem Schmunzeln zwischen Jörg und mir. Doch dann ergriff er die Initiative und plapperte drauf los.
Ich hörte nicht wirklich was er sagte, sondern nur seine Stimme und antwortete: »Alles - was immer du sagst«. Ich hatte nur Augen für seine sinnlichen Lippenbewegungen und das Lachen in seinen rehbraunen Augen.
Unsere Freundin Sylvia zog mich wieder in die Realität zurück und ich war ihr sehr dankbar dafür.
Kurze Zeit später wollte Jörg aufbrechen. Ich bat ihn noch, etwas zu bleiben, da er es nicht verantworten könnte, dass ich dann nichts Ansehnliches mehr zum bewundern hätte.
Sichtlich geschmeichelt von diesem Kompliment blieb er, ebenso wie Sylvia, Carolyn und ich, bis zum „bitteren Ende“ des Pianospielers.
Vor dem Klavier hatten sich zwei Männer mit typisch geschäftlichen Aussehen niedergelassen und wurden sofort von einer „Spätblondine“ zu einem Gespräch „genötigt“. Der Ältere der beiden Männer hielt sich bereits an Stuhl, Tisch und Bierglas fest, um sein Gleichgewicht einigermaßen unter alkoholisierter Kontrolle zu halten, wogegen der Jüngere versuchte, wenigstens nüchtern und interessiert zu wirken.
Wir versuchten stillheimlich die Körpersprache der drei Gestalten zu interpretieren und lachten über deren Lächerlichkeit.
Der Mann am Klavier machte Feierabend und gesellte sich sogleich an unseren Tisch.
Jörg und Sylvia fanden auf Anhieb einen guten Draht zu ihm. Sie lagen auf einer Wellenlänge und niemand konnte mehr die intensive Unterhaltung über klassische Musik und deren Interpretationen unterbrechen. Es wurde von jenem Sänger und jener Aufführung geschwärmt, analysiert und doch einfach nur geplaudert und über Aufnahmeprüfungen und Kriterien, Dozenten und deren Vorlieben und Vorlieben für Dozenten sinniert.
Irgendwann verließen wir fünf das „Van Gogh“.
Da es bereits weit nach Eins war, fuhr weder S- noch U-Bahn, und so mussten wir zu den Hackeschen Höfen laufen, um mit dem Nachtbus unseren Heimweg anzutreten.
Die beiden Mädels vorne weg, die Jungs hinterher.
Wir ließen das Pergamon-Museum links liegen, das Bode-Museum mit seinen zwei neuen Kupferdächern rechts der Spree, und schlenderten in Richtung Synagoge, deren goldene Kuppel wie ein Stern in der Nacht leuchtete. Die Bordsteinschwalben wurden weniger beachtet, aber zutiefst bemitleidet, da sich der Pianospieler auf Sylvias Frage, wie er eigentlich heißen würde, mit exzentrischer Körperhaltung und dem Brustton der Überzeugung: »Ich bin Namenlos, nenn’ mich einfach Gott«, vorstellte und anschließend mit flüsternder, verschwörerischen Stimme »Stefan« hinzufügte.
Etwas später und immer noch gutgelaunt standen wir fünf an der Nachtbushaltestelle, rauchten eine letzte Zigarette und wartete geduldig in dieser milden Frühlingsnacht mitten in Berlin auf unsere Busse.
Bevor sich der Pianist von uns verabschiedete, schrieb er noch schnell mit einem geborgten Kugelschreiber seine eMail-Adresse auf Silvias rechtes Handgelenk, flüsterte Jörg mit einer konspirativen Miene seine Handynummer ins Ohr und stürzte davon, um sich noch in einer offenen Kneipe einen „Absacker“ zu genehmigen.
Carolyn verabschiedete sich dann erschöpft und müde als nächste. Wir wünschten ihr eine gute Heimfahrt. Dann ging Jörg zu seinem ankommenden Bus, drehte sich aber noch einmal herum, kam zurück und verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung erst von Sylvia und dann auch von mir. Als der Bus an uns vorbeifuhr, winkte er uns grinsend zu.
So standen wir beide dann noch eine Weile herum und unterhielten und über den Abend, bis dann Stefan mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wieder auf und zuschlenderte und sich zu uns gesellte, um mit auf den Nachtbus zu warten, der dann auch bald kam.
Der Bus war bereits mit einer Menschenmasse gefüllt und so mussten wir stehen. Sylvia unterhielt sich mit Stefan über Musik und Opernaufführungen, ich hingegen ließ den Abend noch einmal Revue passieren.
Es war ein rundum gelungener und perfekter Abend.
Frei und ungezwungen konnte ich mit ihm schamlos flirten. Dieses Gefühl, als Frau mittleren Alters noch immer bei jungen gutaussehnenden Männern anzukommen, wurde durch mein Wissen, dass Jörg einen Freund hat, nicht im geringsten getrübt.
Schwule Männer sind für Frauen eben doch die idealen Freunde.
Sie sind ehrlich, können flirten und nicht gefährlich werden, sie verleihen einer Frau das Gefühl der Bewunderung und sehen verdammt gut aus!
 

vicell

Mitglied
schmunzel

Liebes Reneelein, nun hab ich sie doch gefunden, deine Story!
Stimme dir voll zu, es war ein absolut gelungener Abend...denke gerne daran zurück!
Und gaub mir, der Jörg war (ist!) über deine Zeilen bis heute noch gewissermaßen sprachlos...
Nun bleibt noch eine, mir extrem wichtige Frage, zu klären: wann gehen wir wieder ins "Van Gogh"???

Einen lieben Gruß schickt dir deine
vic*grins*
 

Renee Hawk

Mitglied
Huhu Sylvi,

das ist fast ein Jahr her und seitdem waren wir nicht mehr im "VanGogh" zusammen - take a look in de Terminkalender *gg* - nächste Woche?

Beim nochmal drüberlesen sind mir übelste Fehlerchen aufgefallen.
Ich muss da nochmal mit dem Stiftchen drüber gehen.

Danke.

liebe Grüße
Renee
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Renèe,

und so plastisch:
"Sie lagen auf einer Wellenlänge und niemand konnte mehr die intensive Unterhaltung über klassische Musik und deren Interpretationen unterbrechen. "

:D

cu
lap
 

Renee Hawk

Mitglied
*gg* deshalb muss ich dennoch die Fehler ausmerzen...

Danke Lapi, hättest dabei sein müssen, hätte dir auch gefallen...

liebe Grüße
Renee
 



 
Oben Unten