wintermärchen I/II

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nisavi

Mitglied
du siehst das haus nur
an weißen januartagen -
wenn es schneescheint, eisregnet
und die wiesen sonnenglatt sind.

buchstaben verwittern, ergeben keinen sinn.
aber sie schicken dich auf eine reise.
vergiss nicht die rolle mit dem roten garn.

schau, es beginnt zu schneien.
die fenster öffnen sich.
ganz weit. als müssten sie atmen.

vorhänge bewegen sich raschelnd
im tanzschritt der vergangenheit.

ich weiß: schneeflocken, die fensterbretter berühren,
werden zu glas.

eine alte frau mit langem, grauen haar
sammelt die funkelnden sterne ganz leise
und trägt sie behutsam nach drinnen.

dort legt sie die spur.

du siehst das haus nur
an weißen januartagen.
vergiss nicht die rolle mit dem roten garn.


***


nimm das buch.
trau mir.
öffne die tür.

ein blinder spiegel lehnt im flur an der wand.
(kiesel liegen davor. was solln sie beweisen?)

die sternenfrau ist hineingegangen.

du musst den roten faden aufnehmen.
dann ist alles ganz leicht.
du wirst finden.

du witterst die see.
geh an den strand.

sogar ich höre den möwenschrei.
trau mir.
 
D

diana may

Gast
Hallo Nisavi,

in dieser Strophe

du siehst das haus nur
an weißen januartagen -
wenn es schneescheint, eisregnet
und die wiesen sonnenglatt sind.


gefällt mir das "wenn es schneescheint, eisregnet" nicht so sehr. Obwohl du einen Gedankenstrich hinter den Januartagen gesetzt hast - ich als Leserin bin versucht, das Haus schneescheinend und eisregnend zu sehen. Aber dann klingt es für mich nicht und ich finde es, im Gegensatz zu deinen anderen Zeilen, für "zu bemüht". (ja, kein schönes Wort, aber ich weiß nicht, wie ich es anders sagen könnte. "zu gestelzt" wäre genauso unschön.)

"wenn es draußen schneescheint, eisregnet" wäre eine Lösung.
Nur passen dann die sonnenglatten Wiesen irgendwie nicht.

Aber das ist nur meine persönliche Meinung, denn es gibt vielleicht andere Leser, die solch einen Ausdruck als schöne Lyrik bezeichnen würden.

Gruß Diana
 
B

Beba

Gast
Hallo Nisava,

dieser Text ist wohltuend anders. Er ist besonders, aber erklären kann ich es nicht wirklich. Lass es mich so sagen: beim Lesen komme ich ab von den Worten und ihrem Sinn. Ich gleite regelrecht ab in meine Phantasie, es entstehen Märchenbilder! Und am Ende des Textes habe ich gewiss etwas gänzlich anderes erlebt, als die Worte mir mitteilen wollten oder sollten! Meine eigenen Bilder nämlich!
Nur verdammt gute Texte können das erreichen! Ist natürlich nur meine Ansicht. ;)

Einzige Stelle, die mich persönlich stört:

und trägt sie behutsam nach drinnen.
Ich mag dieses drinnen überhaupt nicht, habe es noch nie gemocht unabhängig von deinem Text. ;)

Ciao,
Bernd
 

nisavi

Mitglied
hallo diana, hallo beba,

habt dank für eure kommentare.

diana, mir ist schon klar, dass "schneescheinen" und "eisregnen" gewöhnungsbedürftige wörter sind. ich kann auch nachvollziehen, dass du sie als bemüht empfindest. für mich machen sie sinn.

genauso ergeht es mir auch mit "drinnen". ich wüsste ehrlich nicht, welches synonym ich benutzen sollte. "ins zimmer"??? vielleicht. aber ist das dann besser?

man muss sich auf den text einlassen können, denke ich. den bildern folgen. und gewiss gibt es menschen, die das nicht können. das ist für mich völlig in ordnung.

lg
n.
 

Honey

Mitglied
Hallo Nisavi...

ich finde dein Gedicht wunderschön. Man kann sich da so märchenhaft hineinträumen. Wenn ich könnte würde ich dir eine neun geben... aber bei mir sind mal wieder alle Bewertungsmöglichkeiten verschwunden (keine Ahnung warum).... also schreibe ich es dir und hole es nach wenn diese Dinger wieder auftauchen.

lg Honey
 
H

Heidrun D.

Gast
Traumhaft schön. Gefällt mir ebenso wie die Wassermannmär!

Ariadne aus dem Maislabyrinth
 



 
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