zum Fressen gern

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Alo Isius

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Der olle Wedekind, als Dichter hoch geachtet,
Hat einst in Schwabing seine Tant geschlachtet.
Ich hab nur leider ganz vergessen,
Hat er als Neffe sie dann nur beerbt
Oder auch brav aufgegessen,
Nachdem er sie gesterbt?

Tötete er auf seines oder auf Ihr Verlangen?
Warn ihre Steaks dann auch gut abgehangen?
Genoss er sie als jut jebratne Janz?
Fraß er sie womöglich ganz allein?
Lud er zum opulenten Mal mit Tanz
Auch ein paar gute Freunde ein?

Ein jeder gute Kannibale hat nun mal
Nen Hang zum großen Küchen-Ritual.
Traktiert auch gerne mit Bouillon,
Lorbeer umkränzten Schweinekopf,
Haxn ausm Rohr, Boeuf Bourguignon
Und Jäger- oder Schlachtertopf.

Dicht ich mich auch um Kopf und Kragen,
Will ich schnell noch soviel sagen:
Ich habe leider keine Tante mehr
Und fisch noch nicht im Internet
Nach einem zarten Ingenieur,
Den ich zum Fressen gerne hätt.

Und du? Hängst du nicht bald am Renten-Tropf?
Und starrst belämmert in den leeren Suppentopf:
Wo nimmst du dann ne Tante her?
Die auf Verlangen sich lässt töten?
Und dich so für Monate und mehr
Bewahrt vor schlimmsten Nöten?


Darum danke Gott, wer noch ein Tantchen hat:
Lebendig oder angemacht hält es ne Weile satt.
Doch schlachte nur es auf Verlangen,
Weil dafür Strafe christlich milde ist:
‘N paar Jahre Knast, dann Irrenhaus,
Wo du Kannibal entsorgt dann bist.


Aus so nem sicheren, gut geführten Haus
Willst du am Ende gar nicht wieder raus.
Du wirst gekleidet und ernährt,
Womöglich weise und uralt,
ruhig gestellt und abgeklärt:
Such dir eine Tante – bald.
 



 
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