Alfred zum Achtzigsten

5,00 Stern(e) 10 Bewertungen

lyrikPower

Mitglied
Die Zeit ist da! Er wagt ein letztes Schmunzeln,
Das sich ihm schütter um die Wangen spinnt,
Vergebens deckt er Runen zu und Runzeln,
Und seine letzte Locke hebt der Wind.

Wir alle denken noch an jene Glücksmomente,
Da wir ihm sagen konnten: «Siebzig, Alfred, und?
Es geht dein Geist noch lange nicht in Rente,
Du brauchst noch lange keinen Ausgehhund!»

Das war einmal. Jetzt, da die Achtzig kommen,
Und kommt Umnachtung unaufhaltsam auch,
Jetzt stehn wir stumm und irgendwie benommen
Vor einem einstens aufgeblühten Strauch.

Jetzt muss ein Hund her, dass der Strauch nicht dorre,
Jetzt macht die letzte Kraft den letzten Schnitt.
Tritt aus dem Dunkel, Alfred, und verknorre
Nicht gar so schnell! Wir kommen da nicht mit!

Bleib noch ein Weilchen in der alten Wärme,
Halts noch ein Weilchen in den Dingen aus,
Lass die Gedanken noch mal los und lärme
Unter den Fenstern ferner Jugendschwärme,
Dann geh uns tapfer und gefasst voraus.
 
Hi lp,

ein weises und wohlklingendes Werk mit humoristischer Höhe und freundschaftlicher Tiefe. Anbei ein paar gedanken dazu:

1. Das Gedicht handelt von der Vergänglichkeit des Lebens und dem unaufhaltsamen Lauf der Zeit. Es beschreibt einen Menschen, der in seinen späteren Jahren steht und sich den Veränderungen stellen muss, die mit dem Alter einhergehen. In der ersten Strophe wird darauf hingewiesen, dass Alfreds letztes Schmunzeln auf seinem Gesicht verblasst und die Zeichen des Alters in Form von Runen und Runzeln sichtbar werden. Die letzte Locke, die vom Wind gehoben wird, symbolisiert das Ende einer Ära oder eines Lebensabschnitts.

2. In der zweiten Strophe erinnert der Sprecher an die Zeit, als Alfred siebzig Jahre alt war und sie ihm versicherten, dass er noch lange geistig fit und unabhängig bleiben würde. Diese Erinnerung steht im Kontrast zu Alfreds aktueller Situation.

3. Die dritte Strophe thematisiert das Herannahen des achtzigsten Geburtstages und die damit einhergehende Umnachtung. Die Menschen um ihn herum fühlen sich stumm und benommen angesichts des einst blühenden Strauchs, der nun welkt – ein Symbol für Alfreds einstige Vitalität.

4. In der vierten Strophe wird ein Hund als Metapher für Hilfe und Unterstützung im Alter eingeführt, um sicherzustellen, dass der Strauch (Alfred) nicht verdorrt. Alfred wird aufgefordert, aus der Dunkelheit herauszutreten und nicht zu schnell zu altern, da die Menschen um ihn herum Schwierigkeiten haben, Schritt zu halten. Hier kommt für mich dieser ganz besondere LP Humor besonders deutlich rüber. Das hat was beißend komisches.

5. In der abschließenden Strophe bittet der Sprecher Alfred, noch ein wenig länger in der "alten Wärme" zu verweilen und die Dinge auszuhalten. Alfred wird aufgefordert, seine Gedanken noch einmal loszulassen und in Erinnerungen an seine Jugend zu schwelgen, bevor er den Anderen tapfer und gefasst vorausgeht.

Das Gedicht zeigt für mich auf berührende Weise die Unausweichlichkeit des Alterns und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Gleichzeitig ist es eine liebevolle Aufforderung an Alfred, die verbleibende Zeit zu schätzen und das Leben bis zuletzt zu genießen, wobei der Humor in diesem Gedicht sich vor allem in einigen spielerischen und leicht sarkastischen Formulierungen zeigt und wunderbar spielerisch in dem Umgang mit dem Motiv des Hundes. In der zweiten Strophe wird zum Beispiel der Ausdruck "Ausgehhund" verwendet, um humorvoll darauf hinzuweisen, dass Alfred damals noch lange keine Hilfe beim Ausgehen benötigte. Dieser Ausdruck vermittelt eine gewisse Heiterkeit und findet seine Abrundung in dem Ausdruck des Hundes, der den Strauch durch sein Pinkeln noch etwas am Leben hält.

In der einfühlsamen und liebevollen Art, wie der Sprecher über Alfred und seine Situation spricht zeigt sich die letztlich bei allem Sarkasmus und Misanthropie der dichterischen LIs vorherrschenden Versöhnung mit den menschlichen Begrenztheiten und Schwächen. In der letzten Strophe bittet der Sprecher Alfred, noch ein wenig länger in der "alten Wärme" zu verweilen und die Dinge auszuhalten. Dieser Vers drückt eine liebevolle Fürsorge und Verbundenheit aus, die dem Gedicht eine besondere Wärme und Emotionalität verleiht.

Darüber hinaus drückt der Sprecher in der letzten Strophe seinen Wunsch aus, dass Alfred die verbleibende Zeit genießt, indem er sich an seine Jugend erinnert und in seinen Gedanken schwelgt. Dies vermittelt eine liebenswerte und optimistische Botschaft, die darauf abzielt, Alfred Trost und Ermutigung in dieser schwierigen Phase seines Lebens zu spenden, denn ist das altern nicht immer "auch" eine schwierige zeit ?

mes compliments

Dio
 

lyrikPower

Mitglied
Ein Sternenhagel, Dirk, was für eine Überraschung! Schade, dass du nicht mehr weißt, wie du das gemacht hast. Ich danke schön. ;)
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Dieses feine Gedicht habe ich sehr gerne empfohlen.

Liebe Grüße
Manfred
 

lyrikPower

Mitglied
Tut gut, lieber Manfred, danke.

PS – Auch Dio weiter oben mein Dankeschön. Und den Sternegebern noch weiter oben auch.
Ich schreibe das hier als PS, oben gehts technisch nicht.
Grüße, lp
 

Arianne

Mitglied
Schönen Tag, LyrikPowe!

Das Gedicht straft meine zeitweisen Gedanken Lüge – ich finde es hoch überdurchschnittlich!
Nur kurz bemerkt, könnten in Strophe 2, Zeilen 1 und 2 die Silbenanzahl leicht an die der anderen
Strophen angepasst werden.

Wir alle denken noch an jene Glücksmomente,(.........13)
Da wir ihm sagen konnten: «Siebzig, Alfred, und?(.....11)


Wir denken noch an jene Glücksmomente (11)
Als wir ihm sagten: "Siebzig, Alfred, und?" (10)

Doch das ist nur eine Kleinigkeit und nicht wesentlich.
Wesentlich ist eher, dass es ein gutes Werk, ganz nach meinem Geschmack ist,
das auf einer Bewertungsskala hoch oben stünde. Feine Arbeit eines Könners!

Lieben Gruß
Arianne

 

lyrikPower

Mitglied
Herzlichen Dank Arianne für Lob und Sterne. Das mit den Silbenzahlen klärt sich von selbst beim Vortrag live vor Publikum.
Gruß lP
 
Zuletzt bearbeitet:

lyrikPower

Mitglied
Nachtrag:
Ich habe gerade nach Texten von dir gesucht, Arianne, die mir noch unbekannt sind, aber (vielleicht liegts an meinen Systhem-Einstellungen) da finde ich nichts. Die Texte scheinen gelöscht zu sein. Übrig geblieben ist da jeweils nur ein Punkt.
???
 
Zuletzt bearbeitet:

John Wein

Mitglied
Mein LL Protagonist heißt nämlich auch Alfred und mein Alter, darfst du raten. Und, natürlich gefällt mir auch der Text. Ich hatte ihn zufällig als Lesevorschlag auf meinem handy.
LG
John (Alias Alfred)
 
Zuletzt bearbeitet:

lyrikPower

Mitglied
"Lesevorschlag auf dem Handy" – wie funktioniert denn das? Wer schlägt da vor, verehrter Alfred von geschätzten 77 Jahren?
lP
 

John Wein

Mitglied
Frag mich nicht sowas Schweres! :eek:Die rote Glocke rechts oben hat es mir auf dem Handy angezeigt, und wie es so ist, hab ich drauf geklickt.
LG John:cool:
 



 
Oben Unten