Am Rand der Wüste stand ein Baum. Nicht weit von ihm entfernt wuchs ein Kaktus. Ringsherum war nichts weiter. Sand, die ersten Ausläufer der Savanne, ein paar Grasbüschel hier und da. Doch das einzig Herausragende weit und breit waren der Baum und sein Nachbar, der Kaktus. Beide waren von höchst eigener, natürlich einmaliger Natur, was sich die Beiden stets wissen ließen.
„Welch eine Strafe. Umgeben von solch einem grünen stacheligen Nichts. Und das mir, dieser einmalig schönen Laune der Natur.“
„Womit hab ich das nur verdient. Nicht nur, dass dieses vielarmige Ding meine Augen beleidigt, nein, ich muss mir auch noch sein blödsinniges Geschwafel anhören.“
„Ein Strich in der Landschaft, mit einem Strichchen links und einem rechts. Wahrscheinlich muss er die Striche nach oben halten, damit er sich nicht selbst piekt. Was für ein Witz.“
„Ein Ding, dass von Zeit zu Zeit einen Teil seiner selbst verliert und dann da steht, als wäre er mir nichts dir nichts gestorben. Was ein Anblick, igitt.“
Man könnte dem Gespräch der Beiden nun noch eine ganze Ewigkeit folgen, muss es aber nicht. Denn es kommt immer das Gleiche dabei heraus: Nichts.
Sie waren keine Freunde, und würden es wohl auch niemals werden. Doch eines Tages geschah es. Zwischen den Beiden, genau in der Mitte, erschien auf einmal ein kleines grünes Ding aus dem Boden. Von jetzt auf gleich hatten Baum und Kaktus jegliches Interesse aneinander verloren. Ihre Konzentration galt diesem Etwas, dass sich von Tag zu Tag weiter aus der Erde wagte. Nach einigen Tagen war es deutlich erkennbar. Ein grüner Strich hatte sich seinen Weg ans Licht gebahnt. Sofort geriet unser Kaktus außer Rand und Band.
„Endlich bin ich nicht mehr allein, kann mein Leben mit einem meiner Art teilen! Na, da schaust du dumm aus der Wäsche, du hässliches Stück Nichts!“
Und ja. Von einem auf den anderen Augenblick kam sich der Baum unendlich einsam vor. Mit wem sollte er sich streiten, nun, da zwei von der hässlichen Art da waren. Sie würden sich gegenseitig schön reden, und ihn links liegen lassen. Aber mit der Zeit wurde der grüne Strich immer dicker, hatte nun gar keine Ähnlichkeit mehr mit dem Kaktus.
„Schau nur, du Wicht. Er ist schon fast so dick wie ich. Und das Grün, ja das verliert sich auch noch mit der Zeit.“
Nun war es an dem Kaktus, wehmütig und traurig in die Welt zu schauen. Eben noch träumte er vom Leben zu zweit, und nun schien es, als sollte er den Rest seiner Zeit alleine sein. Der Kaktus hatte sich schon weit in sich zurückgezogen…er konnte das Lästern und Lachen des Baumes nicht mehr ertragen, als ein Wunder geschah. Von einem auf den anderen Tag wuchsen dem dicken grünen Stamm Dornen. Große dicke Dornen, wie er sie hatte. Was war das ein
Gebrüll.
„Ha, ha. Wer zuletzt lacht, lacht am Besten, du braunes missratenes Ungetüm. Schau nur, schau! Siehst du die Dornen?“
Und ja…natürlich sah auch der Baum die Veränderungen. Und mit jedem Tag nahm die Veränderung zu. Kein Zweifel. Dieser war zwar größer und kräftiger, doch eindeutig nicht seiner Natur. Nun war es an dem Baum, das hämische Gelächter des Kaktus zu ertragen. Ihm war, als ginge er ein. Was sollte er nun, allein in dieser ewigen Weite, noch hier? Ihm war nicht gut, und gerade, als er alle Blätter hängen ließ, geschah ein neuerliches Wunder.
Das grüne Ding, eben noch vollkommen fremder Natur, bekam Arme. Immer mehr und immer mehr. Und Blätter begannen zu wachsen. Blätter!
Was für eine Freude für unseren Baum. Da stand er nun. Doch was stand da eigentlich, fragte er sich?
Und nicht nur er. Auch der Kaktus war schon geraume Zeit am grübeln. Das war schon er, und doch auch wieder nicht. Da war…nicht zu übersehen, auch eine ganze Menge von diesem Typen da drüben. Ähnlich dachte der Baum. Und schließlich, weil er so gar nicht mehr weiter wusste, sagte er:
„Na ja. Gar nicht so hässlich, oder was meinst du?“
„Na ja. Er könnte ein wenig mehr von mir haben, aber eigentlich ganz nett anzuschauen. Dieses Grünzeug an den Armen kommt mit den Stacheln ganz gut zur Geltung wie mir scheint.“
„Der grüne Stamm macht sich auch ganz ausgezeichnet.“
Gerade hatte man den Eindruck, dass sich die Beiden näher kommen könnten, als der Kaktus meinte:
„Aber natürlich ist er von meiner Art“, worauf der Baum antwortete, dass so etwas nur ein Blinder behaupten könne.
Und schon waren die Beiden wieder mitten in ihrer Streiterei. Doch just in dem Moment, als sich die beiden Streithähne in sich zurückziehen wollten,
hörten sie aus der Mitte eine Stimme.
„Hallo ihr Beiden. Wollen wir Freunde sein?“