Das Ritual ist mir heilig

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AVALON

Mitglied
Das Ritual ist mir heilig


Es ist der erste Tag im November und unvergleichlich warm. Da macht es nichts, dass ein Herbststurm an den gelbgrün belaubten Baumwipfeln rüttelt. Ein Blatt nach dem anderen segelt zu Boden, während eine rot leuchtende Rosenblüte dem Wind trotzt. Sie ist mein Lichtblick am heutigen Allerheiligen. Beim Morgenkaffee mache ich mir Gedanken, wie ich bei dem Wind die Kerzen am Grab entzünden soll. Das mir als Kind eingepflanzte Ritual ist mir heilig. Lindenblätter werde ich entfernen müssen, mittags, wenn noch niemand auf dem Friedhof sein wird.
Zur Andacht, dem sich präsentieren der Gemeinde in der Kirche gehe ich nicht. Mein Gedenken, das stets ein Zwiegespräch ist, mit dem kleinen Vorwurf des Alleingelassenseins findet am Grab statt, das auch einmal meins sein wird. Und nichts ist in meinem Leben so sicher wie das.
Es windet immer noch. Wie gut, dass es Einwegfeuerzeuge gibt und ich mich nicht mit Streichhölzern abmühen muss, so wie ich es als Kind bei meinen Eltern miterlebte, in eisiger Kälte. Wie gut das es sehr warm ist für einen Novembertag und ich mir sage: Früher war doch nicht alles besser.

© AVALON
 

Günter Wendt

Mitglied
Es ist der erste Tag im November und unvergleichlich warm. Da macht es nichts, dass ein Herbststurm an den gelbgrün belaubten Baumwipfeln rüttelt. Ein Blatt nach dem anderen segelt zu Boden[Punkt] Eine rot leuchtende Rosenblüte trotz dem Wind. Sie ist mein Lichtblick am heutigen Allerheiligen.

Beim Morgenkaffee mache ich mir Gedanken, wie ich bei dem Wind die Kerzen am Grab entzünden soll. Das mir als Kind eingepflanzte Ritual ist mir heilig. Lindenblätter werde ich entfernen müssen, mittags, wenn noch niemand auf dem Friedhof sein wird.
Zur Andacht, dem sich präsentieren der Gemeinde in der Kirche[Komma] gehe ich nicht. Mein Gedenken, das stets ein Zwiegespräch ist [Komma weg]mit dem kleinen Vorwurf des Alleingelassenseins[Komma] findet am Grab statt, das auch einmal meins sein wird. Und nichts ist in meinem Leben so sicher wie das.
Es windet immer noch. Wie gut, dass es Einwegfeuerzeuge gibt und ich mich nicht mit Streichhölzern abmühen muss, so wie ich es als Kind bei meinen Eltern miterlebte, in eisiger Kälte. Wie gut[Komma]das[s] es sehr warm ist für einen Novembertag und ich mir sage: Früher war doch nicht alles besser.

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ein sehr schöner Text!
 
G

Gelöschtes Mitglied 24147

Gast
Stimmt, lieber Avalon - ein schöner Text!

Endlich mal jemand, der in unserem Tal der Tränen die Rose entdeckt, die man darin finden kann, und der im technischen Fortschritt nicht nur Negatives zu sehen glaubt.

Wenn ich eine NotengeberIn wäre, bekämst Du von mir für diese hübsche Impression dix points.

Liebe Grüße

anschi
 



 
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