Blumenberg
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„Ich werde alles tun, um Fahrverbote zu verhindern.“ Ein Satz, den wir dieser Tage und Wochen häufig zu hören bekommen. Er scheint die mediale Standardantwort der Politik auf die von den Gerichten geforderte Verschärfung der Luftreinhaltepläne in Städten. Was im ersten Moment nach großem Einsatz und Hingabe, sogar fast ein bisschen wie Freiheitskampf klingt, lohnt eine genauere Analyse und wird sich dabei als sprachliche Mogelpackung erweisen.
Subjekt des Satzes und damit Handelnder ist in dieser Aussage die Kanzlerin bzw. die durch sie repräsentierte Regierung.(1) Sie - so impliziert der Satz - hat als Sprechende das Heft des Handelns in der Hand, sie ist es, die die Absicht äußert etwas zu tun. Dies wird auch am Ankündigungscharakter des Satzes deutlich, der sich im werde tun, der Futurform des Verbs, ausdrückt. Aber nicht nur etwas. Die Aussage des Satzes ist an dieser Stelle bestimmter. Sie wird alles tun, nicht etwas, nicht nichts, nicht ein bisschen, alles. Das ist eine starke Aussage und gleichzeitig eine unscharfe. Die im Begriff implizierte Unschärfe, ist, wie sich zeigen wird, keineswegs zufällig.
Wenden wir uns nun dem anderen Teil des Satzes zu und versuchen wir, ihn genauer zu bestimmen. Das Verb gibt uns dabei ebenso Auskunft, wie das Akkusativobjekt des Satzes.
Das Verb verhindern drückt, eingeleitet durch das um…zu, sowie durch seine Infinitivform im Nebensatz, einen Finalsatz, eine Absicht, ein Müssen aus. Dem Sinngehalt des Wortes nach, richtet sich die ge-musste Aktion auf die Bewahrung vor etwas. Der Zustand, der im Akkusativobjekt näher bestimmt wird, soll nicht erreicht, er soll vermieden werden. Er ist einer, der uns droht, uns dazu herausfordert Widerstand zu leisten, den Ist-Zustand in dieser Frage zu bewahren.
Das Akkusativobjekt des Satzes - im Gegensatz zum Zahlwort des ersten Satzteils diesmal genau bestimmt - richtet sich auf einen konkreten Gegenstand: Dieselfahrverbote. In diesem Begriff drückt sich einerseits ein konkretes Verbot, eine richterliche Anordnung, ein Zwang aus. Andererseits konzentriert sich darin das Ergebnis eines ganzen umwelt- und gesundheitspolitischen Diskurses, eines Diskurses, der sein juristisches Ende in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gefunden hat, auf dessen Grundlage wiederum die untergeordneten Gerichte in konkreten Fällen geurteilt haben.
Kommen wir zurück zu unserem Satz, genauer der merkwürdigen Tatsache des unbestimmten ersten und des bestimmten zweiten Satzgehaltes. Diese Doppelstellung ist von entscheidender Bedeutung. Sie legt das Verbot als technisch-neutralen Funktionsterminus fest, etwas angesichts dessen nicht ein konkretes Tun, sondern ein unscharfes alles tun, angemessen ist. Das alles des ersten Satzteils eröffnet dem Tun zwei Richtungen für den Umgang mit dem konkreten Objekt des zweiten Satzteils. Eine progressive und eine konservative mit einem je unterschiedlichen teleologischen Endpunkt.
Die progressive Richtung erkennt den Sinngehalt des Verbotes an, es berücksichtigt dazu die Ursache, der im Begriff des Dieselfahrverbotes implizierten Diskurse und erkennt das Verbot als deren Ergebnis, als Bewirktes an. Mit der Anerkennung legt sich das Tun auf eine Änderung desbisherigen Ist-Zustandes fest, durch die der unerwünschte zukünftige Zustand des zweiten Satzteils vermieden wird. Der Endpunkt einer solchen Bewegung ist die Veränderung der Ursache, so dass die Reaktion überflüssig wird.
Die konservative Lesart zielt dagegen auf die größtmögliche Erhaltung des Ist-Zustandes, womit zwangsläufig, der Sinngehalt bzw. die Rechtmäßigkeit des im zweiten Satzteil ausgedrückten diskursiven Sollens bezweifelt wird. Die Lösung des Problems verschiebt sich auf eine funktionale Ebene. Das Verbot rückt in so einer technisch-neutralen Lesart in den Vordergrund, es ist wegen seines Absolutheitscharakters problematisch. Ein Verbot ist immer absolut, d.h. eindeutig, es erlaubt zwar Ausnahmen, aber keine Abstufungen, etwas nur ein bisschen zu verbieten, löst das Verbot als solches auf. Um dies abzuschwächen wird zu einer Hilfskonstruktion der Verhältnismäßigkeit gegriffen. Das tun richtet sich in diesem Fall darauf, diese durch Maßnahmen in Frage zu stellen, wie es in der aktuell vorgeschlagenen Lösung der Bundesregierung beispielhaft geschieht. Der Ist-Zustand soll gerade so weit geändert werden, dass Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbotes aufkommen. Der angestrebte Zielpunkt ist hier nicht eine Bekämpfung der Ursache, sondern lediglich die Unverhältnismäßigkeit des Absolutheitscharakters des Verbotes als angemessener äußerster Maßnahme.
Damit arbeitet die Bundesregierung bedauerlicherweise nicht an der Umsetzung einer judikativen Entscheidung, sondern an deren Sabotage. Ein Verbot lebt von seinem Anspruch auf Eindeutigkeit und Absolutheit, während Verhältnismäßigkeit als zunächst unscharfes Begriffsfeld jene Eindeutigkeit auflöst, mit der potentiellen Unverhältnismäßigkeit einen Gegenpunkt zum Absolutheitsanspruch setzt, kurz: andere Lösungen ins Spiel bringt. Daher ist die Beurteilung von Verhältnismäßigkeit, denn bei der näheren Bestimmung einer solchen handelt es sich um ein Urteil, die Aufgabe der Judikative und als solche im Fall der Fahrverbote längst abschließend und höchstrichterlich erfolgt. Daran nicht nur Zweifel zu schüren, sondern die fehlende Verhältnismäßigkeit per Gesetz feststellen zu wollen, hat einen antidemokratischen Geschmack, denn es ist ein Übergriff in den judikativen Bereich, in dem die Exekutive nichts verloren hat.
(1) Ich beziehe mich hier auf die Rede der Kanzlerin vom 21.10.18. Sie ist ein Beispiel, wenn auch ein wesentliches, das die Überlegung ans Konkrete binden soll.
Subjekt des Satzes und damit Handelnder ist in dieser Aussage die Kanzlerin bzw. die durch sie repräsentierte Regierung.(1) Sie - so impliziert der Satz - hat als Sprechende das Heft des Handelns in der Hand, sie ist es, die die Absicht äußert etwas zu tun. Dies wird auch am Ankündigungscharakter des Satzes deutlich, der sich im werde tun, der Futurform des Verbs, ausdrückt. Aber nicht nur etwas. Die Aussage des Satzes ist an dieser Stelle bestimmter. Sie wird alles tun, nicht etwas, nicht nichts, nicht ein bisschen, alles. Das ist eine starke Aussage und gleichzeitig eine unscharfe. Die im Begriff implizierte Unschärfe, ist, wie sich zeigen wird, keineswegs zufällig.
Wenden wir uns nun dem anderen Teil des Satzes zu und versuchen wir, ihn genauer zu bestimmen. Das Verb gibt uns dabei ebenso Auskunft, wie das Akkusativobjekt des Satzes.
Das Verb verhindern drückt, eingeleitet durch das um…zu, sowie durch seine Infinitivform im Nebensatz, einen Finalsatz, eine Absicht, ein Müssen aus. Dem Sinngehalt des Wortes nach, richtet sich die ge-musste Aktion auf die Bewahrung vor etwas. Der Zustand, der im Akkusativobjekt näher bestimmt wird, soll nicht erreicht, er soll vermieden werden. Er ist einer, der uns droht, uns dazu herausfordert Widerstand zu leisten, den Ist-Zustand in dieser Frage zu bewahren.
Das Akkusativobjekt des Satzes - im Gegensatz zum Zahlwort des ersten Satzteils diesmal genau bestimmt - richtet sich auf einen konkreten Gegenstand: Dieselfahrverbote. In diesem Begriff drückt sich einerseits ein konkretes Verbot, eine richterliche Anordnung, ein Zwang aus. Andererseits konzentriert sich darin das Ergebnis eines ganzen umwelt- und gesundheitspolitischen Diskurses, eines Diskurses, der sein juristisches Ende in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gefunden hat, auf dessen Grundlage wiederum die untergeordneten Gerichte in konkreten Fällen geurteilt haben.
Kommen wir zurück zu unserem Satz, genauer der merkwürdigen Tatsache des unbestimmten ersten und des bestimmten zweiten Satzgehaltes. Diese Doppelstellung ist von entscheidender Bedeutung. Sie legt das Verbot als technisch-neutralen Funktionsterminus fest, etwas angesichts dessen nicht ein konkretes Tun, sondern ein unscharfes alles tun, angemessen ist. Das alles des ersten Satzteils eröffnet dem Tun zwei Richtungen für den Umgang mit dem konkreten Objekt des zweiten Satzteils. Eine progressive und eine konservative mit einem je unterschiedlichen teleologischen Endpunkt.
Die progressive Richtung erkennt den Sinngehalt des Verbotes an, es berücksichtigt dazu die Ursache, der im Begriff des Dieselfahrverbotes implizierten Diskurse und erkennt das Verbot als deren Ergebnis, als Bewirktes an. Mit der Anerkennung legt sich das Tun auf eine Änderung desbisherigen Ist-Zustandes fest, durch die der unerwünschte zukünftige Zustand des zweiten Satzteils vermieden wird. Der Endpunkt einer solchen Bewegung ist die Veränderung der Ursache, so dass die Reaktion überflüssig wird.
Die konservative Lesart zielt dagegen auf die größtmögliche Erhaltung des Ist-Zustandes, womit zwangsläufig, der Sinngehalt bzw. die Rechtmäßigkeit des im zweiten Satzteil ausgedrückten diskursiven Sollens bezweifelt wird. Die Lösung des Problems verschiebt sich auf eine funktionale Ebene. Das Verbot rückt in so einer technisch-neutralen Lesart in den Vordergrund, es ist wegen seines Absolutheitscharakters problematisch. Ein Verbot ist immer absolut, d.h. eindeutig, es erlaubt zwar Ausnahmen, aber keine Abstufungen, etwas nur ein bisschen zu verbieten, löst das Verbot als solches auf. Um dies abzuschwächen wird zu einer Hilfskonstruktion der Verhältnismäßigkeit gegriffen. Das tun richtet sich in diesem Fall darauf, diese durch Maßnahmen in Frage zu stellen, wie es in der aktuell vorgeschlagenen Lösung der Bundesregierung beispielhaft geschieht. Der Ist-Zustand soll gerade so weit geändert werden, dass Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbotes aufkommen. Der angestrebte Zielpunkt ist hier nicht eine Bekämpfung der Ursache, sondern lediglich die Unverhältnismäßigkeit des Absolutheitscharakters des Verbotes als angemessener äußerster Maßnahme.
Damit arbeitet die Bundesregierung bedauerlicherweise nicht an der Umsetzung einer judikativen Entscheidung, sondern an deren Sabotage. Ein Verbot lebt von seinem Anspruch auf Eindeutigkeit und Absolutheit, während Verhältnismäßigkeit als zunächst unscharfes Begriffsfeld jene Eindeutigkeit auflöst, mit der potentiellen Unverhältnismäßigkeit einen Gegenpunkt zum Absolutheitsanspruch setzt, kurz: andere Lösungen ins Spiel bringt. Daher ist die Beurteilung von Verhältnismäßigkeit, denn bei der näheren Bestimmung einer solchen handelt es sich um ein Urteil, die Aufgabe der Judikative und als solche im Fall der Fahrverbote längst abschließend und höchstrichterlich erfolgt. Daran nicht nur Zweifel zu schüren, sondern die fehlende Verhältnismäßigkeit per Gesetz feststellen zu wollen, hat einen antidemokratischen Geschmack, denn es ist ein Übergriff in den judikativen Bereich, in dem die Exekutive nichts verloren hat.
(1) Ich beziehe mich hier auf die Rede der Kanzlerin vom 21.10.18. Sie ist ein Beispiel, wenn auch ein wesentliches, das die Überlegung ans Konkrete binden soll.