Ciconia
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Ein Spätsommertag wie aus dem Bilderbuch, im Tal immer noch heiß, auf 1.700 m Höhe sicher gut auszuhalten. So dürften heute früh viele gedacht haben. Eine längere Warteschlange windet sich an der Talstation der Seilbahn. Eine Bahn ist soeben abgefahren. Bei fünfundzwanzig Personen pro Fahrt und einer Fahrtdauer von acht bis neun Minuten kann ich mir ausrechnen, wann ich dran sein werde: in einer knappen halben Stunde, wenn's gut geht. Man weiß ja nicht genau, ob Kleinkinder schon mitzählen und wie die drei Pinscher gerechnet werden.
Pinscher? Na ja, ich nenne sie so. Das sind diese Taschenhunde, auch Pfundhunde genannt, die herzallerliebst mit großen Knopfaugen in die Welt schauen. Vielleicht heißen sie Chihuahua. Manchmal tragen sie Schleifchen. Die drei Hündchen, die sich hier im Warteraum wohlerzogen und ruhig verhalten, tragen keine. Ihr Frauchen hält stolz zwei von ihnen an ihre üppigen Brüste gepresst, das dazugehörige Herrchen trägt – wie seine Mimik vermuten lässt, ein wenig widerwillig – das dritte Tier. An den Gesichtern der Wartenden kann man unterschiedliche Meinungen über diese zusätzlichen Fahrgäste ablesen. Immerhin nicht so schlimm wie der Riesenköter, der hier vor einigen Jahren Randale machte und deshalb nicht mitfahren durfte, denke ich.
Es geht wie vorausberechnet voran, mit mir steigt die Pinscher-Gruppe ein. Durch jahrelange Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und zügiges Handeln erwische ich den einzigen Klappsitz in der Kabine. Nein, es sind keine noch älteren oder gebrechlich wirkenden Passagiere an Bord. Der Rucksack verschwindet unter dem Sitz, die Wanderstöcke halte ich seitlich eng an mich gepresst.
Nachdem sich alle Fahrgäste wie Sardinen in der Dose positioniert haben und bei allen angekommen ist, dass Rucksäcke und Taschen besser auf den Boden zu stellen sind, setzt sich die Bahn in Bewegung. Leider steht die Hundemutter direkt neben mir, die Hündchen hecheln nur wenige Zentimeter über meinem Kopf. Was für niedliche kleine Zungen sie haben! Die Mutti drückt beiden zur Beruhigung ein Küsschen aufs Schnäuzchen; ihr dunkles T-Shirt ist mit hellen Hundehaaren übersät. Lautstark unterhält sie sich über die Köpfe der Anderen mit Herrchen und einer dritten Person, die offenbar auch dazugehört und am anderen Ende der Kabine steht. Auf Fragen Umstehender gibt sie bereitwillig Auskunft, und so wissen wir nun alle, dass die drei Kleinen Weiberl sind und wie sie heißen. Tini zum Beispiel starrt stoisch in die Ferne; ich deute dies als eine Art Schockstarre. Ein permanentes leichtern Zittern lässt dennoch erkennen, dass die Lebensgeister nicht völlig entwichen sind. Das zweite Hündchen ist etwas lebhafter und schaut Frauchen immer wieder erstaunt an. Frauchen gibt Küsschen, Hündchen züngelt und schlabbert.
Nach fünf Minuten steiler Fahrt verspüre ich den üblichen Druck in den Ohren und überlege, ob das bei Hunden ähnlich ist. In mir keimt der plötzliche Gedanke, dass ihnen vielleicht übel werden könnte oder sie vor Aufregung nicht dichthalten. Ich möchte vorsichtshalber ein Stückchen zur Seite rücken, aber der Bewegungsspielraum gibt nicht viel her.
An den Stützpfeilern der Seilbahn wird derzeit gearbeitet. In schwindelnder Höhe kraxeln Arbeiter herum, durch eine dünne Plane schemenhaft zu erkennen. Was für ein irrer Arbeitsplatz, denke ich, und bin froh, als die Kabine auch den dritten Pfeiler mit einem leichten Ruck überwunden hat. Sanft gleitet sie gleich darauf in die Bergstation. Ich wähle den altbekannten bequemen Rundweg zum ersten Gipfel.
Wie nicht anders zu erwarten, treffe ich die Pinscher-Familie innerhalb der nächsten Stunde gleich zweimal, man hört sie, bevor man sie sieht. Dieser herrliche Sonnentag mit extrem guter Fernsicht verleitet mich dann zu einem Abstecher auf den zweiten Gipfel, der für kleine Hunde nun wirklich zu steinig und zu steil ist. Aber es gibt tatsächlich bergerfahrene, größere Hunde, wie sich zeigt. Einer springt mir so locker und trittsicher über Geröll und Fels entgegen, dass man direkt neidisch werden könnte.
Nach einer ausgiebigen Rast kehre ich am Nachmittag zur Station zurück. Diesmal muss ich nicht lange warten. Die Pinscher-Familie – Überraschung! - steht schon vor mir in der Schlange. Für den Klappsitz komme ich zu spät, also drücke ich mich an das kleine Schiebefenster, das einen Spalt geöffnet ist. Das Pinscher-Frauchen platziert sich direkt daneben. Die Hunde ignorieren mich, Frauchen auch.
In der engen Kabine kommt Heiterkeit auf, als kurz nach der Abfahrt ein zweisprachiger Funkverkehr einsetzt: Kabinenführer und Talstation auf Bayerisch, ein Arbeiter am Stützpfeiler II in breitestem Sächsisch. Er und sein Kollege möchten ins Tal mitgenommen werden, denn sie müssten heute noch … brabbel…der Rest geht im Geknister des Walkie Talkies unter.
Talstation an Kabinenführer: „Wievui seid’s denn in Wagen zwoa?“
Kabinenführer an Talstation: „Fümfazwanzg Fahrgäst plus Schaffner“
Sonore Stimme aus der Kabinenmitte: „… und drei Hund‘ …“
Da geht nichts mehr. Nach längerem Palaver einigt man sich, dass die Arbeiter erst einmal mit der nächsten bergwärts fahrenden Bahn nach oben gebracht werden, um dann in die nächste talwärts fahrende Bahn zu steigen. Die Pendelkonstruktion erfordert allerdings, dass beide Kabinen gleichzeitig auf freier Strecke halten müssen. Es herrscht atemlose Stille, als es durchs Funkgerät knattert:
Noch fünf … noch vier … noch drei … noch zwei … noch einer … Passt!
Gemütlicher wird es im Stillstand nicht. Allerdings bin ich froh, den Einstieg der Arbeiter vom Stützpfeiler in die Gegenkabine nicht sehen zu können. Eine unangenehme Hitze steigt in mir auf.
Irgendwann ist auch dieser Zwischenhalt überstanden. Mit einem kräftigen Ruck setzt die Bahn ihre Talfahrt fort. Zwei Pinscher ducken sich an ihr Frauchen, nur manchmal züngeln sie leicht. Der dritte gibt einmal kurz Laut, wahrscheinlich langweilt er sich alleine bei Herrchen. Frauchen ist inzwischen verstummt. War doch ein langer Tag.
Unten angekommen, tollen Tini und ihre Schwestern fröhlich kläffend über den Parkplatz. Ich meine ihnen die Erleichterung anzumerken, dass sie diesen Ausflug endlich überstanden haben.
Mir hat der Tag sehr gut gefallen.
Pinscher? Na ja, ich nenne sie so. Das sind diese Taschenhunde, auch Pfundhunde genannt, die herzallerliebst mit großen Knopfaugen in die Welt schauen. Vielleicht heißen sie Chihuahua. Manchmal tragen sie Schleifchen. Die drei Hündchen, die sich hier im Warteraum wohlerzogen und ruhig verhalten, tragen keine. Ihr Frauchen hält stolz zwei von ihnen an ihre üppigen Brüste gepresst, das dazugehörige Herrchen trägt – wie seine Mimik vermuten lässt, ein wenig widerwillig – das dritte Tier. An den Gesichtern der Wartenden kann man unterschiedliche Meinungen über diese zusätzlichen Fahrgäste ablesen. Immerhin nicht so schlimm wie der Riesenköter, der hier vor einigen Jahren Randale machte und deshalb nicht mitfahren durfte, denke ich.
Es geht wie vorausberechnet voran, mit mir steigt die Pinscher-Gruppe ein. Durch jahrelange Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und zügiges Handeln erwische ich den einzigen Klappsitz in der Kabine. Nein, es sind keine noch älteren oder gebrechlich wirkenden Passagiere an Bord. Der Rucksack verschwindet unter dem Sitz, die Wanderstöcke halte ich seitlich eng an mich gepresst.
Nachdem sich alle Fahrgäste wie Sardinen in der Dose positioniert haben und bei allen angekommen ist, dass Rucksäcke und Taschen besser auf den Boden zu stellen sind, setzt sich die Bahn in Bewegung. Leider steht die Hundemutter direkt neben mir, die Hündchen hecheln nur wenige Zentimeter über meinem Kopf. Was für niedliche kleine Zungen sie haben! Die Mutti drückt beiden zur Beruhigung ein Küsschen aufs Schnäuzchen; ihr dunkles T-Shirt ist mit hellen Hundehaaren übersät. Lautstark unterhält sie sich über die Köpfe der Anderen mit Herrchen und einer dritten Person, die offenbar auch dazugehört und am anderen Ende der Kabine steht. Auf Fragen Umstehender gibt sie bereitwillig Auskunft, und so wissen wir nun alle, dass die drei Kleinen Weiberl sind und wie sie heißen. Tini zum Beispiel starrt stoisch in die Ferne; ich deute dies als eine Art Schockstarre. Ein permanentes leichtern Zittern lässt dennoch erkennen, dass die Lebensgeister nicht völlig entwichen sind. Das zweite Hündchen ist etwas lebhafter und schaut Frauchen immer wieder erstaunt an. Frauchen gibt Küsschen, Hündchen züngelt und schlabbert.
Nach fünf Minuten steiler Fahrt verspüre ich den üblichen Druck in den Ohren und überlege, ob das bei Hunden ähnlich ist. In mir keimt der plötzliche Gedanke, dass ihnen vielleicht übel werden könnte oder sie vor Aufregung nicht dichthalten. Ich möchte vorsichtshalber ein Stückchen zur Seite rücken, aber der Bewegungsspielraum gibt nicht viel her.
An den Stützpfeilern der Seilbahn wird derzeit gearbeitet. In schwindelnder Höhe kraxeln Arbeiter herum, durch eine dünne Plane schemenhaft zu erkennen. Was für ein irrer Arbeitsplatz, denke ich, und bin froh, als die Kabine auch den dritten Pfeiler mit einem leichten Ruck überwunden hat. Sanft gleitet sie gleich darauf in die Bergstation. Ich wähle den altbekannten bequemen Rundweg zum ersten Gipfel.
Wie nicht anders zu erwarten, treffe ich die Pinscher-Familie innerhalb der nächsten Stunde gleich zweimal, man hört sie, bevor man sie sieht. Dieser herrliche Sonnentag mit extrem guter Fernsicht verleitet mich dann zu einem Abstecher auf den zweiten Gipfel, der für kleine Hunde nun wirklich zu steinig und zu steil ist. Aber es gibt tatsächlich bergerfahrene, größere Hunde, wie sich zeigt. Einer springt mir so locker und trittsicher über Geröll und Fels entgegen, dass man direkt neidisch werden könnte.
Nach einer ausgiebigen Rast kehre ich am Nachmittag zur Station zurück. Diesmal muss ich nicht lange warten. Die Pinscher-Familie – Überraschung! - steht schon vor mir in der Schlange. Für den Klappsitz komme ich zu spät, also drücke ich mich an das kleine Schiebefenster, das einen Spalt geöffnet ist. Das Pinscher-Frauchen platziert sich direkt daneben. Die Hunde ignorieren mich, Frauchen auch.
In der engen Kabine kommt Heiterkeit auf, als kurz nach der Abfahrt ein zweisprachiger Funkverkehr einsetzt: Kabinenführer und Talstation auf Bayerisch, ein Arbeiter am Stützpfeiler II in breitestem Sächsisch. Er und sein Kollege möchten ins Tal mitgenommen werden, denn sie müssten heute noch … brabbel…der Rest geht im Geknister des Walkie Talkies unter.
Talstation an Kabinenführer: „Wievui seid’s denn in Wagen zwoa?“
Kabinenführer an Talstation: „Fümfazwanzg Fahrgäst plus Schaffner“
Sonore Stimme aus der Kabinenmitte: „… und drei Hund‘ …“
Da geht nichts mehr. Nach längerem Palaver einigt man sich, dass die Arbeiter erst einmal mit der nächsten bergwärts fahrenden Bahn nach oben gebracht werden, um dann in die nächste talwärts fahrende Bahn zu steigen. Die Pendelkonstruktion erfordert allerdings, dass beide Kabinen gleichzeitig auf freier Strecke halten müssen. Es herrscht atemlose Stille, als es durchs Funkgerät knattert:
Noch fünf … noch vier … noch drei … noch zwei … noch einer … Passt!
Gemütlicher wird es im Stillstand nicht. Allerdings bin ich froh, den Einstieg der Arbeiter vom Stützpfeiler in die Gegenkabine nicht sehen zu können. Eine unangenehme Hitze steigt in mir auf.
Irgendwann ist auch dieser Zwischenhalt überstanden. Mit einem kräftigen Ruck setzt die Bahn ihre Talfahrt fort. Zwei Pinscher ducken sich an ihr Frauchen, nur manchmal züngeln sie leicht. Der dritte gibt einmal kurz Laut, wahrscheinlich langweilt er sich alleine bei Herrchen. Frauchen ist inzwischen verstummt. War doch ein langer Tag.
Unten angekommen, tollen Tini und ihre Schwestern fröhlich kläffend über den Parkplatz. Ich meine ihnen die Erleichterung anzumerken, dass sie diesen Ausflug endlich überstanden haben.
Mir hat der Tag sehr gut gefallen.