einem gläubigen ins stammbuch

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mondnein

Mitglied
einem gläubigen ins stammbuch


geh mir mit der pascalschen wette
blinder stäube zufallsspiel!
selbstverkennen des denkens hätte
mehr zu verlieren als nur den stil

gottbeweise musst du noch üben
selbsterkenntnis geht voran
vorurteile hinwegzuschieben
fange mit richtigen schlüssen an

schluss vor allem mit jener toten
gleichung der wahrscheinlichkeit
auf den wägenden idioten
und seine hoffnung: die ewigkeit

ich kann doch einen gott nicht lieben
der mein urteil so zum spasz
in die gleich-gültigkeit getrieben?
lieblose wahl ohne augenmasz

wenn gewissen die lebenslüge
die der rechner ausgedacht
ohne selbstwiderspruch ertrüge
wäre die wahrheit ein frasz der macht
 

molly

Mitglied
Hallo Hansz,

"selbsterkenntnis geht voran
vorurteile hinwegzuschieben
fange mit richtigen schlüssen an"

Dein Gedicht gefällt mir sehr gut, nicht nur für das Stammbuch eines Gläubigen geeignet.

Liebe Grüße
molly
 

mondnein

Mitglied
Herzlichen Dank, Molly,

fürs Lesen, Bewerten und Kommentieren des Gedichts.
Es ist so etwas wie ein "halbes Telephongespräch", also eine Diskussion zwischen zwei Stimmen, von denen nur die eine ausdrücklich zu Wort kommt. Also ein Ausschnitt aus einer philosophischen oder theologischen Binnendiskussion im lyrischen Ich.

Besonders an der vierten Strophe entzündet sich mein Widerspruch:
ich kann doch einen gott nicht lieben
der mein urteil so zum spasz
in die gleich-gültigkeit getrieben?
lieblose wahl ohne augenmasz
Denn ich selbst kann in der Tat nur einen solchen "Gott" lieben, der die Waage zwischen der freien Selbstsetzung des Ich einerseits und opferbereiter Demut andererseits in deren Gleichgeltung hält, in der dynamischen Schwebe. Das heißt sogar: in der Offenheit zwischen dem Nichtsein Gottes und seinem All-Ein-Sein.

Die eine Seite der Diskussionspartner weist auf den Selbstbetrug des Erlösungsbedürftigen hin, der mit seiner Zustimmung zu einer Gottesexistenz, die ihn für seinen Glauben mit Unsterblichkeit belohnt, an der Machtbesoffenheit des "Fürsten dieser Welt" nippt. Die andere Seite liebt gerade den freilassenden, freisetzenden, ja mit der Freiheit an sich identischen "Gott der Philosophen".
Ich mag den Pascal, ich schätze ihn hoch, ich liebe ihn. Über das "feu feu feu" des Jansenisten Pascal habe ich mich früher geärgert, heute wundere ich mich darüber, bewundere ihn vielleicht auch heimlich.

grusz, hansz
 



 
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