Dichternächte
Was für eine gottverdammte Scheiße. Ich sitze vor meinem Rechner, das Word- Programm bis zum Anschlag hochgefahren. Dazu ein guter Roter, sorgfältig dekantiert. Aus dem Radio dudelt gedichtekompatible Musik. Schnell noch ein paar Zeilen aus Bukowski " Gedichte, die einer schrieb, bevor er aus dem 8. Stock sprang" lesen. Perfekte Stimmung für einen perfekten Text. Nur kommt er leider nicht. Totale Ebbe.
Ihr denkt jetzt sicherlich, jetzt folgt etwas tiefgründiges über Schreibblockaden. Keine Sorge. Werdet Ihr von mir nicht lesen. Aber vielleicht kennt ihr eine solche Situation? Sie ist nicht suizidal, wie ich es häufig in schlechten Gedichten lese. Sie ist einfach nur Scheiße. Wie der Korb der angeheiterten Blondine, die du nachts um halb drei in der Kneipe angebaggert hast.
Da hilft auch kein Suff. In den guten, alten analogen Zeiten habe ich großspurig in meine Kladde gekrakelt und bin mit einem Gefühl etwas roßes, nobelpreisverdächtiges geschaffen zu haben ins Bett gefallen. Am nächsten Morgen dröhnte der Schädel und die nächtlichen Ergüsse waren nicht entzifferbar. Ich las so Sachen wie:“ Ich bredlefit dich ungeraunt auf drocks tscherrf“. Und so weiter und so fort. Wie peinlich. Als ich dann zum dritten Mal ins Waschbecken meiner Studentenbude gereihert hatte (zum Gemeinschaftsklo auf dem Flur war der Weg zu weit) dämmerte es mir: Aus dir wird nie ein Dichter. Ergreife einen anständigen Beruf, heirate und produziere Kinder.
Hab ich alles brav gemacht. Wollte keiner von denen sein, die jede Nacht hackedicht in der Kneipe erzählen, sie schrieben an einem Roman, der kurz vor der Vollendung stünde. Aber ab und an muss doch zumindest ein kleines Gedicht herausspringen, heimlich nach Feierabend . Irgendwann wollen doch diese Metapherschlampen, die sich in deinem Schädel tummeln, hochhackig in deinen Rechner hüpfen.
Vielleicht fehlt ihnen das Geräusch von früher, wenn du ein Blatt in deine der Schreibmaschine eingespannt hast.
Vielleicht vermissen sie den klappernden Sound der Tastenanschläge. Vielleicht liegt es an dem dekadent teuren Rotwein.
Ich nehme einen Schluck , starre aus dem Fenster.
Es ist der 12.9.2015, 21.30. Die Feststelltaste klemmt und keine Sau interessiert da