neun namenlose lieder, 1: wach auf du schläfer! wisch die augen rein

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neun namenlose lieder

1.


wach auf du schläfer! wisch die augen rein
und trinke dich in alle farben ein
bis in den zarten blütengrund der tage
bis in den feuerquell den alten wein
der noch die nacht durchglüht mit purpurschein
so gürte deine lenden du allein
und stell dich mir entgegen dass ich sage
ein rätselwort. bist du bereit? ich frage:

wo warst du als die weisheit dein gehirn
gefurcht hat den gebirgigen altar
den gabentisch des himmels still gedeckt
mit hellem firn? wie hat sie dich erweckt?
wie rief sie dich? von wo kamst du geweht
gedankensturm? woher nahmst du die stirn
dich zu behaupten fremd und frei fürwahr
wie's noch auf deine stirn geschrieben steht?

verschluss und siegel dort gibt uns zu wissen:
von bruder tier hast du dich freigebissen
die pflanzen von der mutter losgerissen
die irdenen gefäsze roh zerschmissen
so wie ein töpfer sein geschirr zerschmeiszt –
ich sage dir nur was du selber weiszt:

zu bloszem stoff zerschlagen und verschlingen
will dein verstand die sonnen selbst? – zu klein
ist dein bemühn. dring tiefer in sie ein
und offenbare dich wenn je dein streben
so hingegeben strenggefügt und fein
so selbstlos sein kann wie ihr strahlgestein

zerbrochen hast du ihren leib zu "dingen"
vergessen wie sie atmen flieszen schwingen –
sieh wie sie sich in deine nahrung weben
wie bilder voller kraft und wärme dringen
in dein erleben – fühle wie sie ringen
um deine achtung deiner sinne schein

ich frage dich: hat je in deinem leben
ein tun so voll und ganz sich hingegeben
um ihren kreis zu schlieszen – nur zu
sein?
ueber all
 



 
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