dass Deine Zeilen zweifelsohne sehr aus der Zeit gefallen sind
Herzlichen Dank, lieber Sufnus,
die Leselupe hat mit Dir einen guten Dichter und hoch herausragenden Kommentator gewonnen. Ich staune über die ganz neue Qualität der Anmerkungen, Besprechungen, Analysen usw., so Gutes habe ich schon lange nicht mehr in diesem Forum gelesen. Vor einigen Jahren lautete der Einwortkommentar (einer Dichterin, die sich vor Kurzem verabschiedet hat) unter einem surrealistischen Gedicht aus meiner Feder einfach nur "Dreck".
Aus der Zeit gefallen waren Sonette damals, vor über dreißig Jahren, als ich es schrieb, ganz gewiß. In der Gegenwart baut sich eine Art Schule mit bemerkenswert vielen Sonetten, ja ganzen Sonettenkränzen (!) auf, da steht Meister Walther schon nicht mehr alleine da. Ich selbst habe auch in meinem 22. Hundertliederbuch (ich bin jetzt mitten drin im 23.) sieben Sonette aus dem ersten Hundertliederbuch, dem "Neunstern", zu runden Sonettenkränzen geflochten. Und dabei die Form gesprengt: Beibehaltung der umarmenden Reime, unregelmäßige, aber symmetrische Kürzung der Verse, wilde Jagd durch surrealistische Disparitäten loser Assoziations-Verknüpfungen. Und landen im süßen Schoß der sieben gut naiv verständlichen Muttersonette aus dem Neunstern. Das erste Hundertliederbuch mit dem zweiundzwanzigsten, Ob man das vielleicht atavistisch-avangardistisch verkoppeln kann? Das frage ich mich zur Zeit.
Dieses alte namenlose Stück hier oben war ürsprünglich ein dreistrophiges Lied aus umarmenden Reimen, das ich für die "Festen Formen" in der Leselupe um die zwei Taubenverse des ersten Terzetts zum Sonett ergänzt habe. Eine Erneuerung, die es älter machte.
Heute würde ich diese beiden Verse wieder streichen, vor allem deshalb, weil sie das Antithesen-Gefüge der "Artikel" auf dem Laufband stören. Die Pointe bezieht sich ja auf die Ausgewogenheit der priamulisch aufgezählten Gegensatzpaare.
Aber das sähe in den handgedruckten Exemplaren des Siebensterns bzw. der "aleph null lailah wa lailah" etwas brutal aus, solche Balken und Schwärzungen schwerzüngiger Verse. So bleibts, wie es ist, in der Museumsvitrine aufgeschlagen liegen.
Den Siebenstern bzw. die "aleph null lailah wa lailah" werfe ich auch nicht mehr den Verlagen vor die Füße, weder den Frischfleisch suchenden Zeitschriften noch den publikumsorientierten Verlagen. Sondern allen. Wie man Perlen vor die Säue wirft und den Esel mit Rosen füttert. Der Verfasser-Esel der "Metamorphosen" des Apuleius wurde mit dieser Methode wieder zum Menschen entzaubert und verbüßte den Rest seines Lebens mit priesterlichem Dienst im Tempel der Magna Mater.
grusz, hansz