Sause mit!

4,60 Stern(e) 5 Bewertungen
Sause mit!


Am letzten Wegeschmuck (wie hingehaucht)
weine nicht betrübt und weggebeugt:
Schau doch, nicht ein Abschied ist bezeugt.
In neuen Zeitenstürmen ungebraucht,

fürs junge durchgetupfte Laubdekor,
steht ein Wirbelflug als guter Geist,
der als Blätter Freiheit sich erweist
und wild schon drängt zum Erdensaume vor.

Denn alle Fesselung im Astgestühl
lähmte nur, war gänzlich ohne Ziel.
Und du? Sei jetzt ins Bunte reingefegt,
sause mit und lebe aufgeregt!
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Kristian Berger,

ein Herbstgedicht, anders als die meisten anderen. Hier wird nicht getrauert, das Leben geht nach dem Sommer weiter. Und wer staubt nicht gern durchs Herbstlaub, als sei er mit Fünfzig man grade 7 Jahre alt? Das kann ein Altersvergnügen sein!

Zwei Strophen umarmender Reim, eine Strophe Paarreim. Machen kann man alles, ob es ankommt, bestimmt der Leser. Schön auch, dass du die männlichen Kadenzen in allen drei Strophen eingehalten hast. Ein bisschen dick für mich der "Erdensaum", aber ich will nicht pingelig sein. Ein bisschen unklar für mich die "Fesselung im Astgestühl". Insgesamt, würde ich sagen, lehnt sich der Sprachgestus ein wenig an vergangene literarische Zeiten an. Das ist keine Kritik, ist mir nur aufgefallen.

Eine sauber geschriebene Ermunterung, und so was braucht der Mensch. Grade im Herbst.

Lieben Gruß, Hanna
 

fee_reloaded

Mitglied
Auch sprachlich kann ich den guten Geist durch deine Zeilen wirbeln hören, lieber Kristian!

Das Verspielte, das sich bildhaft wie sprachlich Bahn bricht durch das in Strophe eins gemalte, vermeintliche Dunkel, dem zu trotzen sich lohnt - die Fesseln abstreifen und den Blättern in ihrer Freiheit folgen...was für eine schöne Herbstbotschaft mit ganz viel Tiefe! Das finde ich sehr fein gemacht und gedacht.

Die Doppelung von "weg" innerhalb der ersten beiden Zeilen von Strophe eins hat mich ein klein wenig irritiert, weil doch sehr nah beeinander. Könntest du dir vorstellen, das "weg" bei "weggebeugt" zu ersetzen? "gramgebeugt" oder etwas in der Art? Oder "weine nicht und sei von Trübnis ungebeugt"....nur so mein Empfinden und meine Gedanken dazu und auch Meckern auf hohem Niveau.

Ein großartiges Gedicht! Das Bild der Fesselung im Astgestühl wird mich heute durch den Tag begleiten. Danke auch dafür.

Liebe Grüße,
Claudia
 
Liebe Hanna, liebe Claudia, besten Dank für Eure profunden Kommentare und tollen Wertungen!

Nach Der Kuchen und Reiseplanung einer Eintagsfliege ein drittes Gedicht in Reimform - und vorerst auch mein letztes. Die freie Form ist mir doch um einiges sympathischer.
Ja, der positive, lebensbejahende Ausklang war mir wichtig, die Herbstzeit hat oft zu viel Niederdrückendes.

'Wege...' und 'weg' als Doppelung zu sehen ist möglich, aber in diesem Fall, finde ich, doch durchaus tolerabel. Danke Dir aber, Claudia, für diesen Hinweis.

Bevor ichs vergesse: Auch Dir, liebe Molly, danke für den Besuch und den Sternenkranz!


Gruß von
Kristian
 

Tula

Mitglied
Hallo Kristian
Auf jeden Fall ein sehr origineller Ansatz, was bei Herbstgedichten im Forenzeitalter ja schon fast unmöglich erscheint ;)

LG
Tula
 



 
Oben Unten