Ciconia
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Als das Bäderschiff um Viertel nach elf ablegte, war von Maren immer noch nichts zu sehen. Bodo stand seit fast einer halben Stunde mit zunehmender Ungeduld am Geländer der Seebrücke. Allmählich verlor er den Spaß an den Tauchmanövern der putzigen Eisenten im Wasser unter ihm.
„Am ersten Mittwoch im März um 11.00 Uhr auf der Seebrücke“ hatten sie vor sieben Jahren vereinbart. Sie wohnten niemals im selben Hotel. Sicherheitshalber, denn Maren traute ihrem eifersüchtigen Mann zu, dass er während ihrer jährlichen Wellness-Woche unangemeldet hier aufkreuzen könnte. Bei dieser Regelung war es geblieben, auch wenn Bodo, auf den Zuhause niemand wartete, es gern anders gesehen hätte.
Er schaute zum wiederholten Mal zur großen Standuhr an der Promenade. Dadurch bemerkte er den Jungen nicht gleich, der atemlos auf ihn zugerannt kam. Der Kleine reckte ihm wortlos einen Umschlag entgegen. Bodo stutzte.
„Von wem hast du den?“
Der Junge zeigte hilflos in die Menge der Passanten an der Promenade und machte sofort wieder kehrt. Bodo suchte in dem Pulk ein bekanntes Gesicht auszumachen – vergebens. Die Frau in der roten Kapuzenjacke, die sich schnellen Schrittes Richtung Fußgängerzone entfernte, hätte Maren sein können. Er stand wie angewurzelt da und fühlte sich augenblicklich zu schwach, um hinterherzulaufen.
Er setzte sich auf eine gerade frei gewordene Bank, ohne den Umschlag zu öffnen. Erst jetzt las er den Aufdruck des Hotels, in dem Maren immer abstieg – ein etwas vergilbtes Kuvert aus der Informationsmappe, wie sie in jedem Zimmer auslag. Nichts Persönliches, nicht einmal sein Name.
Der Wintertag hielt nicht, was der sonnige Morgen versprochen hatte. Bodo fror trotz seiner wetterfesten Jacke. Er raffte sich auf und ging wie in Trance zur Spitze der Seebrücke. In der Ferne näherte sich das Schiff inzwischen den Kreidefelsen. Vor dem weißen Hintergrund war es kaum zu erkennen.
Maren und er hatten diese für sein Empfinden recht eintönige Fahrt vor Jahren auch einmal gemacht. Maren konnte sich über so viele kleine Dinge mehr freuen als er. Vielleicht lag es aber einfach nur daran, dass er fast zwanzig Jahre älter war als sie. Ihre Zuneigung hatte ihn stets mit großem Stolz erfüllt.
Sie telefonierten in der übrigen Zeit des Jahres nie miteinander. Das war ebenfalls Teil der Abmachung gewesen. Umso spannender erschien es ihm in jedem März wieder, hier auf sie zu warten. Bisher hatte er nie darüber nachdenken wollen, ob und wie diese ungewöhnliche Beziehung jemals enden könnte.
Ihre Nachricht würde er nicht lesen. Was machte es für einen Unterschied, die Gründe zu erfahren? Maren war nicht gekommen, nur das zählte. Er würde sich eingestehen müssen, dass es nun auch dieses Kapitel seines Lebens abzuschließen galt.
Später beim Strandspaziergang zog er an einer ruhigen Stelle das Kuvert aus seiner Jackentasche. Er hielt das Feuerzeug daran und wartete, bis das Papier bis auf seine Finger heruntergebrannt war. Erst dann überließ er das letzte Fitzelchen dem Wind.
Den Schmerz in den Fingern spürte er kaum. Er wurde jetzt mit Macht von einem anderen, größeren überlagert.
„Am ersten Mittwoch im März um 11.00 Uhr auf der Seebrücke“ hatten sie vor sieben Jahren vereinbart. Sie wohnten niemals im selben Hotel. Sicherheitshalber, denn Maren traute ihrem eifersüchtigen Mann zu, dass er während ihrer jährlichen Wellness-Woche unangemeldet hier aufkreuzen könnte. Bei dieser Regelung war es geblieben, auch wenn Bodo, auf den Zuhause niemand wartete, es gern anders gesehen hätte.
Er schaute zum wiederholten Mal zur großen Standuhr an der Promenade. Dadurch bemerkte er den Jungen nicht gleich, der atemlos auf ihn zugerannt kam. Der Kleine reckte ihm wortlos einen Umschlag entgegen. Bodo stutzte.
„Von wem hast du den?“
Der Junge zeigte hilflos in die Menge der Passanten an der Promenade und machte sofort wieder kehrt. Bodo suchte in dem Pulk ein bekanntes Gesicht auszumachen – vergebens. Die Frau in der roten Kapuzenjacke, die sich schnellen Schrittes Richtung Fußgängerzone entfernte, hätte Maren sein können. Er stand wie angewurzelt da und fühlte sich augenblicklich zu schwach, um hinterherzulaufen.
Er setzte sich auf eine gerade frei gewordene Bank, ohne den Umschlag zu öffnen. Erst jetzt las er den Aufdruck des Hotels, in dem Maren immer abstieg – ein etwas vergilbtes Kuvert aus der Informationsmappe, wie sie in jedem Zimmer auslag. Nichts Persönliches, nicht einmal sein Name.
Der Wintertag hielt nicht, was der sonnige Morgen versprochen hatte. Bodo fror trotz seiner wetterfesten Jacke. Er raffte sich auf und ging wie in Trance zur Spitze der Seebrücke. In der Ferne näherte sich das Schiff inzwischen den Kreidefelsen. Vor dem weißen Hintergrund war es kaum zu erkennen.
Maren und er hatten diese für sein Empfinden recht eintönige Fahrt vor Jahren auch einmal gemacht. Maren konnte sich über so viele kleine Dinge mehr freuen als er. Vielleicht lag es aber einfach nur daran, dass er fast zwanzig Jahre älter war als sie. Ihre Zuneigung hatte ihn stets mit großem Stolz erfüllt.
Sie telefonierten in der übrigen Zeit des Jahres nie miteinander. Das war ebenfalls Teil der Abmachung gewesen. Umso spannender erschien es ihm in jedem März wieder, hier auf sie zu warten. Bisher hatte er nie darüber nachdenken wollen, ob und wie diese ungewöhnliche Beziehung jemals enden könnte.
Ihre Nachricht würde er nicht lesen. Was machte es für einen Unterschied, die Gründe zu erfahren? Maren war nicht gekommen, nur das zählte. Er würde sich eingestehen müssen, dass es nun auch dieses Kapitel seines Lebens abzuschließen galt.
Später beim Strandspaziergang zog er an einer ruhigen Stelle das Kuvert aus seiner Jackentasche. Er hielt das Feuerzeug daran und wartete, bis das Papier bis auf seine Finger heruntergebrannt war. Erst dann überließ er das letzte Fitzelchen dem Wind.
Den Schmerz in den Fingern spürte er kaum. Er wurde jetzt mit Macht von einem anderen, größeren überlagert.