Sog
"Sucht" heißt das Gedicht, aber das erscheint als ein äußerlich hinzugefügter, "erklärender" Titel, und das zeigt (wie ich meine) eine Schwäche des Gedichts: Die Subjekte der einzelnen Zeilen reihen Merkmale eines kritischen Zustandes steigernd auf - Priamel mit Klimax - haben aber nichts vom heftigen Begehren an sich, das die Substanz einer Sucht ist. Den Süchtigen versteht nicht, wer nicht die Lust kennt, die er sucht, wieder aufsucht, wieder und wieder aufsucht. Außer im letzten Doppelvers, da wirds deutlich gesagt.
Dadurch bleibt es (bis zum letzten Vers) beurteilende Außensicht: Vorwurf statt Wahrnehmung und Beschreibung. Erhobener Zeigefinger statt Begreifen. Das Thema (das Sachsubjekt, über das gesprochen wird) bestimmt hier das Rhema (die Prädizierung, die Information in der Aussage) - aber in einem guten Lied geht das Thema völlig im Rhema auf. Hier hieße das: Der Sog würde spürbar, der die "süchtige" Person unwiderstehlich hineinzieht in dieses "Nur noch dieses eine Mal!"