Ciconia
Mitglied
Warum hat sie mir denn nichts gesagt?
(Aktuelle Version)
Warum hat sie mir denn nichts gesagt? Ich verstehe das nicht. Lore hätte mir doch alles anvertrauen können. Ich hätte ihr bestimmt zugehört. Obwohl - sie wurde immer gleich ungeduldig, wenn ich etwas nicht verstand, rein akustisch nicht verstehen konnte, weil ich seit Jahren schwerhörig bin. Wenn sie es dann wiederholen sollte, hat sie gleich geschrien, als sei ich debil. Das empfand ich schon ziemlich verletzend. Manchmal erzählte sie auch völlig unzusammenhängende Sachen und warf mir anschließend vor, dass meine Auffassungsgabe nicht mehr die beste sei. Sie handelte gern mehrere Sachen auf einmal ab, so sprunghaft, ich konnte mich oft nur schwer darauf einstellen.
Wie schlecht es ihr ging, hätte sie mir wirklich mal in Ruhe sagen können. Wir saßen tagsüber viel zusammen, zumindest bei den Mahlzeiten. Ansonsten beschäftige ich mich überwiegend mit Politik und Wirtschaft, man muss doch den Überblick behalten über all die Missstände in unserer heutigen Welt. Aber auch da ihre Ungeduld, wenn ich ihr mal wichtige Dinge erklären wollte, politische Zusammenhänge in Europa und die Gefahren des Euro. Sie winkte immer gleich ab. Das Thema interessierte sie überhaupt nicht.
„Was soll ich mich denn aufregen, die paar Jahre, die wir noch leben! Dann lass uns das Geld jetzt raushauen, wenn du Angst vor der Inflation hast.“
Basta. Das hat mich fürchterlich geärgert, schließlich hat man mit Mitte sechzig noch einige Jahre vor sich. Da muss man doch darauf achten, dass das Geld reicht, wenn die Zinsen ständig weiter sinken. Mich macht das richtig krank, mit anzusehen, wie mein Erspartes jeden Tag weniger wert ist. Ich kann nicht einfach so in den Tag hineinleben.
„Ich würde unheimlich gern mal eine Seereise machen“, fing Lore vor ein paar Wochen wieder an, obwohl sie genau wusste, dass mich keine zehn Pferde auf ein Schiff bringen.
„Nerv mich nicht dauernd damit“, habe ich gleich abgeblockt, „dann fahr doch allein!“
Da hat sie lange geschwiegen und ein beleidigtes Gesicht gezogen. Letztes Jahr war sie schon mal allein auf Reisen. Ich habe nichts dagegen gehabt, sie war ja finanziell unabhängig. Spaß hat es ihr wohl nicht wirklich gemacht. Was kann ich denn dafür? Früher sind wir oft gereist, aber in letzter Zeit ist mir die Lust vergangen. Überall auf der Welt ist so viel Natur zerstört worden, nichts ist mehr wie früher. Ich habe auch meine kleinen Krankheiten, wer weiß, ob es am Urlaubsort eine ausreichende ärztliche Versorgung gibt. Dazu kommt, dass fast nirgendwo mehr geraucht werden darf. Wie soll ich denn einen Urlaub genießen, wenn ich überall eingeschränkt werde?
Lore wollte immer nur unterwegs sein, als würde sie etwas im Leben verpassen. Dabei haben wir eine wunderschöne Wohnung mit Blick ins Grüne, da sollte man sich eigentlich wohlfühlen, oder? Ich fand das, ehrlich gesagt, ein wenig undankbar. Sie komme sich richtig eingesperrt vor, wir würden überhaupt nichts mehr unternehmen, warf sie mir neulich vor. Das hat mich richtig sauer gemacht.
„Such dir endlich neue Hobbies“, habe ich ihr geraten. Lore hat ihr Leben lang viel gelesen. Irgendwann fing sie dann an, selbst Geschichten zu schreiben, das konnte sie erstaunlich gut. Ich hätte ihr ab und zu mal einen Tipp geben oder den Text querlesen können, aber sie stellte sich stur.
„Das ist mein Text“, beharrte sie, „da musst du dich nicht auch noch einmischen.“
Und schon hatten wir den dicksten Streit, nur weil sie sich nichts von mir sagen lassen wollte. Dabei bin ich mir sicher, dass ich einigen ihrer oberflächlichen Geschichten durchaus Tiefgang hätte geben können.
Seitdem ich in Rente bin, habe ich selbstverständlich Zuhause mitgeholfen. Aber ich glaube, das gefiel ihr gar nicht.
„Ich habe jahrelang den Haushalt geschmissen, da brauchst du mir jetzt nicht zu sagen, wie voll die Waschmaschine sein muss oder wann ich die Spülmaschine anwerfen darf!“, kam es dann gleich ganz patzig von ihr. Dabei wollte ich nur beim Energiesparen helfen, man muss das Geld schließlich nicht zum Fenster hinauswerfen. Deshalb habe ich sie auch gebeten, beim Einkaufen immer auf Sonderangebote zu achten, als Rentnerin hat man schließlich Zeit genug, um die günstigsten Geschäfte abzuklappern. Ich selbst kenne mich nicht gut aus mit Lebensmitteln, volle Läden sind mir sowieso ein Gräuel.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir ein, dass sie in letzter Zeit hin und wieder sehr bedrückt war. Ihr ging es wohl wirklich nicht gut, und sie klagte häufig über Schmerzen. Ich habe das nie richtig ernst genommen, ich wusste ja, dass sie zu Übertreibungen neigte. Außerdem waren es häufig Zipperlein, die ich am selben Tag auch spürte, vielleicht wetterbedingt. So was soll man nicht überbewerten.
„Ich fühl mich heute wieder so schlapp“, sagte sie morgens manchmal. Ich war der Meinung, dass sie abends vielleicht ein, zwei Gläser Wein zu viel getrunken hatte, da geht es einem halt nicht gut am nächsten Morgen. Was sie tatsächlich abends allein beim Fernsehen trank, habe ich nie mitbekommen. Ich mag nicht gern fernsehen, ich informiere mich abends lieber im Internet und trinke dabei in Ruhe meine Bierchen. Mag sein, dass es manchmal ein, zwei Fläschchen zu viel waren und ich dann nicht ganz so nett zu Lore war.
Trotz allem hat sie ihren Haushalt im Griff gehabt, jeden Tag für uns gekocht und am Wochenende einen schönen Kuchen gebacken. Das werde ich wirklich sehr vermissen. Dafür war ich ihr immer dankbar, ich habe sie auch oft gelobt.
Ich bin völlig durcheinander. Warum nur hat sie kein Vertrauen zu mir gehabt? Ich bin schließlich ihr Mann, seit gut zwanzig Jahren! Heiraten wollte ich allerdings nie, muss man ja heute nicht unbedingt. Ob sie noch darauf gehofft hat, kann ich gar nicht sagen. Gesprochen haben wir darüber schon lange nicht mehr.
Stutzig geworden bin ich neulich, als sie aus heiterem Himmel sagte, sie wolle lieber keine Seebestattung, wie wir es mal geplant hatten, die See sei ihr zu kalt. Wenn man keine weiteren Angehörigen hat und nicht verheiratet ist, sollte man alles rechtzeitig festlegen, mit Testament und Vollmachten.
„Ich glaub, ich möchte lieber in einem Friedwald liegen, ganz ruhig unter riesigen Bäumen. Versprichst du mir das?“
Da habe ich nur gelacht.
„Was soll das denn jetzt? Es ist doch bekannt, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer, also werde ich mich irgendwann zuerst verabschieden!“
Lore hat mich lange angeschaut. „Woher willst du das denn wissen?“
Heute war ich bei Dr. Westphal, ihrem Hausarzt. Er sah mich fragend an, als ich ungemeldet in der Praxis auftauchte und mich als Lebensgefährte von Lore Baumann vorstellte. Glücklicherweise hatte ich eine Vollmacht dabei. Es war sehr, sehr schwierig für mich, die richtigen Worte zu finden:
„Ich habe sie gestern tot aufgefunden.“
Er schien ein wenig verunsichert.
„Mein Beileid, Herr Pfeifer! Ich wusste gar nicht, dass Frau Baumann einen Partner hatte. Ich dachte, sie sei alleinstehend, sie wirkte ja ziemlich einsam. Sie war wegen ihrer Depressionen schon länger bei mir in Behandlung. Ich wollte sie an einen Therapeuten überweisen, aber sie konnte sich nicht zu einer Therapie entschließen. Zunächst wollte sie herausfinden, woher die ständigen starken Schmerzen kamen. Ich habe ihr mehrere Fachärzte empfohlen. Leider kann ich in ihrer Krankenakte keinen Hinweis finden, ob sie meinem Ratschlag gefolgt ist.“
Warum hat sie denn nie mit mir darüber gesprochen?
„Und Sie haben tatsächlich nichts davon gewusst?“, hakte er ungläubig nach.
„Nein, ich hatte keine Ahnung!“
Wo die vielen Tabletten herkamen, konnte er sich auch nicht erklären. Lore muss sie längere Zeit gehortet und wahrscheinlich von mehreren Ärzten bekommen haben. Darum habe ich mich nie gekümmert, sie hatte ihre eigene kleine Hausapotheke in ihrem Schlafzimmer.
Dort habe ich Lore gestern Morgen gefunden. Sie sah so friedlich aus. Als hätte sie gerade einen schönen Traum.
Nicht einmal einen Abschiedsbrief hat sie hinterlassen. Wie konnte sie mir das antun? Es gibt unheimlich viel zu erledigen, wie soll ich das alleine schaffen? Soll ich nun nach einem Friedwald suchen? Im Testament steht noch, dass sie Seebestattung wünscht. Ich weiß gar nicht, wer mir in dieser Situation helfen könnte, gemeinsame Freunde gibt es schon lange nicht mehr.
Nachdem die letzten Verwandten verstorben waren, habe ich mal zu ihr gesagt:
„Jetzt haben wir nur noch uns! Wir müssen gut auf uns aufpassen.“
Aber ich habe doch nicht damit gerechnet, dass ich allein zurückbleibe. Warum hat sie mir denn nie gesagt, wie sie sich wirklich fühlte?
Vielleicht wäre ich mit ihr gegangen.
(Aktuelle Version)
Warum hat sie mir denn nichts gesagt? Ich verstehe das nicht. Lore hätte mir doch alles anvertrauen können. Ich hätte ihr bestimmt zugehört. Obwohl - sie wurde immer gleich ungeduldig, wenn ich etwas nicht verstand, rein akustisch nicht verstehen konnte, weil ich seit Jahren schwerhörig bin. Wenn sie es dann wiederholen sollte, hat sie gleich geschrien, als sei ich debil. Das empfand ich schon ziemlich verletzend. Manchmal erzählte sie auch völlig unzusammenhängende Sachen und warf mir anschließend vor, dass meine Auffassungsgabe nicht mehr die beste sei. Sie handelte gern mehrere Sachen auf einmal ab, so sprunghaft, ich konnte mich oft nur schwer darauf einstellen.
Wie schlecht es ihr ging, hätte sie mir wirklich mal in Ruhe sagen können. Wir saßen tagsüber viel zusammen, zumindest bei den Mahlzeiten. Ansonsten beschäftige ich mich überwiegend mit Politik und Wirtschaft, man muss doch den Überblick behalten über all die Missstände in unserer heutigen Welt. Aber auch da ihre Ungeduld, wenn ich ihr mal wichtige Dinge erklären wollte, politische Zusammenhänge in Europa und die Gefahren des Euro. Sie winkte immer gleich ab. Das Thema interessierte sie überhaupt nicht.
„Was soll ich mich denn aufregen, die paar Jahre, die wir noch leben! Dann lass uns das Geld jetzt raushauen, wenn du Angst vor der Inflation hast.“
Basta. Das hat mich fürchterlich geärgert, schließlich hat man mit Mitte sechzig noch einige Jahre vor sich. Da muss man doch darauf achten, dass das Geld reicht, wenn die Zinsen ständig weiter sinken. Mich macht das richtig krank, mit anzusehen, wie mein Erspartes jeden Tag weniger wert ist. Ich kann nicht einfach so in den Tag hineinleben.
„Ich würde unheimlich gern mal eine Seereise machen“, fing Lore vor ein paar Wochen wieder an, obwohl sie genau wusste, dass mich keine zehn Pferde auf ein Schiff bringen.
„Nerv mich nicht dauernd damit“, habe ich gleich abgeblockt, „dann fahr doch allein!“
Da hat sie lange geschwiegen und ein beleidigtes Gesicht gezogen. Letztes Jahr war sie schon mal allein auf Reisen. Ich habe nichts dagegen gehabt, sie war ja finanziell unabhängig. Spaß hat es ihr wohl nicht wirklich gemacht. Was kann ich denn dafür? Früher sind wir oft gereist, aber in letzter Zeit ist mir die Lust vergangen. Überall auf der Welt ist so viel Natur zerstört worden, nichts ist mehr wie früher. Ich habe auch meine kleinen Krankheiten, wer weiß, ob es am Urlaubsort eine ausreichende ärztliche Versorgung gibt. Dazu kommt, dass fast nirgendwo mehr geraucht werden darf. Wie soll ich denn einen Urlaub genießen, wenn ich überall eingeschränkt werde?
Lore wollte immer nur unterwegs sein, als würde sie etwas im Leben verpassen. Dabei haben wir eine wunderschöne Wohnung mit Blick ins Grüne, da sollte man sich eigentlich wohlfühlen, oder? Ich fand das, ehrlich gesagt, ein wenig undankbar. Sie komme sich richtig eingesperrt vor, wir würden überhaupt nichts mehr unternehmen, warf sie mir neulich vor. Das hat mich richtig sauer gemacht.
„Such dir endlich neue Hobbies“, habe ich ihr geraten. Lore hat ihr Leben lang viel gelesen. Irgendwann fing sie dann an, selbst Geschichten zu schreiben, das konnte sie erstaunlich gut. Ich hätte ihr ab und zu mal einen Tipp geben oder den Text querlesen können, aber sie stellte sich stur.
„Das ist mein Text“, beharrte sie, „da musst du dich nicht auch noch einmischen.“
Und schon hatten wir den dicksten Streit, nur weil sie sich nichts von mir sagen lassen wollte. Dabei bin ich mir sicher, dass ich einigen ihrer oberflächlichen Geschichten durchaus Tiefgang hätte geben können.
Seitdem ich in Rente bin, habe ich selbstverständlich Zuhause mitgeholfen. Aber ich glaube, das gefiel ihr gar nicht.
„Ich habe jahrelang den Haushalt geschmissen, da brauchst du mir jetzt nicht zu sagen, wie voll die Waschmaschine sein muss oder wann ich die Spülmaschine anwerfen darf!“, kam es dann gleich ganz patzig von ihr. Dabei wollte ich nur beim Energiesparen helfen, man muss das Geld schließlich nicht zum Fenster hinauswerfen. Deshalb habe ich sie auch gebeten, beim Einkaufen immer auf Sonderangebote zu achten, als Rentnerin hat man schließlich Zeit genug, um die günstigsten Geschäfte abzuklappern. Ich selbst kenne mich nicht gut aus mit Lebensmitteln, volle Läden sind mir sowieso ein Gräuel.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir ein, dass sie in letzter Zeit hin und wieder sehr bedrückt war. Ihr ging es wohl wirklich nicht gut, und sie klagte häufig über Schmerzen. Ich habe das nie richtig ernst genommen, ich wusste ja, dass sie zu Übertreibungen neigte. Außerdem waren es häufig Zipperlein, die ich am selben Tag auch spürte, vielleicht wetterbedingt. So was soll man nicht überbewerten.
„Ich fühl mich heute wieder so schlapp“, sagte sie morgens manchmal. Ich war der Meinung, dass sie abends vielleicht ein, zwei Gläser Wein zu viel getrunken hatte, da geht es einem halt nicht gut am nächsten Morgen. Was sie tatsächlich abends allein beim Fernsehen trank, habe ich nie mitbekommen. Ich mag nicht gern fernsehen, ich informiere mich abends lieber im Internet und trinke dabei in Ruhe meine Bierchen. Mag sein, dass es manchmal ein, zwei Fläschchen zu viel waren und ich dann nicht ganz so nett zu Lore war.
Trotz allem hat sie ihren Haushalt im Griff gehabt, jeden Tag für uns gekocht und am Wochenende einen schönen Kuchen gebacken. Das werde ich wirklich sehr vermissen. Dafür war ich ihr immer dankbar, ich habe sie auch oft gelobt.
Ich bin völlig durcheinander. Warum nur hat sie kein Vertrauen zu mir gehabt? Ich bin schließlich ihr Mann, seit gut zwanzig Jahren! Heiraten wollte ich allerdings nie, muss man ja heute nicht unbedingt. Ob sie noch darauf gehofft hat, kann ich gar nicht sagen. Gesprochen haben wir darüber schon lange nicht mehr.
Stutzig geworden bin ich neulich, als sie aus heiterem Himmel sagte, sie wolle lieber keine Seebestattung, wie wir es mal geplant hatten, die See sei ihr zu kalt. Wenn man keine weiteren Angehörigen hat und nicht verheiratet ist, sollte man alles rechtzeitig festlegen, mit Testament und Vollmachten.
„Ich glaub, ich möchte lieber in einem Friedwald liegen, ganz ruhig unter riesigen Bäumen. Versprichst du mir das?“
Da habe ich nur gelacht.
„Was soll das denn jetzt? Es ist doch bekannt, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer, also werde ich mich irgendwann zuerst verabschieden!“
Lore hat mich lange angeschaut. „Woher willst du das denn wissen?“
Heute war ich bei Dr. Westphal, ihrem Hausarzt. Er sah mich fragend an, als ich ungemeldet in der Praxis auftauchte und mich als Lebensgefährte von Lore Baumann vorstellte. Glücklicherweise hatte ich eine Vollmacht dabei. Es war sehr, sehr schwierig für mich, die richtigen Worte zu finden:
„Ich habe sie gestern tot aufgefunden.“
Er schien ein wenig verunsichert.
„Mein Beileid, Herr Pfeifer! Ich wusste gar nicht, dass Frau Baumann einen Partner hatte. Ich dachte, sie sei alleinstehend, sie wirkte ja ziemlich einsam. Sie war wegen ihrer Depressionen schon länger bei mir in Behandlung. Ich wollte sie an einen Therapeuten überweisen, aber sie konnte sich nicht zu einer Therapie entschließen. Zunächst wollte sie herausfinden, woher die ständigen starken Schmerzen kamen. Ich habe ihr mehrere Fachärzte empfohlen. Leider kann ich in ihrer Krankenakte keinen Hinweis finden, ob sie meinem Ratschlag gefolgt ist.“
Warum hat sie denn nie mit mir darüber gesprochen?
„Und Sie haben tatsächlich nichts davon gewusst?“, hakte er ungläubig nach.
„Nein, ich hatte keine Ahnung!“
Wo die vielen Tabletten herkamen, konnte er sich auch nicht erklären. Lore muss sie längere Zeit gehortet und wahrscheinlich von mehreren Ärzten bekommen haben. Darum habe ich mich nie gekümmert, sie hatte ihre eigene kleine Hausapotheke in ihrem Schlafzimmer.
Dort habe ich Lore gestern Morgen gefunden. Sie sah so friedlich aus. Als hätte sie gerade einen schönen Traum.
Nicht einmal einen Abschiedsbrief hat sie hinterlassen. Wie konnte sie mir das antun? Es gibt unheimlich viel zu erledigen, wie soll ich das alleine schaffen? Soll ich nun nach einem Friedwald suchen? Im Testament steht noch, dass sie Seebestattung wünscht. Ich weiß gar nicht, wer mir in dieser Situation helfen könnte, gemeinsame Freunde gibt es schon lange nicht mehr.
Nachdem die letzten Verwandten verstorben waren, habe ich mal zu ihr gesagt:
„Jetzt haben wir nur noch uns! Wir müssen gut auf uns aufpassen.“
Aber ich habe doch nicht damit gerechnet, dass ich allein zurückbleibe. Warum hat sie mir denn nie gesagt, wie sie sich wirklich fühlte?
Vielleicht wäre ich mit ihr gegangen.
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