…ist immer der Mörder

3,70 Stern(e) 9 Bewertungen

Penny

Mitglied
…ist immer der Mörder

Was ich sehe, ist ein Haus. Es ist groß. Die Kinder spielen, der Hund bellt. Er spielt auch, ist nicht böse. Er mag die Kinder. Man könnte denken, dass er es nicht tut. Aber es ist so. Sie sind zusammen aufgewachsen. Die Eltern lieben ihre Kinder. Und sich. Sie lieben das Leben und sind zufrieden. Vielleicht sind sie sogar glücklich. Doch, sie sind bestimmt glücklich. Sie lachen ja schließlich. Lachen drückt große Freude aus. Und Freude ist Glück.
Aber sie wissen das nicht zu schätzen. Mit ihren teuren Kleidern und den perfekten Frisuren stolzieren sie Tag für Tag durch ihre vollkommene Welt und freuen sich des Lebens. Sie besitzen Reichtümer, nicht nur Materielle.
Ich hasse sie.
Sie sind glücklich.
Sie führen eine perfekte Ehe. Die Kinder sind sehr gut in der Schule. Sie können sich schon jetzt die teuersten Spielsachen leisten. Und sie haben diesen Hund. Der Hund ist schön. Weiches Fell, sehr gepflegt. Er beschützt sie sicher. Zumindest denken sie das. Aber er ist kein Wachhund. Dieser Hund ist stupide, genau wie diese ganze verflucht glückliche Familie.
Sie sind nicht perfekt, keiner ist perfekt. Sie glauben allen mit ihrem aufgesetztem Lachen vermitteln zu können, sie seien es. Aber es geht nicht. Kein Mensch kann jemals perfekt sein. Wie kann man denn nur so dreist sein und dies annehmen! Diese Menschen sind krank. Sie haben ein Problem. Ich muss ihnen helfen. So kann man einfach nicht leben.
Nein, keiner lebt so. Unvollkommenheit prägt jedermanns Leben. Sie sind nicht anders. Ganz bestimmt sind sie das nicht. Sie müssen nicht gemocht werden, nur weil sie reich sind. Man muss sie auch nicht bevorzugen, oder selbst glauben man sei schlechter. Nein, diese Menschen sind schlechter. Denn sie haben Alles und wissen es nicht zu schätzen.
Ich hasse sie.
Die Freunde kommen zu Besuch. Sicher sind sie nicht ihre Freunde. Sie tun nur so, um gut da zu stehen. Aber nein, sie sind keine Freunde. Nur Teil dieser kranken Gesellschaft, die diesen Wahn unterstützt.
Diese Menschen fallen nicht hin, sie stolpern nicht einmal. Ihre Hemden schlagen keine Falten und die Schuhe sind niemals dreckig. Ihre Freunde kommen niemals zu spät. Sie trinken kein Bier und essen keine Chips. Und wenn sie es tun, sind ihre Finger nicht fettig. Und trotzdem können sie einfach nicht perfekt sein. Ich werde es ihnen beweisen.
Man kann nicht gut aussehen, wenn man soeben ermordet wird. Sie werden es auch nicht. Wäre schade, wenn doch. Dann wäre die ganze Mühe umsonst. Aber sie werden schlecht aussehen. Sehr, sehr schlecht. Man wird sie dann hassen, weil man weiß, dass sie Feinde hatten. Und man wird sie hassen, weil sie plötzlich nicht mehr perfekt sind. Ihre Kleidung wird Grasflecke haben. Das Haus wird verkommen und dieser wunderschöne Hund wird einsam und verwahrlost durch Wälder streifen.
Und eines Tages…
,,Willi, das ist ja wundervoll. Das Beet sah noch niemals zuvor so hinreißend aus. Oh, und Schatz, sieh dir doch nur an, wie er diese Hecke gestutzt hat. Ist es nicht einfach umwerfend? Ich liebe diesen Mann, er vollbringt Wunder. Ich danke Gott für den Tag, an dem er ihn zu uns geschickt hat!“
,,Vielen Dank gnädige Dame, stets zu Diensten.“
 
Hallo Penny,

deine kleine Story ist originell, finde ich, die Perspektive ist konsequent gewählt. Aufbau und Stil und Pointe am Schluss, alles sitzt. Am Anfang kam es mir zwar etwas allgemein vor, was diese „Stimme“ so denkt und es bleibt natürlich etwas im Unklaren, mit wem wir es zu tun haben, aber die Beharrlichkeit des Zweifels, des Neids (?), der Skepsis angesichts einer scheinperfekten Welt, das alles kommt prima herüber.

Beste Grüße
Monfou
PS: Gut gewählter Titel
 

katia

Mitglied
super

liebe penny,

ich schließe mich Monfou Nouveaus meinung an - sehr straff und geradeaus geschrieben. die superkurzen sätze waren stilistisch eine sehr gute entscheidung.
der anfang ist möglicherweise geschmackssache.. wirkte auf mich gerade dadurch spannend, weil ich nicht wußte, mit wem ich es zu tun habe.

weil ich ja immer beim zweiten durchlauf die kritkerbrille aufhabe:
"Wie kann man denn nur so dreist sein und dies annehmen." vielleicht kannst du interpunktionsmäßig was an diesem satz machen? ich würde noch nicht einmal das fragezeichen, sondern sogar ein ausrufezeichen wählen.

lg
katia
 

Roni

Mitglied
hallo penny,

originell ist das richtige wort, deshalb suche ich jetzt nicht mehr nach einem anderen. und aus einem mordenden gaertner etwas originelles zu machen, ist sicher nicht einfach.
deine geschichte hat mir gut gefallen. sie hat genau die richtige laenge und der spannungsbogen ist bis zur pointe gut gefuehrt.
besonders gut gefaellt mir der hund, der sich zwar ins klischeeglueck fuegt, aber zu etwas identifizierbaren innerhalb des abziehbildes wird.

zwei kleinigkeiten:
"sie[red]h[/red] dir doch nur an"
und
"immer stets zu Diensten" - immer wuerde ich streichen. immer stets ist doppelt gemoppelt.

gruss
roni
 
hallo penny

die idee gefällt mir sehr gut. die ausführung ist mir stellenweise ein wenig zu vordergründig.

z. b. bei:
Aber sie wissen das nicht zu schätzen. Mit ihren teuren Kleidern und den perfekten Frisuren stolzieren sie Tag für Tag durch ihre vollkommene Welt und freuen sich des Lebens. Sie besitzen Reichtümer, nicht nur Materielle.
Ich hasse sie.
Sie sind glücklich.

ich bekomme nur flache bilder, ohne dass sie mich wirklich treffen. wie benehmen sie sich, dass sie das nicht zu schätzen wissen? wie verhalten sie sich, damit ich so neidisch werden muss, dass mir der gedanke kommt, sie zu töten, um ihre perfektion zu zerstören?

die idee gibt so viel her... die ausführung finde ich etwas schade. wenn ich so eine geschichte lese, will ich um die abgründe wissen, um die qual und um den neid, ich will bilder und gefühle dazu und aussagen, die diffenzierter sind, als: ich hasse dich.

der schluss ist gut. ich würde auch das "immer wegnehmen".

von mir eine 6. der begleittext ist wörtlich zu nehmen.

meint
 

knychen

Mitglied
den kommentar von freifrau von löwe finde ich etwas hart, deswegen möchte ich auch was dazu sagen.
diese wirklich gute geschichte ist in der ich-form aus sicht des gärtners geschrieben. ohne gärtnern und gärtnerinnen auf den schlips zu treten, setze ich einfach voraus, daß dieser gärtner nicht der hellste ist. kopfmäßig.
dementsprechend muß ich auch keine tiefgründigen bilder und einschneidende analysen erwarten. der mann urteilt vordergründig und genau das kommt gut rüber.
wäre das nicht so, würde er sein neidproblem nicht mit mord lösen wollen, sondern gesellschaftspolitisch herangehen.
dann wär er aber nicht mehr der mörder und die geschichte würde in der lupe fehlen.
was, um diese kausalkette zum abschluß zu bringen und meine bewertung zu begründen, wirklich schade wäre.
gruß aus berlin von knychen
 

Penny

Mitglied
@Monfou Nouveau:
Vielen Dank für deine Kritik. Hast absolut recht. Das immer ist wirklich überflüssig, habe ich gleich rausgenommen.
@Katia:
Auch dir vielen Dank.Es freut mich gerade von dir zu hören, dass dir mein Schreibstil in dieser Geschichte gefällt!!!
@Roni:
Ups, sehen ohne "h" lol. Das ist mir ja das letzte Mal in der Grundschule passiert. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Auch deine Kritik hat mich sehr gefreut!!!
@Freifrau von Löwe:
Danke dir für deine ehrlichen Worte. Allerdings lag es nicht in meiner Intention einen Psychologen darzustellen, der überanalysiert, und habe gerade deshalb die Rolle eines einfachen Gärtners gewählt. Nicht nur, weil er das absolute Klischee vieler guter Krimigeschichten ist, sondern auch weil er etwas simples verkörpert. Und ebenso sollten auch seine Gedanken sein. Durch übermässige Interpretation hätte ich die Leser vielleicht gelangweilt. Wenn man hasst, denkt man nicht mehr klar und genau das wollte ich mit meiner Geschichte zeigen. Die Spontaneität, dachte ich sei klar gewesen. Trotzdem danke für deinen Kommentar!
@knychen:
Danke, du hast es gut getroffen und meine Geschichte genau so verstanden wie ich es gehofft hatte, dass Leser es tun würden. Das freut mich dann immer ganz besonders!!!

Lieben Gruß
die Penny
 
G

Goldmund

Gast
[blue]Lieber Penny,

eine klasse Idee! Und die Geschichte finde ich auch sehr schön geschrieben! Einige wenige Anmerkungen erwünscht?
Vielleicht findest dir ja was!

Goldmund[/blue]

…ist immer der Mörder
[red]geniale Überschrift![/red]
Was ich sehe, ist ein Haus. Es ist groß. Die Kinder spielen, der Hund bellt. Er spielt auch, ist nicht böse. Er mag die Kinder. Man könnte denken, dass er es nicht tut. [red]wieso könnte man das denken? ein kleiner Hinweis wäre schön![/red] Aber es ist so. Sie sind zusammen aufgewachsen. Die Eltern lieben ihre Kinder. Und sich. Sie lieben das Leben und sind zufrieden. Vielleicht sind sie sogar glücklich. Doch, sie sind bestimmt glücklich. Sie lachen ja schließlich. Lachen drückt große Freude aus. Und Freude ist Glück.
Aber sie wissen das nicht zu schätzen. Mit ihren teuren Kleidern und den perfekten [red]zu allgemein und abstrakt. da gäbe es bessere adjektive...[/red] Frisuren stolzieren sie Tag für Tag durch ihre vollkommene Welt[strike] und freuen sich des Lebens[/strike]. Sie besitzen Reichtümer, nicht nur Materielle.
Ich hasse sie.
Sie sind glücklich.
Sie führen eine perfekte Ehe. Die Kinder sind sehr gut in der Schule. Sie können sich schon jetzt die teuersten Spielsachen leisten.[red]würde sich schöner lesen: Leisten sich die teuersten Spielsachen.[/red] Und sie haben diesen Hund. Der Hund ist schön. Weiches Fell, sehr gepflegt. Er beschützt sie sicher. Zumindest denken sie das. Aber er ist kein Wachhund. Dieser Hund ist stupide, genau wie diese [strike]ganze [/strike]verflucht glückliche Familie.
Sie sind nicht perfekt, keiner ist perfekt. Sie glauben [strike]allen [/strike][red]es [/red]mit ihrem aufgesetztem Lachen vermitteln zu können[strike], sie seien es[/strike]. Aber es geht nicht. Kein Mensch kann jemals perfekt sein. Wie kann man denn nur so dreist sein und dies annehmen! Diese Menschen sind krank. Sie haben ein Problem. Ich muss ihnen helfen. So kann man einfach nicht leben.
Nein, keiner lebt so. Unvollkommenheit prägt jedermanns Leben. Sie sind nicht anders. Ganz bestimmt sind sie das nicht. Sie müssen nicht gemocht werden, nur weil sie reich sind. Man muss sie auch nicht bevorzugen, oder selbst glauben [red]komma [/red]man sei schlechter. Nein, diese Menschen sind schlechter. Denn sie haben Alles und wissen es nicht zu schätzen.[red]unklar: ich dachte, sie täuschen es eben nur vor, alles zu haben, bzw. perfekt zu sein...[/red]
Ich hasse sie.
Die Freunde kommen zu Besuch. Sicher sind sie nicht ihre Freunde. Sie tun nur so, um gut [red]dazustehen[/red]. Aber nein, sie sind keine Freunde. Nur Teil dieser kranken Gesellschaft, die diesen Wahn unterstützt.
Diese Menschen fallen nicht hin, sie stolpern nicht einmal. Ihre Hemden schlagen keine Falten und die Schuhe sind niemals dreckig. Ihre Freunde kommen niemals zu spät. Sie trinken kein Bier und essen keine Chips. Und wenn sie es tun, sind ihre Finger nicht fettig. [red]große klasse [/red]Und trotzdem können sie einfach nicht perfekt sein. Ich werde es ihnen beweisen.
Man kann nicht gut aussehen, wenn man soeben ermordet wird. Sie werden es auch nicht. Wäre schade, wenn doch. Dann wäre die ganze Mühe umsonst. Aber sie werden schlecht aussehen. Sehr, sehr schlecht. Man wird sie dann hassen, weil man weiß, dass sie Feinde hatten. Und man wird sie hassen, weil sie plötzlich nicht mehr perfekt sind[red]besser: weil sie vorgetäuscht haben, perfekt zu sein.[/red]. Ihre Kleidung wird Grasflecke haben. Das Haus wird verkommen und [strike]dieser wunderschöne[/strike] [red]der [/red]Hund wird einsam und verwahrlost durch Wälder streifen.
Und eines Tages… [red]wunderbar, die Gedanken heraus gearbeitet. doch nun würde ich die Szene nicht nur mit einem Dialog enden lassen, sondern sie ein bisschen besser aussmalen. Vielleicht wird der Gärtner von der Dame des Hauses aus seinen Gedanken gerissen, indem sie ihn lobt, nach ihrem Mann ruft ect.. Und lass ihn dann eben eine butlermäßige Haltung annehmen, ihn verbeugen lassen.. irgendetwas.. (nur ne anregung)[/red]„Willi, das ist ja wundervoll. Das Beet sah noch niemals zuvor so hinreißend aus. Oh, und Schatz, sieh dir doch nur an, wie er diese Hecke gestutzt hat. Ist es nicht einfach umwerfend? Ich liebe diesen Mann, er vollbringt Wunder. Ich danke Gott für den Tag, an dem er ihn zu uns geschickt hat!“
„Vielen Dank gnädige Dame, stets zu Diensten.“
 



 
Oben Unten