(F) Human Soul Saver (Legnas Wiederkehr)

Rub.

Mitglied
Zufrieden steckte er sich eine Zigarette an und beobachtete den aufsteigenden Rauch. Wohlig stöhnend legte er sich in seinem schweren, dunkelbraunen Ohrensessel aus festem Leder zurück und legte die Füße auf den riesigen, wuchtigen Schreibtisch.
Seine Blicke streiften durch das geräumige Büro, hefteten sich einen Moment an die Gedenktafeln der unheiligen Seelen, die in seinem Dienst ihr Dasein verloren und dachte den Bruchteil einer Sekunde an Lühr.
Lühr, die mit ihren irren Augen und dem wildem Haar an manchen Tagen in seine Büro stürmte und ihrem wirrem Geplapper seinen Tag versüßte.
Seine Gedanken streiften die Gesichter der vielen Schattenwesen, sahen für Augenblicke ihre Augen, ihr Lippen und ihre dunklen Seelen.
Es war wieder einmal soweit.
Lange hatte er auf diesen Tag gewartet, geduldig wie die Ewigkeit in der er lebte, stark wie die Person, die er verkörperte.
Langsam beugte er sich nach vorn und drückte den Knopf der Gegensprechanlage.
„Jüley?“
„Sir?“, ihre Stimme, fest aber bestimmt. Fragend und wartend darauf, dienen zu können.
„Pack doch bitte meine wichtigsten Sachen zusammen. Ich werde auf die Reise gehen.“
„Ja Sir. Wird es ein längerer Aufenthalt, Sir?“
Lutz schloß die Augen und sah sie an ihrem Tisch sitzen. Zwischen Ausgangspapiere und Anträge auf Seelenaufbereitung. Zwischen hundert Jahre alten Verträgen, die er irgendwann einmal mit Menschen abgeschlossen hatte, die er dann wieder vergessen hatte.
„Sir?“
Die Stimme seiner Sekretärin holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück und er schmunzelte.
„Ich glaube, es wird ein längerer Aufenthalt, Jüley. Ich glaube, es wird ein wirklich langer Aufenthalt.“
„Dann werde ich es veranlassen, das ihnen an nichts mangelt. Wohin gedenken sie zu Reisen, Sir?“
Das leise Rauschen der Gegensprechanlage verursachte wie immer leichte Kopfschmerzen bei Lutz.
„ Deutschland, Westfahlen.“
Wieder ein leises Knistern.
„Bedenken Sie bitte die Jahreszeit, Sir. Es ist kalt dort Ich werde dafür Sorgen, das Sie warme Sachen mitbekommen.“
Lutz lächelte wieder.
„Ist gut, Jüley. Mach, was du für Richtig hältst.“
Der rauschende Unterton brach abrupt ab, als Jüley den Knopf auf ihrer Seite los ließ.
Lutz saß noch ein paar Sekunden mit dem Finger auf dem Knopf da.
„Jüley?“, fragte er vorsichtig.
„Sir?“
„Ich wüßte nicht, was ich ohne Dich machen sollte, weißt du das?“
„Das weiß ich doch, Sir.“, ihre Stimme klang, als würde sie lächeln.


Das Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der oberen Sphäre und verursachte einen heiden Aufruhr.
Lichtwesen und Leitende, Boten und Ausbilder, Fänger und Packer, alle waren, gleich welchem Status sie angehörten auf das Unglaublichste gefaßt.
Wie ein Kettenbrief wanderte die Nachricht hinter vorgehaltenen Händen und mit flüsternden Stimmen von Ohr zu Ohr und brachte richtig Schwung in das Leben.
Obschon nach einigen Anfragen besorgter Lichter und Leitenden an die führenden Kräfte der Chefin immer wieder dementiert wurde, das etwas an den Gerücht dran sei, wurden die Anspannungen in der Human Soul Saver Team Zentrale deutlicher.
Die Leitenden ließen ihre Lichtwesen rund um die Uhr bewachen und forderten für die Boten Geleitschutz.
Und nachdem einer der Boten auf der Erde beschwörte, die Sichtung gemacht zu haben, kam man zu der Entscheidung, das eine öffentliche Versammlung von Nöten war.
Unverzüglich nach diesem Beschluß wurde die große Halle der Heiligen hergerichtet, in Eile Sitzgelegenheiten organisiert und Essen und Getränke bereitgestellt.
Es war amtlich.
Der Teufel selbst hatte die Hölle verlassen.


Der große und hohe Saal war zu Platzen überfüllt. Überall drängelten sich die Mitglieder der HSS Gesellschaft und die Bewohner der Sphäre durch die Tore und standen oder saßen an jedem nur irgendwie möglichem Platz.
Legna war klug genug gewesen, sehr früh aufzubrechen und sich einen guten Platz ganz vorne am Podium zu sichern.
Nach einer halben Ewigkeit, und begleitet von flüsternden Stimmen und gelegentlichem Husten betrat eine offizielle Sprecherin der HSS das Podium aus weißem Stein und klopfte unbehaglich auf das aufgestellte Mikrophon.
„Test, Test!“, sagte sie und ein grelles Pfeifen gellte durch die Halle.
Erschrocken blickte die kleine, ältere Dame in die Reihen und hustete verlegen.
„Ruhe, bitte. Bitte, meine Damen und Herren.“
Langsam senkte sich der Geräuschpegel und die Augen von Hunderten, gar Tausenden richteten sich auf sie.
Legna reckte ihren schlanken Hals um über einen kleinen Jungen, der gerade eine Ausbildung zu einem Lichtwesen machte, hinweg schauen zu können.
„Wie Sie sicher schon alle.......“, begann sie.
„Lauter!!!“, rief jemand aus den hinteren Reihen.
„WIE SIE SICHER ALLE SCHON GEHÖRT HABEN; HABEN WIR DIE BESTÄTIGUNG BEKOMMEN, DAS DER TEUFEL DIE HÖLLE VERLASSEN HAT.“
Ein aufgeregtes Murmeln und Wispern zog sich sogleich durch die Menge.
„BITTE! ES GIBT ZUM JETZIGEM ZEITPUNKT KEIN GRUND ZUR UNRUHE!“
Die kleine Frau schaute durch die Reihen und sah die besorgten Gesichter.
Ein Lichtwesen hob die Hand und stand auf: „ Wie sollen wir uns schützen? Was für Maßnahmen werden getroffen, um die Boten mit den Seelenlieferungen zu schützen?“
Wieder aufgeregtes Murmeln. Hier und da sah man ein Wesen zustimmend nicken.
„ WIR WISSEN JA NOCH NICHT EINMAL, WIESO ER AUF DIE ERDE GEKOMMEN IST: ES LIEGEN UNS ZUR ZEIT KEINE BERICHTE VOR, DIE HINWEISE ENTHALTEN.“
Eine Leitende stand auf ohne die Hand zu heben: „ Wenn sie Hinweise bekommen, kann es zu Spät sein. Wir können nicht erst reagieren, wenn schon was passiert ist!!“
Klatschen, zustimmendes Nicken und der Sitznachbar der Leitenden klopfte ihr heftig auf die Schulter. Legna sah es und schüttelte den Kopf.
„Wichtigtuerin“, raunte sie ihrem Sitznachbar ins Ohr und er nickte grinsend.
„ WIR HABEN SCHON PLÄNE MIT DENEN GEWÄHRLEISTET IST; DAS DER TEUFEL RUND UM DIE UHR BESCHATTET WIRD.“
Die Frau holte einmal tief Luft und nahm dann von einem Helfer einen Stapel Papier entgegen. Lächelnd bedankte sie sich.
„Ich habe hier......“
„LAUTER!“
„ICH HABE HIER DIE LISTE VON GRUPPEN, DIE AN DER BESCHATTUNG BETEILIGT SIND. ICH WERDE SIE NUN DURCH DIE REIHEN GEBEN UND JEDER NIMMT SICH EIN EXEMPLAR. DARAUF STEHEN DIE NAMEN UND DAS AUFGABENGEBIET: BITTE MELDEN SIE SCIH DARAUF HIN BEI IHREM TOR UND STELLEN SIE DIE GRUPPEN ZUSAMMEN.....“
Der Stapel war bei Legna angekommen, sie nahm sich ein Blatt herunter und gab es weiter.
Flüchtig warf sie einen Blick darauf und wandte sich dann wieder der Frau zu.
„ SOBALD WIR WISSEN; WAS DER GRUND SEINES AUFENTHALTES IST; WERDEN UMGEHEND REAGIEREN UND :::WAS AUCH IMMER:: AUS DER GEFAHRENZONE BRINGEN.“
Ein Mann kam zu ihr und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie nickte.
„MEINE DAMEN UND HERREN, GERNE WÜRDE DIE CHEFIN SELBER NOCH EIN PAAR WORTE AN SIE RICHTEN.“
Legna blickte interessiert auf. Es war eine unglaubliche Gelegenheit die Chefin zu sehen. Normalerweise war das nicht der Fall und wenn man Glück hatte schaffte man es mit seinem Anliegen bis zur Chefsekretärin.
Eine schlanke, hochgewachsene Frau mit leicht gebräunter Haut und dunklem Haar, das zu einem praktischem Pferdeschwanz gebunden war, betrat das Podium und stellte sich vor das Micro, das viel zu klein für sie eingestellt war. Hektisch kam ein Mann angelaufen und stellte es höher.
Mit einem ernstem Gesichtsausdruck nahm die Frau eine Brille aus der Brusttasche ihrer Weste und setzte sie auf die Nase.
„Liebe Mitglieder der HSS Gesellschaft.“
Niemand schrie, sie solle lauter reden.
„Ich weiß, das wir schon sehr harte Zeiten zusammen durchgemacht haben. Wieder und wieder ist es unserem verehrtem Konkurrenzunternehmen gelungen, uns wichtige Schritte zurück zu drängen.
Viele Jahrtausende nun schon sind wir bemüht, den Seelen, die wir vertreten, ein angenehmes und sicheres Dasein in der menschlichen Hülle zu ermöglichen. Auch jetzt werden wir wieder alles darum geben, unsere Lebensaufgabe zu erfüllen.
Wir werden wieder einmal kämpfen, so es notwendig ist, und wir werden Siegen!“
Bedeutungsvoll schaute sie auf und ließ ihre Blicke über die vielen Gesichter schweifen.
„Wir haben so manche Schlacht verloren, meine Mitstreiter, doch letztendlich werden wir den Krieg gewinnen.“
Damit schritt sie von dem Mirco weg und setzte die Brille wieder ab.
Ein tosender Applaus ging durch die Menge.

***

Während die große Chefin auf einer weißen Bühne stand und eine Rede hielt, saß Lutz seelenruhig in einem kleinem , gemütlichem Café und bestellte sich einen Cappuchino mit Sahne.
Geradezu betäubt von den Menschenmassen auf den Straßen und den waberten Auren um sich herum fühlte er sich so jung wie nie zuvor in seinem Leben.
Genüßlich beobachtete er eine junge Frau die sich die Lippen vor einem kleinen Handspiegel nachzog, schaute einen Mann zu, der sich zum wiederholten Male zwischen die Beine griff und lächelte über einen Jungen, der seiner kleinen Schwester an den Zöpfen zog, bis sie weinte.
Die dicke Bedienung mit Hochsteckfrisur und pickeligem Gesicht brachte ihn seinen Cappuchino und legte ihn seine Rechnung mit auf den Tisch.
„Macht vier füfzig, Herzchen“, sagte sie im geselligem Ton und lächelte, worauf sie eine Reihe gelber Zähne entblößte.
Lutz kramte seine Brieftasche aus seinem Jackett und legte ihr einen Fünfer auf den Tisch.
„Stimmt so“, sagte er und beobachte amüsiert, wie die Dame den Fünfer in die große Geldbörse steckte und sich dann fünfzig Pfennig herausnahm, um sie in ihrer Hosentasche verschwinden zu lassen.
„Sagen Sie“, fragte Lutz und schaute die Frau dabei tief in die grauen Augen, „Wo kann man denn hingehen, wenn man auf der Suche nach einem günstigem Zimmer ist?“

***

Legna stand nun schon gut und gerne eine volle Stunde am westlichem Tor und wartete mit ihrer Gruppe auf den Durchlaß auf die Erde.
Sie hatte nicht gerade das große Los gezogen und konnte, wie einige anderen, eine direkte Beschattung des Objekts vornehmen, sondern war lediglich dazu abkommandiert worden, Lichtwesen in ihrem Gebiet zu warnen, zu beraten und gegebenenfalls zurück in die Sphäre zu bringen..
Ungeduldig trat sie, wie auch die anderen, die in das Gebiet geschickt wurden, von einem Fuß auf den anderen.
Sirem, eine Leitende wie sie es war, allerdings mit sehr viel mehr Erfahrung, klopfte Legna sanft aber bestimmt auf den kleinen Ansatz ihrer Flügel und lächelte sie liebevoll an.
„Du bist doch Legna, oder?“, fragte sie.
Legna nickte nur.
„Ich habe schon viel von Dir gehört. Du hast mal zusammen mit einem aktivem Lichtwesen einen Jäger zerstört, oder?“
Legna nickte wieder nur.
„Du hast bestimmt viel Kraft. Wie oft warst du denn schon Unten?“
Legna schaute Sirem in die Augen und plötzlich wurde ihr bewußt, wie ernst die Lage war.
„Ein Mal“, flüsterte sie kaum hörbar.
„Ein Mal?“, wiederholte Sirem fragend und zog die Augenbrauen zusammen.
„Dann muß die Chefin aber viel von Dir halten, wenn du bei so einem Einsatz dabei bist.“
„Ich werde als erstes mein Lichtwesen besuchen,“ sagte Legna und dachte an Kavie. Kavie mit ihrer witzigen Zahnlücke und ihrer Liebe zu einem Schattenwesen.
Mit ihrer Stärke und ihrem Mut wie einer Löwin.
Ohne sie hätte Legna nie den Jäger besiegen können, ohne sie nicht, und auch nicht ohne Maric.
Maric, dem sonderbarem Schattenwesen.
Plötzlich kam Legna ein Gedanke. Vielleicht waren es nicht ihr Qualifikationen, die sie zu diesem Einsatz brachten, sondern vielmehr ihre Kontakte.

„Bitte treten Sie nun an das Tor heran und machen sie sich für den Durchgang bereit“, forderte sie ein freundlicher Helfer auf und schickte sich an, ein paar mitgebrachte Gepäckstücke über ein Förderband durch das Tor zu schieben.
„Bitte, die Dame“, sagte er zu Legna und führte sie an das Tor.
„Wir sehen uns gleich unten!“, rief Sirem ihr zu und im selben Moment trat Legna hindurch.......

***
....und erschrocken stellte er fest, wie sich mitten im Nichts ein Loch in der Luft öffnete. Begleitet von einem hellen, silbrigem Licht trat eine wunderschöne Frau heraus und ihr wundervolle, glänzendes Haar war umgeben von tanzenden Funken und ein unglaubliches Strahlen ging von ihr aus.
„Hey, Herbert, wach auf.“ heftig begann er seinen Kumpel und Saufkumpanen zu schütteln, der hier mit ihm Tag für Tag am Busbahnhof lag und auf bessere Zeiten hoffte.
Doch Herbert wachte nicht auf. Seine Flasche im Arm war er im vollkommen besoffen weggepennt.
Speichel tropfte von seinen dicken Lippen und sein schmutziges Gesicht hatte einen friedlichen Ausdruck angenommen
„Man, das glaubt mir doch kein Mensch“, sagte er als er sah, wie einige Gepäckstücke durch das Loch kamen und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche billigem Fusel.

***

Legna fand sich auf den Busbahnhof wieder und freute sich, wenigstens nicht fremd zu sein hier. Ihre Blicke schweiften automatisch zu dem etwa zweihundert Meter entfernten Apartmenthaus, indem Kavie vor etwa einem Jahr noch gewohnt hat, bevor der Jäger kam und Kavie und sie das Gebäude mit gesammelten Energien einseitig in die Luft gejagt hatten.
Nun sah es von hier so aus, als wäre der Schaden längst behoben und vermutlich wohnte schon wieder jemand darin.
Jemand trat hinter ihr durch das Tor.
„Na, schon den Zielpunkt gestoppt?“, fragte Sirem und deutete auf zwei Penner die an der Hinterwand des Bahnhofs lagen und wahrscheinlich so voll waren, das sie eh nichts mitbekommen würden.
Legna zuckte die Schulter.
„Ok, stoppen wir den Zeilpunkt.“
Legna hob beide Hände mit den Innenseiten nach oben und augenblicklich begannen Lichtpunkte wie kleine, glitzernde Sterne aus allen Himmelsrichtungen zu ihr her zu strömen.
Sie packte sie mit ihren Händen und entließ sie in Richtung der beiden Penner.
Wie eine Blase hüllten sie die beiden ein und zauberte eine unsichtbare Wand um die Beiden, die von diesem Augenblick an nicht mehr fähig waren, Legna oder die Aktivitäten des Tores zu sehen.
„Wie lange?“, fragte Sirem und hinter ihr betrat schon die nächste leitende die Welt der Menschen.
„Vierzig Minuten müßten reichen“, antwortete sie. „Danach löst sich das Kraftfeld wieder auf.“
Legna wandte sich ihrem Gepäck zu und packte sich ihre keinen, handlichen Koffer und machte sich auf den Weg.
„Hey Legna, wohin des Weges?“, rief Sirem ihr hinterher.
„Sollen wir nicht erst mal irgendwo zusammen hingehen, etwas Essen und uns dann beraten?“
Legna schüttelte den Kopf.
„Ich weiß schon, was ich zu tun habe. Ich suche mein Lichtwesen.“
Sirem stöhnte und zuckte mit den Schultern.
„Dann mach doch, was du willst“, maulte sie.


Legna machte was sie wollte, darin war sie geradezu Experte. Zielstrebig ging sie die ihr noch bekannten Straßen entlang, bis sie fand, was sie suchte. Eine Telefonzelle, noch vor einem Jahr das Sonderbarste auf weiter Flur für sie, stand zwischen einem Schnellimbiß und einer Autovermietung.
Ein junger Mann, höchstens zwanzig, war darin und gestikulierte wild mit den Händen, während er laut in die Muschel sprach.
„....dir gesagt, das ich nichts mit ihr habe und.....“, nahm Legna bruchstückhaft Teile der Unterhaltung war.
Zaghaft klopfte sie an das schmierige Glas.
Der Mann drehte ihr zornig das Gesicht zu und zeigte ihr den Mittelfinger.
Legna schnappte nach Luft. Seine graue Aura vibrierte vor Wut und Verzweiflung und Legna sah rote Flecken auf seinem Gesicht erblühen.
Legna lächelte, klopfte wieder und öffnete die Tür einen Spalt breit.
Gerade als der Mann, der sie erbost anstarrte, etwas sagen wollte, das sicherlich nicht jugendfrei gewesen wäre, tippte Legna ihn mit dem Zeigefinger auf den Oberarm.

***

Jefrey war echt fertig. Erst behauptete Jenny steif und fest sie hätte ihm mit der Schlampe Maria auf der Zeltparty letzte Nacht rumknutschen sehen, dann schmiß sie ihm nach dem Streit auch noch raus und jetzt, wo sie das erste mal ans Telefon ging, steht diese blöde Fotze vor der Tür und nervt ihn.
Und damit nicht genug, jetzt öffnete sie auch noch die Tür.
Wollte die ein paar ins Maul oder was iss?
Gerade als Jeff drauf und dran war, seine Hand zur Faust zur ballen, um dieser blöden Schlampe, die da vor der Tür steht, eine reinzudonnern, berührte sie ihm mit einem Finger.
Wohlige, unglaublich wohltuende Wärme bereitete sich schlagartig von der Stelle aus, wo sie ihn berührte.
Es durchdrang seinen Körper, durchflutete regelrecht sein Herz und umklammerte all seine Wut und seine Verzweiflung.
„Weißt du, ich liebe dich, Jenny“, sagte er leise in den Hörer und legte auf.

***

Wie erwartet verrauchte die Wut des Mannes und er legte auf.
„Besser du gehst jetzt zu ihr“, schlug Legna vor, „bring ihr doch ein paar Blumen mit.“
Jeff starrte die junge Frau an und konnte nicht glauben, wie schön sie war.
„Ja, das mache ich, ich bringe ihr Blumen mit.“
Legna lächelte und strich ihn sanft über die Schulter, bevor sie in die Zelle ging und im Telefonbuch nach Kavies neuer Nummer suchte.

Nach dem Vorfall der sich im Jahr davor ereignet hatte, war Kavie dazu gezwungen, eine neue Wohnung zu nehmen.
Nicht nur, das ihr Vermieter eine gewisse Abneigung gegen sie entwickelte, nachdem das halbe Inventar der Wohnung durch die Wand nach draußen gebrochen war, nein, natürlich mußte es auch nur zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen ihm und Maric kommen.
Maric war etwa so stark wie zehn Menschen und ihr Vermieter machte einen unglaublich überraschten Gesichtsausdruck als er von Maric etwas zwei Meter fünfzig durch den Hausflur geworfen wurde.
Nichts desto trotz bekam Kavie ihre Kaution tatsächlich wieder.
Schließlich fiel das kleine Dilemma in die Zuständigkeit der Versicherungen.
Leider konnten die Beiden nicht zusammen in Marics Wohnung ziehen, da dieser immer noch in Ungnade bei Lutz, seinem ehemaligem Arbeitgeber stand und der nicht gewillt war weiterhin die Miete für die Wohnung zu bezahlen, nachdem Maric erst eine Kollegin und dann noch den Jäger auf dem Gewissen hatte. Nicht, das er alleine Schuld daran trug, aber aus irgendeinem Grund war Lutz der Jäger, der viele hundert Jahre für ihn gearbeitet hatte, ans Herz gewachsen.
Schade drum.
Nun lebten Kavie und Maric in einer kleinen zwei Zimmer Wohnung am Dorfrand. Unerkannt von den Menschen und natürlich ohne das Wissen der HSS Gesellschaft, das die beiden zusammen waren.
Legna hatte es seinerzeit so gedreht, das die Gesellschaft der Meinung war, Maric wäre entkommen.
Doch nun, da sie für diesen Einsatz eingeteilt worden war, war sie sich nicht mehr sicher, ob die Gesellschaft wirklich so unwissend war, wie sie tat.

Legna brauchte nicht lange um die Nummer von Kavie zu finden.
Sie nahm den Hörer, wählte die Nummer und wartete geduldig, bis der Anrufbeantworter am anderen Ende der Leitung ansprang.

HALLO....LEIDER BIN ICH NICHT DA. HINTERLASSE EINE NACHRICHT UND ICH RUFE DICH ZURÜCK. BY!---

Legna machte den Mund auf, um etwas zu sagen, entschied sich dann aber doch dagegen.
Besser, sie machte sich gleich auf den Weg.
Je mehr sie darüber nachdachte, warum Lutz auf die Erde kam, desto mehr beschlich sie ein furchtbarer Verdacht.
Vor allem, wenn man bedachte, wo er war.
Hier, in dieser Stadt.

***

Lutz sah das Ganze nicht so wild, wie die Gesellschaft zur Rettung der Menschlichen Seelen. Ganz im Gegenteil. Er hatte sich etwas in den Kopf Gesetz, und er war fest Entschlossen, seine Sache in die Tat um zu setzten.
Es gab neues Personal zu rekrutieren.
Und niemand anders sollte den Jäger ersetzten, als der, unter dessen Augen er starb.
Niemand anders sollte den Platz des Jägers einnehmen, als Maric Teves. Und Lutz würde dafür Sorgen, das alles nach seinen Vorstellungen laufen würde.
Er persönlich würde Maric dorthin zurück bringen, wohin er gehörte.
Würde eines seiner Kinder nach Hause bringen, um ihn in dem Schoß der Familie wieder Willkommen zu heißen.
Nach einem Jahr des Grolls gedachte er, ihn zu verzeihen.
Und auch wenn der Preis seiner Gnade hoch war, er war sicher, Maric würde ihn bezahlen. Ob er es wollte oder nicht. Sein Kostbarstes würde er fordern.
Und Maric würde zahlen.
Fröhlich pfeifend hing Lutz diesen Gedanken nach, während er in einem schäbigem Bad eines schäbigen Hotels stand und sich die Zähne putze.
Er spuckte aus, wusch sich den Mund und betrachtete zufrieden sein Spiegelbild. Sein dunkel, kurzes Haar zeigte in dieser menschlichen Hülle schon erste graue Stellen an den Schläfen und um seinen herzlichen Augen lagen ästhetische Lachfältchen.
Seine grünen, offenen Augen erweckten den Eindruck eines unkomplizierten und freundlichen Menschen.
Es klopfte an der Tür. Erst zaghaft, dann ein wenig fordernder.
„Komm rein!“, rief Lutz und legte sich gemütlich auf das knarrende Bett, die Arme hinter den Kopf verschränkt und die Beine übereinander geschlagen.
Die Tür wurde geöffnet und ein hagerer, hoch gewachsener, pickeliger Junge betrat vorsichtig das Zimmer.
Es war ihm sichtlich unangenehm hier zu sein.
Lutz sah ihn mit freundlichen Augen an und grinste.
„Und?“, fragte er.
„Ich habe die Adresse“, sagte der Junge und versuchte, nicht in diese grünen, ewigen Augen zu schauen
Lutz lachte herzhaft.
„Wunderbar, mein Junge“, sagte er und ein breites, sonniges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Es ist Showtime“, lachte er fröhlich und das grün seiner Augen wurde dunkler, als würde Rauch in ihnen leben.

***

Maric staunte nicht schlecht, als er die Tür öffnete und Legna in ihrer ganzen Pracht vor ihm stand.
Verdutz machte er den Mund auf.
„WOW! Hey Leg. Schön dich zu sehen.“
Über Legnas Gesicht huschte ein flüchtiges Lächeln.
„Ich bin nicht hier, um euch einen höflichen Besuch abzustatten. Es liegt etwas in der Luft.“
Maric nickte.
„Ich weiß, aber es ist trotzdem schön, dich zu sehen“, erwiderte er und ohne das Legna die Chance hatte, zu reagieren, zog Maric sie in seine Arme.
Atemlos legte auch sie die Arme um das Schattenwesen und Tränen brannten unter ihren Lidern.
„Es tut so gut, wieder hier zu sein“, schluchzte sie und drückte ihn fester an sich.
„O.K..O.K..“, schnaufte Maric gedämpft.
„Du kannst jetzt wieder loslassen!“

***

Kavie fiel ihr genau so um den Hals, wie Maric es getan hatte. Überschwenglich drückte sie sie, küsste sie links und rechts auf den Wangen und kreischte vor Freude und Vergnügen.
Wie wild sprang sie umher und quiekte fröhlich wie ein Schweinchen.
Zu Schade, das Legna ihre Freude schnell trüben mußte.
„Was meinst du damit? Lutz ist hier?“, fragte sie und legte ihre Stirn in Falten.
Maric nahm Kavie in den Arm und kuschelte sich in die warme Kuhle an ihrem Hals.
„Was will er denn hier?“, wollte sie wissen.
Legna zuckte die Schultern.
„Offiziell weiß man es nicht. Er soll rund um die Uhr bewacht werden, aber niemand weiß zur Zeit, wo er sich genau aufhält. Nur eines mit Sicherheit.“
Legna machte eine bedeutsame Pause und schaute das Pärchen an. Eng aneinander gekuschelt, als ob die ganze Welt und alles darüber hinaus ihnen nichts anhaben könnte.
„Er ist hier in dieser Stadt“, vollendete Kavie den Satz. Und es klang nicht nach einer Frage.

***

Zur gleichen Zeit, als Kavie und Maric von den unglaublichen Vorfällen erfuhren, wartete ein einsames Schattenwesen Ecke Langestraße und Westfalenstraße auf seine Lieferung dunkler Seelen.
Erst war es ihm gar nicht aufgefallen, weil er nur Einem, später einem Zweitem über dem Weg gelaufen war.
Aber nun, da er hier stand wurde ihm eines Schlagartig klar.
Die ganze Stadt wimmelte von Leitenden und Lichtwesen.
Überall standen sie in Grüppchen herum oder streiften durch die Straßen der kleinen Stadt.
Hier und da wurde er bemerkt und senkte unter dem festen Blicken der Wesen verlegen die Augen.
„Was machen die denn alle hier?“.
Erschrocken fuhr er herum.
Milas, seine Botin stand hinter ihm und hatte ihre Augen auf ein paar Lichtwesen gerichtet, die vor einer Änderungsschneiderei standen und offensichtlich einen Stadtplan in der Hand hielten.
Ramon suchte in der Innentasche seiner Jacke nach seinen Zigaretten.
„Die ganze scheiß Stadt ist voll von ihnen. Sie schwirren überall herum.“
Mit zittrigen Fingern zündetet er die Zigarette an, die er sich zwischen den Lippen gesteckt hatte und atmete den Rauch tief ein.
Irgend etwas geht hier vor, und niemand hatte es für nötig gehalten, die Boten oder die Schatten zu informieren.
Ramon fuhr sich nervös durch das dichte, blonde Haar und ließ die Wesen nicht aus den Augen.
„Ich möchte zu gern wissen, was die hier wollen“, flüsterte er. Milas grinste breit. Ihre stahlblauen Augen leuchteten und ihre Mundwinkel zuckten.
„Na, das muß sich doch herausfinden lassen, oder?“, fragte sie und legte Ramon freundschaftlich einen Arm um die Hüfte.
Ramon starrte sie ungläubig an.
„Was meinst du damit?“
Milas Grinsen wurde breiter.
„Na, die kümmern sich doch gar nicht um uns, Schätzchen.“
Ramon sah sie verständnislos an.
„Du meinst, wir sollte....?“, fragte er.
Milas strahlte und warf einen weiteren Blick auf die Gruppe Wesen, die mit ratlosen Gesichtern über den Stadtplan hingen.
„Ich meine, wir sollten....!“, bestätigte sie und zog kess eine Augenbraue hoch.

***

Legna wurden die Knie weich bei dem Anblick der beiden Liebenden. Sie saßen zusammen auf dem rotem Sofa und ließen in Gedanken versunken ihre Köpfe hängen.
„Was machen wir, wenn er hier auftaucht?“, wollte Kavie wissen.
Legna zuckte die Schultern.
„Das Beste wäre, ich würde dich hier weg bringen. Pack das Wichtigste ein und wir treten durch das westliche Tor.“
Kavies Augen wurden groß.
„Was ist mit Maric?“, fragte sie und nahm die Hand des Schattenwesens in die Ihre.
Legna sah Maric an. Sein rabenschwarzes Haar fiel ihm in die Stirn und unter seinem Pony schaute die intensiven, dunklen Augen hervor.
Legna tat es weh, ihn so zu sehen. Sein ebenmäßiges, hübsches Gesicht. Die vollen, schön geschwungenen Lippen.
Aber dennoch. Es blieb ihr nichts anderes übrig.
„Wir können ihn nicht mitnehmen. Es geht nicht.“
„Nein!“ Kavie stand auf und baute sich vor Legna auf.
„Komm schon, Süße“, Maric faßte ihren Arm, doch sie zog ihn energisch zurück.
Legna blieb sitzen. Im letzten Jahr der Ausbildung hatte sie gelernt, hart zu bleiben und sich nicht von ihren Gefühlen leiten zu lassen.
Alles zum Wohle der Gesellschaft. Zum Wohle der Menschheit.
„Entweder gehen wir alle, oder keiner geht!“, zischte Kavie und ballte die kleinen Hände zu Fäusten.
Legna schüttelte den Kopf.
„Du gehst, Maric bleibt.“
Legna spürte einen deutlichen Stich in ihrem Herzen, als sie es sagte.
„Verdammt Kaverie, ich kann kein totgeglaubtes Höllenwesen mit in die Sphäre nehmen. Das bedeutet für ihn..und vermutlich auch für mich den Tot.“
„Was ist bloß los mit dir?“, brach es aus Kavie heraus.
„Früher hättest du dein Leben aus Spiel gesetzt um uns beiden zu helfen!“
Das reichte.
Legna stand auf und griff mit Katzenartiger Geschwindigkeit über den schmalen Tisch und packte Kavie am Kragen ihrer Bluse.
Maric sprang auf und packte Legna im selben Augenblick an die schlanke Stelle unter ihrem Kinn.
Doch Legna wandte den Blick nicht von Kavies erschrockenen, weit aufgerissenen Augen.
„Ich habe meine Existenz für euch auf Spiel gesetzt“, zischte sie.
„Weißt du noch? Vor knapp einem Jahr war das. Wir hätten alle draufgehen können. Ich hätte Maric genauso gut hier verrecken lassen können.“
Legna fühlte, wie die kalte Hand unter ihren Kinn losließ und sah aus den Augenwinkeln, wie Maric ins Schlafzimmer ging und die Tür hinter sich schloß. Ungeachtet dessen hielt sie Kavie wie in Schraubzwingen, so das ihr Tränen in die Augen stiegen.
„Fahr doch selbst zur Hölle“, sagte Kavie tonlos und eine Träne löste sich von ihrem unteren Wimpernkranz.
„Ich dachte, du würdest uns helfen“
„Das tue ich, Kavie“, sagte Leg und schaute ihr streng in die Augen.
„Zumindest versuche ich es.“

***

Lutz liebte es.
Die Straßen waren voll von ihnen und alle liefen an ihm vorbei. Er kannte ihre Tricks, aber sie nicht seine.
Das war das Gute an der ganzen Sache.
Er sah ihre Auren, fühlte ihre hellen Präsenzen und konnte ihren süßlichen Duft riechen.
Doch er war für sie nicht sichtbar. Nicht, das sie gar nichts sahen, doch wenn er an ihnen vorbei lief, mit einem Lächeln auf den Lippen, dann sahen sie nichts als einen Menschen.
Nichts als einen Mann der die Straßen dieser Stadt entlang lief.
Er sah sie in Grüppchen an Ecken stehen, sah sie einzeln in Cafés sitzen und sich suchend nach ihm umschauend.
Sie alle, mit ihrer ganzen Kraft und ihrem ach so ewigen Leben, sie waren nicht in der Lage, die dunkelste Präsenz von allen wahr zu nehmen.
Sie sahen nicht die schwarzen Schatten, die er hinter sich herzog. Sie rochen nicht die Ewigkeit an ihm, und die Ewigkeit in ihm.
Sie klebten ihre Augen auf die Stadtpläne, drückten ihre unwissenden Gesichter um die Ecken und Winkel dieser Stadt, um ihn dahinter zu finden.
Aber sie fanden ihn nicht.
Ihr suchenden Augen waren blind.
Ihre tastenden Hände haltlos.
Er genoß es. Genoß jeden ihrer fragenden Blicke in ihren ratlosen Augen.
Lutz saugte die Luft, die ihm umgab, tief ein und fühlte, wie seine menschlichen Lungen sich füllten.
„Ah, wie ich diese Welt liebe“, sagte er und achtete nicht auf eine junge Frau, die ihn mit großen, panikerfüllten Augen nachsah.
Gemütlich schlenderte er um die nächste Häuserecke und sah suchte einen Moment lang nach Orientierung.
Lachend stellte er fest, das er nun selber gern einen Stadtplan hätte.
„Verdammt...“, fluchte er, suchte nach einem Passanten und fand einen Mann, der auf einer Bank sitzend, sein Gesicht hinter einer Zeitung versteckte.

„Entschuldigung, bitte“, sprach er ihn an.
Der Mann ließ die Zeitung sitzen und sah ihn aus düsteren Augen an.
„Hm?“
„Können Sie mir sagen, wie ich zum Tulpenweg komme?“
„Sie stehen drauf“
Lutz zog verdutzt die Augenbrauen hoch und der Mann lächelte milde.
„Ach“, erwiderte Lutz und schob verlegen die Unterlippe vor.
Der Mann deutete mit einer Handbewegung auf ein Straßenschild, das direkt hinter ihm stand.
„Da steht es, sehen Sie?“
Lutz drehte sich um und merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.
„Das ist mir aber unangenehm“, schmunzelte er.
„Ja, das kann ich mir vorstellen“, sagte der Mann rüde.
Langsam beugte er sich nach unten und sein Gesicht war dem des Mannes sehr nahe.
Verwirrt drückte der Mann seine Zeitung an die Brust.
„Danke sehr“, sagte Lutz mit einem offenem, herrlichem Lächeln, das all seine weißen, sauberen Zähne zeigte.
„Bitte sehr“, sagte der Mann und während er in die Augen des seltsamen Typen schaute, deren Farbe so grün wie eine Wiese waren, färbten sich die Augen dunkler. Nebel lebte in ihnen.
„Sehr gern geschehen“, flüsterte der Mann und machte sich in die Hose.


***


Ramon und Milas hatten sich mit dem Gedanken abgefunden, das es nicht so einfach war, wie sie es sich gedacht hatten.
Es war nicht so sehr das Problem, ein Lichtwesen zu finden, das sie beschatten konnte.
Das Problem bestand darin, nun einer Gruppe von Lichtwesen zu erklären, warum sie sie beschatteten.
„Also?“, sagte Sirem und packte Ramon am Kragen seiner Jacke.
„Was wollt ihr Zwei von uns?“
Ramon sah Hilfe suchend nach Milas, aber die zuckte nur die Schultern.
Eine ganze Weile sind sie hinter einem Lichtwesen hergelaufen und kamen sich dabei richtig cool vor. Ein bißchen wie Detektive, die einen Auftrag hatten. Das ging bis zu dem Zeitpunkt gut, bis sie um einen Ecke verschwanden, hinter der schon eine ganze Meute von Lichtwesen auf sie warteten.
Nun gut, es waren sechs.
Sie packten Ramon und Milas, schoben sie an die nächste Hauswand und nun standen sie da.
Das zornige Gesicht des Wesens vor sich.
Ramon war zum heulen zumute.
„Wir wollten nicht“, stotterte er.
„Ich meine...wir hatten nicht vor...“
Sirem schleuderte ihn mit aller Wucht gegen die Wand hinter ihm und ihm wurde ein wenig flau im Magen.
„Halts Maul!“, schrei sie und sah sich dann um, um zu sehen, ob sich irgendwelche Passanten bereits für sie interessierten.
Ramon stellte mit Erschrecken fest, daß ihm Tränen in die Augen stiegen.
Ein weiteres Lichtwesen berührte Sirem am Arm.
„Hey, das ist ein kleines Licht...oh..oder eher ein kleiner Schatten.“
Sirem sah ihre Kollegin streng an.
„Diese kleinen Wichte hier rennen Dir ne Stunde hinter her und Du glaubst, es steckt nichts dahinter?“
Milas hob vorsichtig die Hand, als ob sie sich in der Schule melden müsste.
„Es war nur ein Gag, wir hatten nichts im Sinn. Wir wollte nur wissen, wieso ihr alle hier seid.“
Sirem und Ihre Kollegin schauten sich an und auf ihrem Gesichter standen Fragen.
„Was wir hier machen?“, wiederholte sie und starrte Ramon verständnislos an.
Milas und Ramon nickten im Gleichtackt.
„NA, wir suchen euren Boss!“ sagte sie. Sie sagte es ganz langsam, damit es auch jeder verstehen könnte.
Milas drückte sich an Ramon und hakte sich bei ihm ein.
„Na, seid ihr da nicht ein bißchen falsch hier? Der Boss ist Zuhause!“
Sirem blickte von Ramon zu Milas und wieder zurück.
„Ihr habt echt keine Ahnung, oder?“, fragte sie.
Ramon und Milas sahen sich an und schüttelten den Kopf.
Sirem legte freundschaftlich einen Arm um Ramons Nacken und Ramon versuchte ein wenig von ihr weg zu rücken.
„Euer Boss ist hier, ihr Intelligenzbolzen.“
„Er ist hier?“, fragten sie wie aus einem Mund und absolute Fassungslosigkeit lag in ihren Augen.

***


Während Ramon und Milas sich den Lichtwesen gegenüber sahen, hatte Legna bereits ein paar von Kavies Sachen aus ihrem Schrank geholt und sie in eine Plastiktüte gestopft.
Kavie protestierte.
„Du kannst das lassen, Leg. Ich gehe nicht ohne Maric.“
Wüst zog Legna einen Pullover aus dem Schrank, betrachtete ihn verwundert und steckte ihn dann zerknüllt wieder zwischen T-Shirts und kurzen Hosen.
„Du gehst, wenn ich es dir sage“, sagte sie tonlos.
„Ich bin deine Leitende und was ich dir sage, ist das Beste für dich“, vollendete sie.
Kavie lachte trocken.
„Du hast dich das ganze letzte Jahr einen Scheiß darum geschert, was mit uns ist.“ Flink trat sie an Legna heran und packte sich die Tüte.
Mit viel Schwung schmiß sie sie in den Flur, und viele der Klamotten, die Leg so liebevoll gestopft hatte, lagen nun auf der Erde.
Legna spürte, wie ihr Gesicht rot wurde.
„Du gehst“, sagte sie leise.
Kavie sah ihre Augen. Sie sah die Wut, den Zorn und die Unbarmherzigkeit, die darin lag.
Aber sie sah noch etwas anderes.
Sie sah Angst.
Pure, unverfälschte Angst.
Und zwischen Bett und Kleiderschrank, zwischen herumliegenden Socken und ungebügelten Hemden begann sie zu weinen.
Haltlos und verzweifelt zu weinen.

***


Maric saß in der Küche und hörte Legna und Kavie erst miteinander streiten, dann Stille und dann ihr weinen.
Jedes Schluchzten verursachte stechende Schmerzen in seinem Herzen.
Müde aber aufgewühlt legte er seine Hände über seine Augen.
Seine Gedanken und Erinnerungen wanderten zu Lutz.
Den Tag, als er ihm das erste Mal gegenüberstand.
Das erste mal, das er ihn sah.
Wie er nach seinem Tot die Augen öffnete und in die seinen sah.
Seine ersten Worte.
„Na mein Kleiner, auch schon wach ?“, fragte er und Maric konnte sich noch genau daran erinnern, wie er sich frech und ohne zu überlegen auf die andere Seite drehte, die Augen wieder schloß und sagte: „ Nur noch fünf Minuten.“
Lutz nahm ihn liebevoll unter seine Fittiche.
Setzte ihn an die Seite eines Ausbilders und machte ihn zu einem Schattenwesen.
Nicht nur zu einer der hilflosen, unheiligen Seelen, die im ewigem Meer ihr Dasein fristeten.
Sondern zu einem seiner Kinder.
Alles hatte er bekommen.
Die Familie war immer für ihn da.
Immer konnte er zu Lutz gehen, und ihm sein Leid klagen.
Und was tat er zum Dank dafür?
Verliebte sich in ein Lichtwesen und verriet seine Mission, seine Familie und seinen Vater.
Maric war sich nicht sicher, woher er es wußte.
Aber eines war ihm klar.
Daddy war auf dem Weg zu ihm.
Oh ja, Daddy war auf dem Weg.
Und diesmal würde er keine fünf Minuten mehr bekommen.

Im Schlafzimmer hörte er wie aus weiter Ferne, das Legna damit begonnen hatte, Kavie zu trösten.
Wahrscheinlich hatte sie seine Liebste in die Arme genommen.
Bedächtig stand er auf, stellte seine Tasse in die Spülmaschine und gab gedankenverloren etwas Klarspüler in das dafür vorgesehene Fach.
Dann ging er in den Flur, nahm seinen Mantel und legte ihn lässig über die Schulter.
Flüchtig warf er einen Blick in das Schlafzimmer, wo Kavie auf dem Bett saß und die Hände vor dem Gesicht hatte.
„Ich liebe Dich“, flüsterte er und ging.

***

Lutz sah ihn aus dem Haus kommen. Er erkannte ihn sofort. Das rabenschwarze Haar, das in wilder Pracht ins Gesicht und auf die Wangen fiel. Den stolzen Gang, die schlanke Figur. Die breiten Schultern.
Der Sonnenschein lag auf seinen weißen Wangen, und zauberte Schatten unter den dunklen Augen.
Lutz lächelte.
Ja, das war eines seiner Kinder.
Schön wie die Nacht. Und ebenso kalt.
Lutz beobachte, wie Maric seinen Mantel von der Schulter nahm und ihn überstreifte. Kurz wandte er das Gesicht zum Himmel und schloß die Augen, um sie vor der grellen Sonne zu schützen.
Maric sah sich um, blickte nach links und rechts und sah dann nach oben, zu einer der Fenster in dem Haus, aus dem er gerade herausgekommen war.
Lutz machte es ihm gleich und folgte seinem Blick.
Dann lief Maric die Straßen herunter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

***

Lutz wandte seinen Blick nicht von das Fenster, in dem eine nette Gardiene hing und das mit Fensterfarben bemalt war.
Fasziniert sah er die hellen Auren durch das Glas wallen.
"Dort oben ist etwas gaaaanz besonderes", schmunzelte er und machte sich auf, Richtung Hauseingang.

***

Kavie bemerkte recht schnell, das Maric nicht da war.
Panisch rief sie seinen Namen durch das Treppenhaus, das ihre Stimme von den weißen Wänden wieder zu ihr zurück warf.

***

Legna nahm die beiden Griffe der Plastiktüte und knotete sie zusammen. Gerade als sie fluchend den Knoten gebunden hatte, schreckte sie hoch.
Sie hörte Kavie Marics Namen rufen, nahm das Klingeln eines Telefons wahr und spürte das Kitzeln einer Haarsträhne auf ihrer Stirn.
Doch das alles war bedeutungslos geworden.
Sie fühlte es so deutlich, als würde jemand einen Dolch in ihre Eingeweide stoßen und ihn drehen und wenden wie einen Fleischspieß.
Die dunkle Präsenz war hier.
Sie war hier und sie war stark.
Sie fühlte die Stärke wie eisige Wellen , die sie überschwappten.
Die unglaubliche Übermacht zwang sie stöhnend in die Knie.
Hilflos klammerte sie sich an ihren Willen, als die schwarze Kraft durch ihren Körper jagte.
"Kavie", flüsterte sie und zwang sich , die Gewalt über ihren gemarterten Verstand zu behalten.
Auf Händen und Knien kroch sie in den Flur, wo Kavie sie mit entsetzten Augen anstarrte.
"Leg!", schrie sie und hockte sich zu ihr.
"Leg, steh auf! Was ist denn?"
Legs Ohren dröhnten. Der Schmerz in ihrem Kopf war unglaublich.
"Hier...", wimmerte sie.
Kavie schüttelte den Kopf...doch dann begriff sie.
"Er ist hier!"
Ihre Stimme zitterte.
Legna krallte sich in Kavies Pullover.
"Du mußt gehen...JETZT!", zischte sie.
"Durch das Tor, das westliche Tor ist offen."
Kavie riß sich los und stolperte rücklings auf ihren Hintern.
Langsam kroch sie zurück, während Legna sich vor Schmerzen wand.
"Nein!", schrie sie und sprang auf.
"Nein! Ich gehe nicht ohne Ihn!"
Kavie drehte sich um und rannte in den Hausflur.
Donnernd knallte sie die Tür hinter sich zu und suchte in ihrer Hosentasche nach dem Haustürschlüssel.
Panisch steckte sie ihn ins Schloß und drehte ihn zwei Mal rum.
"KAVERIE!!!", hörte sie Legna schreien, doch sie scherte sich nicht darum.
Kavie rannte die Treppen herunter und trat Draußen in den wundervollen Sonnenschein.

***

Er sah das schöne Lichtwesen in den Sonnenschein treten und wurde sich bewußt, das sie es sein mußte.
Es heftete viel von Ihm an ihr.
Marics Geruch nahm er an ihr war, schwach, von dort, wo er stand, aber dennoch deutlich genug für ihn.
Lutz sah, wie sie sich umschaute, bewunderte dabei ihr goldenes Haar, das schwungvoll über ihre Schultern fiel.
"Da bist du ja, mein Herzblatt", sagte er und lächelte kalt.
Doch etwas anderes war dort noch. Etwas, das dort oben in der Wohnung zurückgelassen wurde.
Lutz fühlte es. Fühlte, wie es sich unter der Kraft seiner Anwesenheit wand.
"Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein.", stellte er fest und wartete, bis das Lichtwesen, das aus dem Haus gelaufen war, um die nächste Ecke verschwunden war.
Gemütlich schlenderte er auf das Haus zu.

***

Legna konnte nicht mehr klar denken. Alles, was sie ausfüllte, war Schmerz. Er dröhnte in ihren Ohren, jagte durch ihren Körper und krallte sich in ihre Eingeweide.
Und mit jedem Schritt, den Lutz tat, wurde er unerträglicher.
Sie wollte schreien, doch der Schmerz schnürte ihr die Kehle zu.
-Bitte-
Verzweifelt versuchte sie, ihr Denken zu lenken.
-Hilfe, helft mir-
Mit letzter Kraft, die ihr blieb, sandte sie ihre wimmernden, verworrenden Gedanken zu jene, die mit ihr kamen.
Zu Sirem, Ünet und Jada.
-Hier--hier--, schrie sie in Gedanken.
Und als Lutz die Haustür öffnete, ergab sich Legna und schloß die Augen.
Wohltuende Dunkelheit legte sich über ihre gequälten Sinne.
Wunderbare, stille Dunkelheit.

***

Ramon verstand nicht, was los war. Die grantige Leitende, die ihn noch vor zwei Sekunden ihren Arm wie ein Schlinge um Ramons Nacken gelegt hatte, schreckte zurück und hielt sich mit einem gequältem Gesichtsausdruck die Schläfen.
"Was ist?", fragte er.
Milas donnerte ihm ihren Ellenbogen in die Seite.
"Halt den Mund, du Idiot!", fauchte sie.
"Legna....", Sirems Mundwinkel begann zu zucken.
"Sie ist in Gefahr."
Ünet zog sie sanft beiseite. "Wo?", wollte sie wissen.
"Ich empfange nichts", schmollte Jada.
Sirem streckte den Hals und hob die Nase in die Luft, als würde sie eine Witterung aufnehmen.
Legnas Wellen trafen sie sanft, aber bestimmt.
Ungeachtet der beiden Schattenwesen lief sie schnurstracks nach Links, suchte nach ein paar Schritten nach Orientierung, machte kehrt und ging dann doch rechts.
Jada und Ünet schauten sich ungläubig an.
"Hinterher!", schlug Milas vor und huschte zwischen den Lichtwesen hindurch, immer hinter Sirem her.
Jada zuckte die Schultern.
"Ja, los", sagte sie zu Ramon und zerrte ihn hinter sich her.
"Hinterher."

***

Lutz war überrascht, wie kühl das Treppenhaus war. Und wie hübsch es gestaltet war. An den weiß gestrichenen Wänden hingen bunte Bilder von Landschaften oder auch von Blumen. Auf den Fensterbänken standen Vasen und Pötte mit Grünpflanzen. In der Ecke vor Kavies Tür stand ein riesiger Gummibaum mit üppig sattgrünen Blättern.
Verwundert bemerkte er, das der Schlüssel steckte.
Langsam drehte er ihn rum.
Erst einmal, dann ein weiteres mal.
Mit einem gut hörbaren KLACK öffnete sich die Tür.

***

Sirem spürte die Panik in sich aufsteigen. Sie beschleunigte ihre Schritte, je mehr sie Legna fühlen könnte. Hinter sich hörte sie das aufgeregte Stimmengewirr der anderen.
Waren auch die Schattenwesen mit auf ihrem Weg?
Wie zur Bestätigung klopfte ihr Milas auf die Schulter.
"Warte...", keuchte sie außer Atem.
"Ich kenne eine Abkürzung."

***

Lutz trat einen gemächlichen Schritt in die helle Wohnung. Ein wenig Zorn keimte in ihm auf. Obschon auch hier die Präsenz seines Schattenwesens deutlich zu vernehmen war, sah man an der Einrichtung kaum, das hier ein Bote der Hölle leben sollte.
Die Wände waren mit hellen und bunten Tapeten beklebt, die Tepiche waren weich und freundlich. Überall auf Komoden und in Schränken standen kitschige Dinge herum.
Lutz nahm eine kleine Porzelanfigur in die Hand, die eine Katze und eine Maus in inniger Umarmung darstellte und betrachtete sie Naserümpfend.
Dann stellte er sie umsichtig wieder zurück auf ihrem Platz.
Ein leises Wimmern erregte seine Aufmerksamkeit.
Legna lag halb im Flur und halb im Schlafzimmer.
Wie ein Embrio hatte sie sich zusammengerollt und umklamerte zitternd ihre Beine.
Lutz hockte sich lässig zu ihr auf den Boden und strich ihr zärtlich durch das schweißnasse Haar.
"Hallo meine Süße, hast du mich schon erwartet?"

***

Sirem ließ sich durch ein Labirynt durch Gassen und Straßen führen. Obschon sie hier und da Legnas Spur verlohr, wollte sie das Schattenwesen nicht aufhalten, da sie immer wieder den Hauch einer Spur von Leg. wahrnahm.
Das Schattenwesen kannte tatsächlich eine Abkürzung.
Stellte sich nur die Frage, woher es wußte, wohin sie mussten.
Und außerdem.
Warum half es dem Lichtwesen?
Schnaufend rannte sie hinter ihr her und jagte um eine Häuserecke.
Dann stoppte Milas.
"Da!", sagte sie und zeigte mit dem Finger auf ein Haus mit sechs Wohnungen.
Sie hättes es Sirem nicht zeigen müssen.
Sie spürte Leg so deutlich wie nie zuvor in ihrem Dasein.
Aber nicht nur Leg.
Etwas anderes war bei ihr.
"Er ist hier. Hier bei ihr", raunte sie und machte sich für den Kampf ihres Lebens bereit.

***

Ramon hatte so etwas noch nie gesehen. All die Legenden, die er über die Lichtwesen kannte, kamen ihm wieder in den Sinn, als er Sirem zuschaute, wie sie die Hände zum Himmel empor hebte, und von überall aus der Sphäre Licht zu fließen schien.
Direkt in ihre Hände.
Unfassbare Energien sammelten sich und komprimierten sich in einen einzigem Lichtball, der heller schien, wie die Sonne selbst.
Schützend legte er die Hände vor die Augen und merkte, wie er von einem gewaltigem Druck zurück gedrängt wurde.
"Geh aus dem Weg", erklang die Stimme Jadas hinter ihm.
Und als er sich nach ihr umdrehte, durfte er mit Erstaunen das selbe Rytual wieder bewundern.
Langsam lief Ünet an ihnen vorbei und ging Richtung Haustür.
"Macht euch bereit", sagte sie und legte die Hand auf dem Türknauf.

***

Kavie schaute durch die Scheibe den Cafes, in dem sie und Maric sich immer trafen, als sie noch kein Paar waren.
Mit der Hoffnung, sie würde ihn dort finden, schirmte sie die Hände gegen das Glas und lugte angestrengt hinein, als sie eine Frau neben sich rufen hörte:" Schaut euch das an!"
"Mein Gott, was ist denn das??"
Neugirig drehte sie sich rum und folgte den Blicken der Frau und vieler anderer Passanaten, die sich versammelt hatten und mit Fingern zum Himmel zeigten.
Lichtfluten brachen durch die Wolckendecke und jagten wie Düsenjets Richtung Tulpenweg.
"Ach du heilige......

***

"......Scheiße!", sagte Maric, als er die ihm wohlbekannten Lichtströhme am Himmel sah.
Kavie, dachte er und errinnerte sich an die Geschenisse vom letztem Jahr.
Wie automatisch begann er zu rennen.
Es waren gut und gerne zwanzig Minuten Fußmarsch bis nach Hause.
Zehn, denn er rannte, so schnell ihn seine Beine trugen.
Menschen, die auf den Straßen standen und ihre Hälse gen Himmel reckten, stieß er beiseite.
Irgendwo hörte er Autohupen, und das unverweckselbare Geräusch eines Auffahrunfalls.
Ein paar Frauen schrien, als die Stöhme aus Licht intensiver und schneller wurden.
Ladenbesitzter kamen aus ihren Geschäfften und starrten faziniert in den Himmel.
Kinder lachten oder klammerten sich an ihren Eltern, die ihre Kinder fest an sich dückten.
"Das ist bestimmt so ein seltenes Naturphänomen", erklährte ein Mann seiner Frau und Maric mußte unwilkührlich lachen, als er es hörte.

***

Klatsch!
Legna schwankte in ihren Träumen.
Klatsch!
Wieder ein Schlag.
Irgendwo in ihrem Unterbewustsein wurde ein Signal laut, das ihr mitteilte, das ihr Gesicht weh tat.
Unerbittlich wurde sie in die harte Wirklichkeit zurückgerufen.
Lutz beobachtete amüsiert, wie die Leitende zwinkernt und stöhnend die Augen öffnete.
"Hallo!", rief er und schütelte sie unsanft.
"Hey Herzchen, nun komm schon. Ausgeträumt, Schätzchen."
Legna spürte wieder einen harten Schlag auf ihre rechte Wange.
Schwungvoll donnerte ihr Kopf nach links.
Müde und erschöpft starrte sie in das Anlitz, das ihrem so nahe war.
Er lächelte milde und tätschelte ihr das Haar.
"So ists gut. So haben wir doch viel mehr Spaß miteinander, oder?", frage er und strich Legna über die nackte Haut auf ihren Unterarm.
Legna warf den Kopf in den Nacken und schrie, als ihre Haut unter seiner Hand verbrannte.

***


Ünet hörte Legs Schreie und nahm keuchend zwei Stufen auf einmal. Hastig stolperte sie an Kavies Haustür und fiel geradezu in die Wohnung.
Leg saß auf den Boden an der Wand gelehnt.
Ihre Wangen waren geschwollen und hatten eine grün-bläuliche Farbe angenommen.
Aus ihrer Nase und aus einer großen Platzwunde über ihrer rechten Augenbraue lief Blut.
Überall auf ihren Armen hatten sich Brandblasen gebildet.
Manche so groß wie Taubeneier.
Lutz war nicht zu sehen.
Ünet hechtete zu ihr und packte sie unter den Achseln.
Vorsichtig hob sie Leg an, bis sie wankend auf ihren Beinen stand.
"Kom schon, Leg. Wir müssen raus hier."
Leg hing schlaff in ihren Armen.
"Los, helf mir, Leg!", forderte Ünet ihre Kollegin auf.
Tapfer hob sie den Kopf und sah Ünet aus roten und geschwollenen Augen an.
"Ich kann nicht mehr.", krächste sie.
Dann wurden ihre Augen groß.
Glänzend starrten sie an Ünet vorbei.

***

"Wir haben Besuch!", rief Lutz fröhlich, als er Ünet sah.
Überschwebglich breitete er die Arme aus, als wolle er Ünet kräftig drücken.
"Wie wunderbar, nicht war? Jetzt können wir alle drei Spaß haben."
Seine grünen Augen leuchteten.
Ünet ließ Leg los.
Schwankend, aber immer noch aufrecht stand sie.
Ünet drehte sich herum und ballte die Hände zu Fäusten.
"Du wirst dich wundern.", erwiderte sie grinsend und lenkte die Fäuste gen Himmel.

***

Jada und Sirem merkten es gleichzeitig.
Ünet forderte die gesammelte Kraft.
Langsam ließen sie die Hände sinken und hielten sie Richtung Ünet.
Ohne den Bruchteil einer Unstimmigkeit, im absolutem Gleichklang, entließen sie die Kraft aus ihrer Obhut.
Ein mächtiger Ball aus Feuer und Licht jagte durch die Luft schnurstracks in Ünets Richtung.
Mit einer unaufhaltbaren Wucht brach er durch die Fassade des Hauses und erreichte ihr Ziel unerwartet.

***

Absolut unerwartet für Lutz, der mit vor Staunen geöffnetem Mund durch das Fenster einen Ball aus Feuer auf sie zukommen sah, Sekunden, bevor er durch die Mauer brach.
"Was zum Teufel.....", begann er und sah aus den Augenwinkeln, wie Ünet Legna in Deckung zog.
Mit Schwung schubste sie Leg durch die Haustür und spürte nur Augenblicke später, wie der Druck sie beide auf die Treppen warf.
Unkontrolliert polterten sie die ersten zehn Stufen hinunter, um dann auf dem ersten Absatz stöhnend liegen zu bleiben.

***

"Oh Nein! Nicht schon wieder!", reif Kavie, als sie um die Ecke gerannt kam und den Ball aus gleißendem Licht sah, der durch die Fassade des Hauses brach und hinter Staub, Teiler der Mauer und Schutt ein riesiges Loch präsentierte.
Nur, das diesmal nichts von Oben hinunterfiel.
Suchend schaute sie sich nach der Quelle um und fand sie schnell. Immer noch erschöpft von der Anstrengung begutachteten Jada und Sirem ihr Werk.
Kavie hüpfte auf und ab und gestikulierte wild, rudernd mit den Armen.
"Hey! Hey, ihr da!", rief sie.
Jada drehte sich nach ihr um und winkte zurück.

***

Maric sah das Fiasko und stöhnte resigniert.
"Oh Man. So eine Scheiße." , sagte er nach einem Blick auf das Loch, aus dem mittlerweile dicke Rauchschwaden drangen.
Sicherlich brannte auch noch irgendwann darin.
"Hoffentlich diese fürchterliche Couch.", dachte er und grinste.
Er sah Kavie bei den anderen stehen.
Es waren zwei Lichtwesen und zwei..
Hä?
Ja, tatsächlich.
Zwei Schattenwesen standen bei ihnen.
Lächeln ging er auf sie zu.

***

Ünet packte Legna hustend und schleifte sie auf allen Vieren die Treppen hinunter.
Sie würgte und hustete Staub und Rauch aus ihren Lungen.
Trotz der Explosion war es eigenartig still in der Wohnung.
Aber ihr war klar, das sie Lutz nicht damit hatten ausschalten können.
Es konnte sich nur um Minuten handeln, bis er sich gefangen hatte. Bis dahin wollte sie aus dem Haus sein.
Erleichtert stellte sie fest, wie unten die Tür aufgestoßen wurden und Sirem und Jada das Treppenhaus betraten.
"Ünet!", hörte sie Jada nach ihr rufen.
"Hier!", krächzte sie mehr als das sie schrie.
Und während Jada und Sirem unten durch das Treppenhaus rannten, um Ünet und Leg aus der Gefahr zu bringen, hievte sich Lutz an einem in zwei Teile gebrochenem Regal aus dem Schutt.
Mit vor Wut gerötetem Gesicht schaute er durch den Staub auf die geöffnete Haustür.
"Widerliches Dreckstück.", fauchte er und klopfte sich beiläufig den Dreck von seinem Jacket.
"Also so was ist mir ja noch nie vorgekommen.", bemerkte er.
Zielstrebig schritt er energisch zur Tür.

***

Kavie fiel Maric um den Hals und küßte ihn leidenschaftlich.
"Ich hab dich so gesucht. Ich hab mir solche Sorgen gemacht."
Maric drückte sie fest an sich und genoß augenblicklich die Wärme, die von ihr ausging.
"Wo ist Leg?", wollte er wissen.
Kavies Blick wanderte zu dem Haus.

***

Ramon stand in dem Hauseingang und beobachte, wie Milas die ersten Stufen hoch ging.
"Das ist echt das abgefahrenste, das ich je erlebt habe.", staunte er und folgte ihr.
Menschen, die in dem Haus lebten, rannten in Panik an ihm vorbei und stießen ihn beiseite.
Eine alte Frau klammerte sich an das Geländer und rief um Hilfe.
Ramon achtet nicht auf sie und ging an ihr vorbei, um Milas nicht aus den Augen zu verlieren.

***

Ünet sah Jada auf sie zulaufen und war dankbar, endlich Hilfe zu bekommen.
Sie war müde, erschöpft und ausgelaugt.
"Kommt ihr endlich mal. Ich habe schon gedacht, ich müßte hier den Teufel allein besiegen."
Jada lachte und hob Legna ohne Mühe aus Ünets Armen.
"Träum weiter." kommentierte sie.
Gerade als Sirem Ünet helfend unter die Arme Griff, nachdem die Last Legnas von ihr genommen war, erklangen Schritte hinter ihr.

***

Lutz sah zwei weitere Wesen, die ihren Freundinnen halfen.
Das erste Wesen, das sich bei der kleinen Schlampe in der Wohnung befand, war schwer verletzt. Lutz rechnete nicht mehr mit Gegenwehr.
Doch die anderen waren noch stark.
Und sie sahen ihn aus ihren hellen Augen furchtlos an.
Mutig stellte sich eine von ihnen, eine süße junge mit haselnußbraunem Haar und fruchtig rotem Schmollmund ihm entgegen.
"Scher dich zum Teufel!", zischte sie und dann sah sie ihn mit überraschten Augen an, als ihr klar wurde, was sie gesagt hatte.
"Scher du dich doch zum Teufel.", empfahl er und schoß blitzschnell vor um ihren Hals zu packen.
Jada fühlte nur noch, wie die Hand sie ergriff.
Mit weit aufgerissenen Augen wurde sie mit mächtiger Wucht erst nach hinten und dann ruckartig nach vorn geschleudert.
Sie hörte selbst, wie ihr Genick brach.

***

Ünet sah Jada zusammensacken wie einen nassen Sack.
"Nein!", schrie sie verzweifelt und ließ beinahe Legna fallen.
"Du Arschloch!", brüllte sie.
"Du bist besser still, Fotze."
Seine Stimme klang rauh und angenehm.
Ünet drehte sich auf den Absätzen um und rannte mit Legna so schnell sie konnte die Treppen herunter.
"Raus hier!", rief sie Milas zu, die ihr entgegen kam.

***

"Raus hier!", schrie das Lichtwesen und Milas zuckte zusammen.
Sie rauschte an ihr vorbei und Milas bewunderte ihre Stärke.
"Na, wen haben wir den da?", fragte eine Stimme irgendwo über ihr.
Milas blickte hoch und augenblicklich wich alle Farbe aus ihrem Gesicht.

***

Ein Knall schreckt Kavie hoch, als sie sah, wie Ünet aus dem Haus gelaufen kam.
Über ihr zerbrach eine Scheibe des Fensters aus dem Treppenhaus und ein Körper flog heraus.
Gut und gerne zehn Meter weiter donnerte Milas lebloser Körper auf den warmen Asphalt.
Kavie schrie und hielt die Hände vor dem Mund.
Automatisch wollte sie Ünet entgegen laufen um ihr zu helfen.
Sie sah Legna reglos in ihren Armen liegen, blutend und sie konnte Jada nicht sehen.
Panik ergriff und fesselte sie.
"Wo ist Jada?", brüllte sie und setzte zum Trab an.
Maric hielt sie fest.
Ünet brach vor Kavies Füßen zusammen. Sie konnte einfach nicht mehr.
Ihr Herz raste, ihre Lungen brannten.
Von irgendwo hörte sie die Sirenen von Feuerwehr und Polizei.
Menschenmassen hatten sich versammelt und drängten um sie herum.
Mittlerweile hatte sich das Feuer, das der Lichtball in Kavies und Marics Wohnung ausgelöst hatte, ausgebreitet. Flammen schlugen nun auch aus ihrem Küchenfenster.
Das Chaos war perfekt.
Maric sah Ramon aus dem Haus laufen, langsam und wankend in ihre Richtung gehen.
Seine Augen waren starrte, leere Spiegel.
Haltlos fiel er nach vorn auf sein Gesicht.
Eine Eisenstange aus dem Treppengeländer steckte in seinem Rücken.
Hinter ihm trat Lutz durch den Trubel ins Freie.

***

Maric zögerte nicht lange, als er ihn sah. Ohne zu überlegen griff er nach Ünet und sah ihr streng in die Augen.
"Welches Tor ist offen?"
"Das Westliche.", keuchte sie.
Maric packte Legna ins Haar und schleifte sie über den Boden zu einem Auto, das am Straßenrand stand.
Der Fahrer, der dümmlich und mit offenem Mund die Szenerie betrachtet, reagierte viel zu langsam, als Maris die Wagentür aufriß und ihn grob auf die Straße schleuderte.
Er schob Legna in den Wagen und gab Ünet und Kavie ein knappes Zeichen, einzusteigen.

***

Lutz sah die Wesen und Maric in das Auto steigen und war wieder einmal verblüfft, zu was seine Kinder im Stande waren.
Unglaublich, aber er floh.
Er stellte sich ihm nicht entgegen, wie er es erwartet hatte.
Er winselte nicht um Gnade für sein Lichtwesen und er wechselte auch nicht die Fronten.
Nein, er tat das einzig Richtige.
Er brachte die Wesen in Sicherheit.
Dieser kleine, undankbare Wicher brachte sie in Sicherheit.
"Cleveres Kerlchen", murmelte er und sah dem Wagen nach, der mit quietschenden Reifen abfuhr.

***

Kavie schaute zu, wie im Rückspiegel die Szene immer kleiner wurde, während sie Legnas Kopf in den Schoß hatte.
"Wir können nicht mehr zurück.", stellte sie fest. "Nie wieder."
"Du kannst nach Hause.", sagte Maric. "Ich nicht."
Ünet legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Du auch.", sagte sie.

***

Nach 15 Minuten kamen sie am Busbahnhof an.
Maric parkte den Wagen und schaltete die Warnblinkanlage an, damit die Polizei schneller auf ihn aufmerksam wurde.
Ünet stolperte aus dem Wagen und half Kavie, Leg hinaus zu befördern.
Feuerwehrsirenen begleiteten ihr Tun.
"Öffne das Tor.", sagte sie zu Ünet.
"Ich mach das schon."

***

Noch nie hatte er gesehen, wie ein Tor geöffnet wurde.
Offensichtlich war es ganz einfach.
Mit der Hand suchte Ünet eine bestimmt Stelle und konzentrierte das letzte Bißchen Energie, das sie hatte, auf diesen Punkt.
Schon wurde die Wirklichkeit gedehnt und an ihr gezerrt.
Irgendwo im Nichts tat sich ein Loch auf, durch das gleißendes Licht strahlte.
Es wurde größer.
"Zuerst Leg.", bestimmte Kavie und schon sie mit Ünets Hilfe vorsichtig durch das Tor.
"Jetzt du, Ünet." Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.
"Du kommst doch hinterher?", fragte Ünet ein wenig verunsichert.
"Mach dir keine Gedanken."
Ünet schritt durch das Tor und das Licht verschluckte sie.
"Und jetzt du." Maric deutete auf das Tor und grinste.
"Ich weiß, du glaubst, du kannst nicht mit."
"Ein Schattenwesen hat bei euch nichts zu suchen, Kev."
Kavie schluckte.
Sie wußte, sie konnte ihn nicht überreden.
Und sie konnte nicht bleiben.
"Komm und gib mir noch einen Kuss, wer weiß, wann wir uns wieder sehen."
Maric nahm sie in den Arm während das westliche Tor hinter ihnen mit seinem Leuchten lockte.
Er drückte sie fest, Küsste sie und stich ihr über das blonde Haar.
"Mach dir mal keine Sorgen, ich komm schon klar.", flüsterte er in ihr Ohr.
Grinsend schaute sie ihrem Liebsten in die Augen.
"Ich mach mir keine Sorgen", erwiderte sie," denn ich werde auf dich aufpassen."
Flink packte sie ihn an den Ärmel und warf sich kräftig nach hinten.
Verblüfft stellte Maric fest, wie er mit Kavie durch das westliche Tor stolperte.

***

Lutz schmiß sich in seinen Sessel und legte wie Füße auf den Tisch.
Verdrossen und schmollend blickte er aus dem Fenster, das einen direkten Blcik auf das Seelenmeer zuließ.
Schnaufend drückte er nach einer Weile den Knopf der Gegensprechanlage.
"Jüley? Ich bin wieder da."
"Ja Sir, das ist mir nicht entgangen. Ich habe Kaffee gemacht."
"Wodka, Jüley."
"Bitte?"
"Ich möchte Wodka, keinen Kaffee."
"Ganz wie Sie es wünschen, Sir"
Einen Moment sah er wieder aus das Fenster und Tränen brannten in seinen Augen.
Das war erstaunlich.
Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letze mal weinte.
Die Tür wurde aufgestoßen und Jüley trat mit einem Tablett herein, auf das ein Glas und eine Flasche stand.
Schnell wischte Lutz sich über die Augen.
Jüley lächelte freundlich.
"Hier ist ihr Wodka."
Lutz nahm das Glas vom Tablett und Jüley stellte es auf den Tisch.
"Jüley?"
"Ja?"
"Manchmal möchte ich diesen Job nicht mehr machen!"
"Ach Sir.", sagte sie und lächelte.
"Das habe sie doch schon vor 2000 Jahren gesagt."
Lutz grinste.
Jüley lief um den Tisch herum und gab ihrem Chef einen Kuss auf die Wange.
"Und wenn Ihr den Job nicht macht, wer sollte ihn wohl sonst tun?", fragte sie und verließ den Raum.



(Human Soul Saver Teil 3 von 6)
Rubine.
 

flammarion

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Teammitglied
nanu,

ich hatte dir doch was unter den text geschrieben, wo is n das hin? und ne antwort sollte auch hier stehen, laut meinem outlock-express. ick kieke, staune, wunder mir. lg
 

Rub.

Mitglied
Antwort

Hi du,

wahrscheinlich hast du auf den ersten Text geanwortet, das ist ja schon der zweite text über Legna und ihre Freunde.
;-)
Oder hast du das hier etwa auch schon gelesen?
Liebe Grüße
Rub.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ups,

nee, den hab ick noch nich gelesen, mach ick aber bald. jaja, so kann man sich irren, wenn man keen englisch kann. ganz lieb grüßt
 



 
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