(Gedanken-)Bruch

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mImOse

Mitglied
Das erste, was sie sah, wenn sie morgens die Augen aufschlug, war das warme Licht, dass durch das Fenster ins Zimmer hinein schien. Es wanderte langsam durch den Raum. Von der Wand zum Stuhl, auf den Boden und zu ihrem Bett. Schien ihr ins Gesicht. Sie hat das Licht beobachtet, jeden Morgen die Stelle fixiert, an der es die Wand entlang wanderte. Heute schien die Sonne ihr ins Gesicht. Gab ihr Leben, für diesen Morgen, wieder und wieder, jeden Tag.
Sie schlug die Decke beiseite, und stellte sich in den Raum, reckte ihre Hände zur Decke, als wolle sie sie berühren. Und dann zum Boden. Was soll ich anfangen, dachte sie, was soll ich heute machen?
Sie liebte ihren Raum, ihre vertraute Umgebung. Sie versuchte sich zu erinnern. Niemand außer ihr hatte diesen Raum jemals betreten, nachdem sie ihr Kinderzimmer verlassen hatte. Niemand außer ihr.
Sie kannte jede Ecke, jede Unregelmäßigkeit im Fußboden, die Staubschicht auf dem Schrank.
Sie wand sich dem Fenster zu und öffnete es. Ein leichter Luftzug kam herein. Die Luft auf ihrer Haut war warm. Es würde ein warmer Tag werden. Sie blickte aus dem Fenster. Ein Baum, eine Eiche, stand vor ihrem Fenster. Er stand schon immer dort. Einmal sollte er gefällt werden, doch aus irgendeinem Grund war dies nie passiert. Aber das interessierte sie nicht. Nicht mehr. Sie zog ihr Hemd enger an sich, obwohl sie nicht fror. Eine Angewohnheit.
Aber sie wollte nicht den Baum sehen, nicht die Luft spüren, sie wollte ihn sehen. Dafür beugte sie sich weit vor und wand den Kopf zur Seite. Da war er. Lächelte wie gewöhnlich und sah sie mit einem Blick an, den sie schon einige Male versucht hatte zu interpretieren. Es war ein ernster Blick mit einem Zucken an den Mundwinkel, der verriet, dass er lächelte.
Sie setzte sich aufs Fensterbrett und sah ihn abermals an.
‚Ein schöner Morgen, nicht wahr?’ sagte sie und zog ihr Hemd zurecht.
‚Ja. Ich habe das Licht in dein Zimmer scheinen sehen.’
‚Das siehst du doch jeden Tag’, sagte sie, ‚Kommst du heute mit?’
‚Nein, ich kann nicht.’
‚Das sagst du immer.’
‚Es ist wahr.’
Sie trat weg vom Fenster, zurück in ihren Raum. Die Sonnenstrahlen waren inzwischen verschwunden, nur ein helles Licht, in dem Staub tanzte, war geblieben. Einen Moment stand sie unschlüssig im Raum, mit leerem Blick und ließ sich dann zurück in ihr Bett fallen. Jetzt starrte sie an die Decke. ‚Ich kann nicht, ich kann nicht.’ hallte es in ihrem Kopf. Und sie sah das Lächeln. Ihre Hand verkrampfte sich.
Mit dem Wind kam Autogeräusch in den Raum geweht. Sie hatte nur ihn. Sie kannte nur ihn. Plötzlich stieg Wut in ihr auf, heiße Wut, wie Wasser, das anfängt zu kochen und zu dampfen.
Sie spürte sie vom Zeh bis in die Fingerspitzen.
Im selben Moment war sie aufgesprungen, zitternd stand sie im Raum und starrte noch immer gegen die Wand. Langsam ging sie zur Tür, öffnete sie, lauschte. Weit entfernte Stimmen hallten durch ihren Kopf, sie verstand weder, was gesagt wurde, noch wer dies sagte. Sie trat durch die Tür und stand im Freien, die Luft war noch immer warm und bewegt. Sie sah sich rasch um- und entdeckte ihn. Er lächelte noch immer. Aber das Lächeln erschien ihr nicht mehr fröhlich, sondern kalt und spöttisch. Sie rannte auf ihn zu, ohne Anderes wahrzunehmen, ohne zu hören, zu sehen, zu spüren, sie sah nur ihn. Ein großes Lächeln. Kalt und spöttisch.
‚Wieso?’ Der Schrei zerschnitt die Luft wie ein Schwert Stoff. Das Lächeln wurde größer, näher. Sie wollte es auswischen, zerkratzen. Sie trat es mit Füßen, spuckte, kratzte und schlug sich dabei selbst. Bis sie erschöpft zu Boden sank. Papier. In ihren Haaren, auf ihrer Kleidung, unter ihren Fingernägeln. Das Lächeln war verschwunden. Ihre Blicke schweiften umher, ohne die Welt außen wahrzunehmen.
Ruhelos. ‚Du warst der einzige, den ich kannte,’ dachte sie, ‚Der einzige, der für mich da war, immer, ob Tag oder Nacht. Vor meinem Fenster. Warum konntest du nicht mit mir kommen?'
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hä?

wer sind die beiden? spannend erzählt, aber was ist die aussage? zerfetzt sie am ende ein plakat? also, ich komm mit der geschichte nicht klar. lg
 

Zefira

Mitglied
Ja, so ähnlich hatte ich es auch verstanden. Aber an einigen Stellen liest es sich sehr verwirrend, z.B.

>>Aber sie wollte nicht den Baum sehen, nicht die Luft spüren, sie wollte sie sehen. Dafür beugte sie sich weit vor und wand den Kopf zur Seite. Da war sie. Lächelte wie gewöhnlich und sah sie mit einem Blick an, den sie schon einige Male versucht hatte zu interpretieren. Es war ein ernster Blick mit einem Zucken an den Mundwinkel, der verriet, dass sie lächelte.
Sie setzte sich aufs Fensterbrett und sah sie abermals an. Sie lächelte noch immer. <<

Und so weiter. Es sind einfach zu viele "sie". Vielleicht solltest Du aus dem Plakat einen "er" machen oder der Prot. einen Namen geben.

Den letzten Halbsatz würde ich streichen (versteht sich von selbst), und vor allem aus dem letzten Satz die beiden "noch" herausnehmen. Die klingen für mich so, als sei die Prot. unmittelbar darauf gestorben ...

Die Zerreiß-Szene finde ich sehr gelungen, besonders diese EInzelheit, daß die Frau sich dabei selbst schlägt - das macht ihre Verwirrung sehr plastisch deutlich.

lG, Zefira
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

danke für die freundliche aufklärung. es lohnt sich, an der geschichte noch ein wenig zu feilen.
ganz lieb grüßt
 



 
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