(Nicht nur) Am Weihnachtsba-hum die Lichter bräh-nnen...

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Udogi-Sela

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Mit dem letzten Herbststurm ist die bunte Pracht an Bäumen, Büschen und Sträuchern dahin; Sieh: Nur noch kahle Äste, die sich in einen trüben Himmel recken, die nicht gepflasterten oder asphaltierten Wege aufgeweicht und voller Pfützen, die vorherrschende „Outdoor“-Farbe ist ein in nuanciertes olivebraungrau, fein mit andeutungsweisem Gelbockerbeige durchzogen.
Der Menschen Stimmung ist ähnlich, nur dass ihnen ein feines, mit andeutungsweisem Optimismus durchzogenes Gemüt fehlt. Tief in ihrem Innersten schmachten Sie nach Licht, Freude und Zuversicht.
Die Natur gibt jetzt nicht mehr viel her; deshalb beginnt plötzlich ein Wachstum der besonderen Art. Zunächst, noch im Oktober, beginnt es ganz heimlich und fast noch verschämt: Einzelne Lichter leuchten ganz unauffällig an vereinzelten Fenstern. Mit Ausdehnung der Dunkelphasen beginnen sie jedoch zu wachsen, die Ranken aus Licht, die lämpchenbestückten Girlanden. Der größte Wachstumsschub erfolgt Ende November. Kaum ein Haus bleibt verschont. Es bleibt für mich ein Geheimnis, wie das vor sich geht. Mir scheint, das ist so wie das Aufbrechen der Blüten im Frühling, es passiert einfach. Lämpchen kommen scheinbar aus dem Nichts, legen sich um Fenster, über Bäume aller Art, selbst verwelkende Pflanzen in Vorgartenblumentöpfen bleiben nicht verschont. Und mit Zunahme der Lichter beginnen viele sogar ein nervöses Leben, sie flackern, kreisen, laufen hin und her, vollführen Purzelbäume und drehen sich in Spiralen. Weiß genügt nun auch nicht mehr, es glitzert und blinkt in türkis, magentarot oder veilchenviolett.
Der Gipfel der Fenster- und Vorgartenspektakel aber sind die gipfelstürmenden, rotgewandeten Stofffetzen, die an Seilen hängend so etwas wie einen Weihnachtsmann darstellen sollen, es aber über die Kategorie „Roter Putzlappen, verstärkt mit Handschuhen und Stiefeln“ nicht hinaus schaffen. Da baumeln und schaukeln sie, selbst der Wind mag nicht recht an ihnen spielen und verzieht sich nach Grönland.
Kinder sehen gar nicht hin; das ist wie beim Fernsehen, bei der Inflation der Bilder nehmen sie deren Inhalt nicht mehr wahr.

Aber ICH!
„Das ist so furchtbar, ich kann gar nicht mehr wegsehen!“ *

Ich stelle sie mir vor, die Männlein und Weiblein, wie sie heimlich mit Hammer und Zange bewaffnet in unbeobachteten Momenten mit der Bastelei beginnen, Netze mit kleinen Glühbirnchen auswerfen über vertrocknete Büsche und Bäumchen, an Lämpchen drehn und Drähte spannen, wie sie Stromleitungen an Fenstern vorbei durch nasses Gras und feuchte Erde legen, wie sie Kabel um Kabel in den Keller führen, um Energie zu holen für die Lichtlein, auf dass die all überall auf den Tannenspitzen blitzen und leuchten mögen. Wie sie kämpfen mit den Schnüren und Kränzen und Figuren und dem ganzen teuer gekauften Material, sich verheddern und dabei fluchen, dass Gott erbarm.

Ja, und da bleibt noch sich vorzustellen ein Aufsichtsratsvorsitzender eines Energiekonzerns, der sich ob all der hellen Pracht in tiefster Nacht während eines Rundfluges über die Stadt begeistert auf seine Schenkel klopft und kalkulierend überlegt, wie man die sogenannte Adventszeit auf zwölf Monate im Jahr ausdehnen könnte...

Mein Vorschlag zur Güte: In den Vorgärten und Fenstern Lautsprecherboxen installieren, die leistungskräftigen mit viel Volt und Watt, die uns pausenlos in Düsenjet-Lautstärke den immer gleichen Musikkitsch um die Ohren feuern: „Stie-hille Nacht, Hei-lige Nacht (keiner schläft, alles wacht)“ oder „Süßer die Glocken nie klin-gen“ oder „Lei-se rie-selt der Schnee“.

Was war eigentlich noch mal Weihnachten?



* Zitat Wilfried Schmickler
 



 
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