. . . eine Geschichte bitte

Fredy Daxboeck

Mitglied
diese story wurde in der schreibwerkstatt überarbeitet.
danke an alle mitwirkenden.

Es regnete. Seit drei Tagen regnete es ohne Unterbrechung. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und schien nicht gewillt zu sein, sie in absehbarer Zeit wieder zu schließen. Die ganze Welt hatte sich in eine einzige triste graue Unendlichkeit aus Nebel, Regen und Kälte verwandelt, die bereit zu sein schien, das Dorf und alle seine Bewohner für ihre Sünden zu strafen, welche sie auch begangen haben mochten. Der Regen trommelte unablässig in einem nicht enden wollenden Stakkato gegen die Scheiben des niedrigen Hauses, das sich am Ende des Dorfes an den Hang des Berges drückte. Maria stand gedankenverloren an dem kleinen Fenster in der schlecht geheizten Stube und sah in die nebelverhangene Welt da draußen. Sie erschauerte, als sie einen kalten Luftzug verspürte, zog die verschlissene Decke die sie um die Schultern trug, enger um sich und drehte sich widerstrebend um.
"Mein Liebling, wie geht es dir." Ihre Stimme klang sanft und traurig, in einem schleppendem Nasal, als ob sie jedes ihrer Worte genau abwägen müsste. Sie war einmal ein sehr hübsches und sehr lustiges Mädchen gewesen, temperamentvoll, umtriebig und immer in Bewegung, wie ein ausgelassen flatternder, bunter Vogel im Frühling, immer ein lustiges Wort auf den Lippen, ein Lachen im Augenwinkel und einen Streich im Kopf; aber das schien lange her.
Ihre einst leuchtenden blonden Haare waren längst von den ersten silbrigen Fäden durchzogen und ihre ehemals strahlenden blauen Augen waren stumpf und beinahe glanzlos geworden. Nur wenn sie mit ihrem jüngsten Sohn sprach, legte sich ein Hauch ihrer früheren Schönheit auf ihr Gesicht, das sonst verhärmt und müde wirkte. Die hoch angesetzten Wangenknochen, ein Erbe ihrer Vorfahren aus dem hohen Norden, gaben ihrem Gesicht zwar noch immer den Anschein von einem lächelnden Strahlen, das über ihrem Antlitz lag, aber der leicht gebeugte Rücken strafte diese vermeintliche Zufriedenheit Lügen. Sie straffte ihre Schultern, ein matter Abglanz der Energie, die sie einst erfüllte, und ging ihrem Sohn entgegen.
"Du solltest doch im Bett liegen und dich ausruhen, mein Schatz. Du hast ziemlich hohes Fieber und brauchst viel Ruhe und Schlaf." Behutsam nahm sie den kleinen Jungen bei der Hand und führte ihn in sein Zimmer zurück, wo sie ihn in sein Bett steckte und sorgfältig die schweren Decken glattstrich.
"Mir ist so heiß, Mama!" keuchte Julian und fasste sich mit einer hilflos wirkenden Geste an den fiebrig glühenden Kopf. Seine Haare klebten nass und verschwitzt in seinem Gesicht. Seine Augen, groß und glänzend, hingen an den Lippen seiner Mutter. Ihm war schwindlig. Das Zimmer schien ganz sanft zu schaukeln Wie ein kleines Boot das über den Fluss fuhr. Der Kopf pochte schmerzhaft. In einem stetigen Rhythmus aus Klopfen, Verhallen, Klopfen und Verhallen. Wie das Dröhnen der schweren bronzenen Scheibe, die im Gemeinschaftsraum des Dorfes, dort wo sie ihre Versammlungen abhielten, hing.
"Mein armer kranker Liebling", flüsterte die Frau und beugte den Kopf über ihren Sohn. Sanft strich sie mit den Fingern über sein Haar. In ihren Augen standen die Besorgnis und die tief verborgene Angst einer Mutter, deren Kind krank und hilflos vor ihr lag, und die nichts dagegen machen konnte. "Hast du Durst? Ich habe dir Tee aufgebrüht."
Dankbar trank der Junge aus der Tasse, die ihm seine Mutter an die trockenen Lippen hielt.
"Erzählst du mir eine Geschichte?" Bittend sah er sie an, und in seinen fiebrig glühenden Augen stand so viel schlummernde Hoffnung, dass sie es nicht wagte ihm diese Bitte abzuschlagen. "Aber ja doch, natürlich." erwiderte sie zärtlich und streichelte wieder über sein Gesicht und sein Haar. Hastig klopfte Julian mit der flachen Hand auf das Bett und rutschte zur Seite, damit seine Mutter sich bequem setzen konnte. Er lächelte in freudiger Erwartung, und sah still zu ihr auf. Ungeduldig und doch voller Zuversicht. Seine Mutter wusste so viele aufregende und spannende Geschichten aus früheren Zeiten zu erzählen. Ein Lächeln huschte zaghaft über die Züge der Frau und sie setzte sich, leise seufzend auf das Bett des Jungen. Nachdenklich schloss sie die Augen und überlegte. Schließlich, der Junge harrte wortlos und mit vor Aufregung geröteten Wangen auf ihre Worte, begann sie zu erzählen.
Es war die Geschichte von einem Mädchen, einer Schwertfrau, das ihr Volk noch lange bevor römische Soldaten das Land erobern sollten, gegen die Übermacht eines Feindes in den Kampf führte, diesen gewann, und damit das schönste Tal des Landes für ihr Volk erobern konnte.
Julian liebte diese Geschichten aus der Zeit in denen die Menschen noch mit dem Schwert in der Hand um, wie er meinte, edle Ziele kämpften. Er liebte es, wenn seine Mutter von feurigen Rössern und tapferen Kriegern erzählte, und er liebte diese bunten, einfachen Bilder die seine Mutter mit ihren Geschichten heraufzubeschwören vermochte. Da gab es nur Gut und Böse, nur Schön und Hässlich, nur Reich und Arm, und keine komplizierten Zwischentöne und Halbwahrheiten.
Ihre Stimme veränderte sich und klang nun volltönend und klar. Sie schien die beiden, Mutter und Sohn, auf riesige Schwingen zu nehmen und weit mit sich davonzutragen. In eine ferne Zeit. Lange, lange bevor Julian und auch seine Mutter auf diese Welt gekommen waren.
 
L

leonie

Gast
hallo fredy

schön ist sie, deine geschichte. das gefühl der mutter kenne ich nur zu genau. du hast es gut beschrieben.
eines ist ist mir noch aufgefallen. du schreibst: "Du hast ziemlich hohes fieber, ich würde das ziemlich streichen, hört sich besser an. Am schluss hast du sehr oft liebte geschrieben. ich denke das man statt er liebte die geschichten , er mochte die geschichten, oder er liebte die schönen bunten bilder, er genoss die.... schreiben. ich denke so klingt es noch flüssiger und runder.
ganz liebe grüße leonie
 



 
Oben Unten