"Erntezeit" KG von Thom Delißen

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Erntezeit

Marc Teschke schulterte die abgewetzte Sporttasche, in der sich sein Frühstück, auch ein Plastikbehälter mit dem Mittagessen befanden. Seine Frau hatte ihm heute Wiener Würstchen und Kartoffelsalat mitgegeben.
Er seufzte aus den Tiefen seines Brustkorbs, ging dann schlendernden Schrittes auf den weiß getünchten Container zu, wo die Einsatzbesprechung stattfand.
Lange, sehr lange Zeit hatte ihm die Arbeit Spaß bereitet. Ja, er hatte sich stolz gefühlt auf der gigantischen Erntemaschine, die unter ihm vibrierte.
Hatte für sich selbst die Ansicht vertreten, letztendlich etwas für die Menschheit zu tun. Schließlich wurde aus dem Weizen Mehl gewonnen, Grundnahrungsmittel für Milliarden von Menschen.
Ja. Es war immer eine gute Empfindung gewesen.
Seit einigen Wochen fand er aber nur mit großer Mühe, teilweise lediglich durch die Überredungskünste von Jasmin, aus dem Bett.
Einfach weiterschlafen. In Frieden.
Ohne das höhnische Grinsen des neuen Teamleiters.
Er war sich bewusst, es konnte nicht nur an diesem Saftgesicht liegen, doch es schien so einfach, einen Schuldigen zu benennen.
Schon an seinem fünften Tag hatte er Marc bei der Morgenbesprechung vor versammelter Mannschaft gedemütigt.
Er würde wohl schlafen, da oben auf der Maschine. Oder sei er am Ende gar betrunken?
„Du fährst deine Reihen wie ein Sechsjähriger!“, hatte er geschrieen. „Wir haben hier keinen Slalomwettbewerb! Wenn das so weiter geht, setze ich dich auf die X 10.“
Die X 10 war eine Art Staubsauger, der hinter dem Drescher fuhr, um auch die letzten Reste des Kornes einzusammeln. Der Fahrer war ständig von Staubmassen eingehüllt, das Ding war klein wie ein Traktor. Ihm diesen Job anzudrohen, war die schlimmste Beleidigung, die sich Fürmann, so hieß der neue Vorarbeiter, einfallen lassen konnte.
Marc hatte ihn erschreckt angesehen, genickt, den Kopf gesenkt, war in sich selbst gekrochen. Da war er erneut, dieser Eindruck der Minderwertigkeit, den er schon besiegt geglaubt hatte.
Er erinnerte sich an eine Szene aus seiner Kindheit, er mochte damals wohl zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein. Wieder einmal war er mit zerrissenem Hemd und einem blauen Auge von der Schule zurückgekommen. Da war sein Vater, gigantisch groß, über ihm aufragend. Er fühlte sich so klein.
„Verdammt, Sohn! Du musst zurückschlagen! Zurückschlagen, wenn dich jemand angreift, verstehst du nicht?“ Das Bild verschwand.
„Werd zusehen, dass es besser läuft Boss.“ murmelte er undeutlich.
Fürmann hatte es auf ihn abgesehen, soviel wurde deutlich.
Neulich hatte er Teschke angerempelt, als der sich morgens einen Kaffee aus der Maschine holte. Die kochendheiße Brühe ergoss sich über Marcs Hemd.
An einem anderen Tag aß er mittags Spinat mit Rührei.
„Na“, hatte der Boss gebrüllt, „futterst du jetzt schon Babynahrung?“
Er hatte hämisch gelacht, die anderen stimmten natürlich ein, froh, nicht auf seiner schwarzen Liste zu stehen.
Viele andere kleine Dinge waren noch passiert, Sticheleien, Spitzfindigkeiten, über die er gar nicht nachdenken wollte.
Ein paar Mal hatte er sich krank gemeldet, konnte es einfach nicht mehr ertragen, diesen Kränkungen ausgesetzt zu sein.
Das verschlimmerte die Lage nur noch.
Selbstverständlich wirkte sich die Atmosphäre in der Arbeit auch auf sein Familienleben aus.
Er befand sich in einem ständigen Zustand der Gereiztheit, öfters war ihm schon bei den zwei Kleinen und auch bei seiner Frau die Hand ausgerutscht.
Er hatte keinen Appetit mehr, magerte ab, dunkle Ringe zeigten sich unter den Augen, Schlaflosigkeit begleitete seine Nächte.
Das Schlimmste aber war: Er brachte keinen mehr hoch!
Als er an diesem Morgen, gerade noch rechtzeitig in den Bürocontainer trat, waren alle anderen schon da.
Fürmann stand breitbeinig, mit seinem blödsinnigen roten Käppi auf dem nahezu kahlen Kopf, am Tischende.
Er ließ ihm keine Zeit für irgendwelche Erklärungen.
Marc sah, wie sich seine Gesichtsfarbe von dem üblichen Fahlweiß in ein wutent-branntes Rot verwandelte.
„Na, wer ist denn das? Wir dachten schon, der Herr hätte mal wieder Schnupfen und ließe sich krankschreiben!“
Er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Marc Teschke.
„Das war das letzte Mal, Bürschchen, dass du zu spät zur Besprechung kommst. Ich schwöre dir, das nächste Mal kannst du dir deine Papiere holen!“
Marc blickte auf seine Uhr. Es war eine Minute vor sieben. Arbeitsbeginn war um sieben.
Er hob abwehrend die linke Hand.
„Boss …“
„Halt dein verfluchtes, blödes Maul und setz dich mit deinem dreckigen Arsch auf einen Stuhl!“
Das Briefing war schnell vorbei, alle machten sich auf zu ihren Maschinen.
Marc wurde von Fürmann zurückgehalten.
„Hey, Teschke, du Pisser!“ Er zischte es bösartig.
„Ab morgen fährst du den X 10. Leider habe ich heute niemanden für deinen Drescher. Aber ab morgen wirst du mit dem X 10 kriechen. Mit mir spielst du keine Spielchen.“
Er drehte sich um, sprach den letzten Satz gegen die Wand.
„Und jetzt hau ab, genieß den letzten Tag da oben auf deinem Gerät. Ich kann dein Ekelgesicht nicht mehr sehen.“
Marc Teschke biss sich auf die Lippen. Ohne Antwort stampfte er hinaus, schloss die Tür behutsam.
Er arbeitete an diesem Vormittag sehr unkonzentriert, die Reihen, die er aberntete, verliefen tatsächlich nicht sehr gerade, des Öfteren ließ er Zentimeterbreite Linien von Weizen ungeschoren hinter sich.
Die Maschine, die er fuhr, einer der größten Drescher, die auf dem Land-maschinenmarkt zu haben waren, grellgrün angestrichen, ein mächtiges, nahezu drei Meter breites Mähwerk wurde vom Fahrer in luftiger Höhe von vier Metern bedient.
Der Lärm des Motors war bombastisch, man trug Ohrschützer, ganz so wie die Piloten in den Hubschraubern, die im Frühling und Sommer die Pestizide auf den Feldern ausbrachten.
Dann sah er Fürmann, keine fünf Meter entfernt, sein rotes Käppi glänzte im Kontrast zu den hellgelben Stoppeln des bereits bearbeiteten Feldes, an dessen Rand er stand. Er gestikulierte wild mit den Armen, ja, er hüpfte vor Zorn auf und ab.
Und er, Marc Teschke war hier oben, auf dem gigantisch großen, über dem Vorarbeiter aufragenden Drescher.
Fürmann war so klein.
Marc Teschke drehte das Lenkrad.

©TD 112007
 

Retep

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Hallo,

die Geschichte hat mir gefallen. Ein paar wenige Formulierungen klingen für mich etwas merkwürdig:

Er seufzte aus den Tiefen seines Brustkorbs
er ging schlenderten Schrittes
Schlaflosigkeit begleitete seine Nächte.
wutent-branntes Rot
Schreibst du wutenbrannt absichtlich so?

Zentimeterbreite......
Ist das kein Adjektiv?

Land-maschinenmarkt
warum so?

Er gestikulierte wild mit den Armen, [red]ja[/red], er hüpfte vor Zorn auf und ab.
Dieses "ja" bringst du öfter als Verstärkung, finde ich unnötig.


[blue]Marc Teschke drehte das Lenkrad.[/blue]

Die Geschichte so zu beenden, finde ich gut.

Das sind nur Vorschläge, du musst überlegn, ob du sprachlich etwas ändern willst. Es ist schließlich deine >Geschichte, dein Stil.

Gruß

Retep
 

TDTextdesign

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Fehlers

Hallo!

Jo, das sind tatsächlich zum größten Teil Rechtschreibe- bzw.Trennungsfehler. Hat wohl auch mit der Konvertierung zu tun?
Mit dem "Ja" hast du sicher Recht.

Merci bien

:)

thom
 



 
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