Botschafter
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„Schreibe nur über Dinge, die du kennst“, sagte mein Vater jeweils zu mir, wenn er einen meiner Aufsätze zerriss. „Schreibe nur über Dinge, die du verstehst“, pflegte er im hohen Alter zu sagen, wenn meine Arbeiten ihm zwar missfielen, doch wenigstens genügend waren. Längst haben mich diese Sätze überholt. Was kenne ich schon? Und was davon verstehe ich? Ich beginne den Schmerz meines Lebens zu verstehen. Und mit der Erkenntnis beginnt mich die Verzweiflung zu würgen. Irgendwann in meiner Geschichte muss sich die Welt um mich schneller zu drehen begonnen haben. Ich erinnere mich kaum noch an unbeschwerte Tage, an traumhafte Erlebnisse, erinnere mich weder an Liebe noch an das, was man gemeinhin dafür hält. Meine Sinne richten sich nach innen. Auf der Strasse fürchte ich, Fussgänger zu überfahren. Gestern meinte ich schon, es sei soweit...und es rührte sich nichts in mir. Sie schaffte es noch heil auf die andere Seite...wie gerne hätte ich es ihr gleich getan... Ich suche nach dem, was um mich herum war. Es war doch! Freunde, Feste, Fröhlichkeit, doch wo, sag mir wo... Ich trage grau und schwarz. Tat ich sonst nie, glaube ich. Fiel mir gestern auf. Die braunen Doc’s aus London sind mir noch geblieben. London, was habe ich über diese Stadt geschrieben; unendlich bebende Gefühle, Sonnenbilder, traute Regengedanken...was blieb ist der Regen. Die Blätter bleiben leer. Der Erzähler in mir ist tot. Was ich noch habe sind die Traurigkeit und der Körper eines Menschen, der darauf wartet, dass jemand seine Geschichte weitererzählt.