"Zähne sind wie Sterne - abends kommen sie raus"

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Am Anfang war da nur ein witziger Spruch. Dann schrieb ich einen Text dazu, der immer länger wurde. Eine gute Freundin meinte: „etwas zu lang, kürze ihn besser“. Aber ich kürze so ungerne. Lieber schrieb ich zusätzlich eine Kurzfassung. So kann der Leser selbst entscheiden, welche Fassung er lesen will – oder beide?



KURZ-FASSUNG

Also ich gebe es direkt zu: Diesen wunderbaren Kalauer habe ich nicht selbst gedichtet, sondern er stammt aus der alten Kult-Fernseh-Serie „Die Zwei”, mit Roger Moore und Tony Curtis, die berühmt war für ihr Feuerwerk an witzigen Sprüchen.
Die Anspielung auf die „dritten Zähne“, die abends vor dem Schlafengehen rausgenommen werden, als Analogie zu den Sternen, die am abendlich-dunklen Himmel sichtbar werden, finde ich genial.
Ich wollte diesen Spruch unbedingt einmal anbringen, eigentlich nur deswegen schreibe ich diese Geschichte überhaupt. Und ich widme sie „den Zwei“.

Zahnpflege ist heute zu einem Hauptlebensinhalt geworden, ja noch mehr zu einer Religion oder wenigstens Ersatzreligion. Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie, und das Zähneputzen dauert bei ihnen länger als der Sexualakt.
Und warum? Vor allem, weil sie ihre eigenen Zähne lebenslang behalten wollen, bloß nicht „die Dritten“, bloß nie ein künstliches Gebiss, never! So tun sie alles für ihre Zähne, koste es, was es wolle.

Diese Zahn-Freaks haben mindestens 3 elektrische Zahnbürsten und 7 verschiedene Zahnpasten. Gerade der männliche Putzer putzt mit einer Sorgfalt und zugleich Leidenschaft, die sich seine Freundin beim Liebesspiel von ihm wünschen würde. Aber obwohl seine Freundin wirklich ein „steiler Zahn“ ist, mit seinen echten Beißerchen kann sie bei ihm nicht mithalten.

Natürlich darf auch die Munddusche nicht fehlen, mit 5 verschieden Aufsätzen, so dass man mit den Zähnen von Abduschen bis Massieren, Pulsieren und Penetrieren alles durchspielen kann, was auch beim Sex Spaß macht.

Das Wichtigste für den Zahn-Fetischisten ist aber die Zahnseide, gerade bei Frauen. Nur welche Zahnseide ist die richtige? Vor allem über die Frage, ob man besser gewachste oder ungewachste Zahnseide nimmt, gibt es Auseinandersetzungen, die an die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten erinnern. Der Zahn-Profi hat natürlich gewachste und ungewachste Zahnseide, außerdem Ultrafloss und Superfloss. Und er zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt.

Für die zahnbewusste Bürgerin gilt: „nicht ohne meine Zahnseide“. Ohne Reise-Zahnseide verlässt sie nicht das Haus, auch wenn sie nur zum Bäcker um die Ecke geht.
Und falls sie einmal in großem Stress die Zahnseide vergisst, hat sie tagelang solche Schuldgefühle, als ob sie eine Todsünde oder ein Kapitalverbrechen begangen hätte.

Allerdings hat sich manche übereifrige Zahnseiderin auch schon mal mit ihrer geliebten Zahnseide das Zahnfleisch verletzt, so dass es blutet. Sie ist dann so schockiert, dass sie den Notarzt ruft. „Wahrscheinlich habe ich Zahnstein“, schreit sie entsetzt, denn Zahnstein findet sie schlimmer als Aids und Ebola zusammen. Daher ist für so eine Zahnistin der Termin bei der professionellen Zahnreinigung auch wichtiger als der Termin zur Krebsvorsorge.

Und zum krönenden Abschluss des Zahnpflegerituals gibt es immer die Zahnspülung. Am liebsten nimmt der männliche Karies-Kämpfer die Mega-Ultra-Power Spülung, die ist so kräftig, dass einem fast die Zähne rausfliegen oder einem wenigstens der Schaum zu den Ohren wieder rauskommt.

Doch welch ein herrliches Gefühl, wenn man dann den ganzen Mund porentief rein hat, besser als nach einem Orgasmus! Das ist auch gut so, denn nach der Zahnorgie ist man viel zu müde für Sex.

Woran die Zahnputzfreaks aber nicht denken: Trotz aller Top-Zahnpflege, eines Tages kann es auch für sie heißen: „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus.“




LANG-FASSUNG

Also ich gebe es direkt zu: Diesen wunderbaren Kalauer habe ich nicht selbst gedichtet, sondern er stammt aus der alten Fernseh-Serie „Die Zwei”, mit Roger Moore und Tony Curtis, die berühmt war für ihr Feuerwerk an witzigen Sprüchen.
Die Anspielung auf die „dritten Zähne“, die abends vor dem Schlafengehen rausgenommen werden, im Vergleich zu den Sternen, die am abendlich-dunklen Himmel sichtbar werden, finde ich genial.
Ich wollte diesen Spruch unbedingt einmal anbringen, eigentlich nur deswegen schreibe ich diese Geschichte überhaupt. Und ich widme sie „den Zwei“.

Zahnpflege ist heute zu einem Hauptlebensinhalt geworden, ja noch mehr zu einer Religion oder wenigstens Ersatzreligion. Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie, und das Zähneputzen dauert bei ihnen länger als der Sexualakt.

Nehmen wir z. B. Dirk-Benedikt, einen jungen Mann, 25 Jahre, stets top gekleidet, Bankangestellter.

Leider muss er seinen Eltern vorwerfen, dass sie bei ihm als Kind nicht genug auf sorgfältiges Zähneputzen geachtet haben. Aber damals wusste man es noch nicht besser, anders als heute, wenn die Kinder das 1x1 der richtigen Zahnpflege eher lernen als das Alphabet. So hatte Dirk schon als Jugendlicher einige Plomben aufzuweisen.

Doch sobald ihm klar wurde, wie unangenehm und teuer zahnärztliche Behandlungen sind, hat er aus eigenem Antrieb den Zahn-Putzteufel gespielt. Dies hat sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert. Dirk putzt sich mindestens 3x am Tag die Zähne, am gründlichsten abends.

Schauen wir einmal ganz neugierig Dirks abendlichem Zahn-Putzritual zu. Er beginnt mit der Zahnbürste, wechselt zur Munddusche, behandelt die Zahnzwischenräume dann mit Zahnsticks bzw. mit Interdentalbürstchen und manchmal auch noch mit dem Airfloss. Den Schlussakkord bildet die Zahnspülung.

Aber gehen wir mal in die Details.

Dirk besitzt 3 verschiedene elektrische Zahnbürsten, Schall, Ultraschall und oszillierend, natürliche jede mit den verschiedensten Aufsätzen. Heute entscheidet er sich für die oszillierende Bürste, die mit 8.800 Rotationen und 50.000 Pulsationen einem die Arbeit weitgehend abnimmt.
Aber welchen Aufsatz soll er diesmal verwenden? CrossAction, 3D White, Sensitiv, Precision Clean, TriZone, Interspace, Ortho Care Essentials? Dirk wirft die Stirn in Falten und denkt angestrengt nach. Dann entscheidet er sich erst für TriZone, für die Tiefenreinigung, dann für Sensitiv, weil er neulich beim Eisessen einen leichten Schmerz an den Zahnhälsen feststellen musste.

Und welche Zahnpaste soll er heute Abend nehmen? Er hat 7 verschiedene: gegen Karies, gegen Zahnfleischentzündungen, gegen Zahnstein, gegen Schmelzabbau, gegen Verfärbungen, gegen überempfindliche Zahnhälse – und gegen alles, die Eierlegende Wollmilchsau unter den Zahnpasten. Obwohl Dirk etwas misstrauisch gegen diese Heilsversprechungen ist, wählt er heute die totale, ultimative Mega-Zahnpaste.

Obwohl selbst Zahnärzte nur 3 Minuten Zähneputzen empfehlen, bei Dirk dauert es mindestens 8 Minuten – oder 15 sec pro Zahn. Eine seiner elektrischen Zahnbürsten hat ein Display, das man auf den Spiegel kleben kann. Es gibt ihm Informationen, wie lange er schon putzt, dass er den Zahnquadranten wechseln soll usw. Dirk schaut gebannt auf das Display, wie als würde er einen spannenden Actionfilm sehen. Und er putzt mit einer Sorgfalt und zugleich Leidenschaft, die sich seine Freundin beim Liebesspiel von ihm wünschen würde. Aber obwohl die wirklich ein „steiler Zahn“ ist, mit Dirks echten Beißerchen kann sie bei ihm nicht mithalten.

Natürlich gehört auch eine Munddusche zur perfekten Zahnpflege. Dirks Munddusche bietet folgende Aufsätze: Pik Pocket Subgingivaldüse, Zungenreinigungsaufsatz, Orthodontic-Düse, Zahnbürstenaufsatz, Plaque Seeker Düse. Was das alles ist? Das wollen Sie doch gar nicht wissen.

Früher glaubte man, es reiche, die Zahnoberflächen zu bürsten. Aber seit einiger Zeit weiß man, dass die Zahnzwischenräume besonderer Pflege bedürfen. Dirk schüttelt sich vor Entsetzen bei der Vorstellung, dass die Leute früher diese wichtige Zwischenwelt ganz vernachlässigten. Welche Abgründe von mangelnder Hygiene bestanden in der Steinzeit, also vor etwa 20 Jahren!

Nein, ohne ihn. Zunächst wählt er aus seinem Sortiment von Zahnsticks die 0,4 mm-Sticks in pink aus. Mit denen kommt man wirklich in die meisten Zahnzwischenräume, leider verbiegen sich diese dünnen Interdental-Bürstchen aber auch sehr schnell, nach ein paar Mal Benutzen muss man sie wegwerfen. Und sie sind nicht billig.

Dann zum Nachbereiten noch den Airfloss. Der Airfloss ähnelt einer simplen Munddusche, ist aber laut Firmenaussage etwas ganz anderes: Man schießt nur je einen Tropfen durch jeden Zahnzwischenraum, in 60 Sekunden soll alle Zwischenräume von Plaque gereinigt sein. Kaum glaubbar. Aber wenn die vertrauungswürdige Sylvie Meis mit ihrem strahlend weißen Lächeln dafür Werbung macht, dann muss es doch stimmen.

Und nun zum krönenden Abschluss die Zahnspülung. Natürlich hat Dirk auch hier verschiedene Optionen, zum Schutz gegen Karies, zur Desinfizierung oder zu Schmelzschonung. Am liebsten nimmt er die desinfizierende Spülung, damit auch der letzten Kariesbakterie der Garaus gemacht wird. Seine Lieblingsspülung schäumt so kräftig, dass einem der Schaum zu den Ohren wieder rauskommt.

Und dann, nachdem endlich alles erledigt ist, wenn der ganze Mund porentief rein ist, dann hat er ein herrliches Gefühl, besser als nach einem Orgasmus.

Aber die Zahnputzerei selbst, macht die Spaß? Wenn Dirk ehrlich ist, gibt er zu, dass die gar keinen Spaß macht. Nein, natürlich nicht. Und hätte Dirk nicht ein Radio im Bad stehen, würde er es gar nicht durchhalten, so öde langweilig ist die Prozedur.
Vor allem nervt es ihn, wenn die angeblich reißfeste Zahnseide an spitzen Zähnen zerfludert und man sich mühselig abgerissene Seidenreste zwischen den Zähnen herausziehen muss. Deswegen hat er schweren Herzens die Zahnseide verbannt.

Und es nervt, wenn das, was früher als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis der Zahnpflege galt, heute plötzlich als Fehler angeprangert wird. Z. B. hat sich Dirk früher immer direkt nach dem Essen die Zähne geputzt, denn es wurde gewarnt: wenn man nur 5 Minuten wartet, können die Kariesbakterien schon angreifen.
Heute wird dagegen gerade umgekehrt gewarnt: Wenn man irgendetwas mit Säure isst, und das ist vieles, vom gesunden Obst bis zum Wein, dann soll man mindestens 30 Minuten mit dem Zähneputzen warten, weil das Putzen sonst den säuregeschädigten Zahnschmelz angreift.

Aber was nutzten die besten Zähne, wenn das Zahnfleisch krank ist?! Stichwort Paradontose oder noch schlimmer Paradontitis.
Vielleicht kennen Sie den etwas betagten Witz: Ein Skelett kommt zum Zahnarzt; sagt der Zahnarzt: „Ja, Ihre Zähne sind in Ordnung, aber das Zahnfleisch …“ (Das nimmt Bezug auf eine frühere Werbung, in der der Zahnarzt genau das zu seinem Patienten sagt.)
Und eine Schädigung des Zahnfleisches passiert schneller als man denkt, gerade wenn man auf die Ratschläge der Zahnärzte hört. Oder sagen wir genauer: auf die früheren. Denn früher wurden harte V-Bürsten empfohlen. Wenn man damit zu kräftig putzte, konnte man das Zahnfleisch regelrecht wegschrubben. Deswegen sind diese Zahnbürsten out – heute. Ob sich je mal ein Zahnarzt für diesen falschen Ratschlag entschuldigt hat, ich hätte nicht davon gehört.
Wie auch immer: Dirk prüft hin und wieder an einer Briefwage, mit wie viel Druck er Zähne bzw. Zahnfleisch putzt, und er massiert das Zahnfleisch vorsichtig mit der Munddusche, im pulsierenden Modus.


Dirks Freundin ist Anne-Sophie, 23 Jahre, Modedesignerin.
Ihr abendliches Zahnritual sieht ähnlich aus wie bei Dirk, und sie konkurrieren oft, wer länger die Zähne putzt.

Anders als Dirk ist Anne vor allem Expertin für Zahnseide. Sie hat eine eindrucksvolle Sammlung von Zahnseiden und Zahnseidesticks. Weil sie Wert auf einen bestimmten Winkel der Zahnseidesticks legt, hat sie die extra in den USA bestellt.

Aber welche Zahnseide ist die richtige? Vor allem über die Frage, ob man besser gewachste oder ungewachste Zahnseide nimmt, gibt es bei den Zahnfreaks Auseinandersetzungen, die an die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten erinnern. Anne hat natürlich gewachste und ungewachste Zahnseide, außerdem Ultrafloss und Superfloss. Heute ist ihr irgendwie nach „ungewachst“ zumute. Sie zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt.

Für Anne-Sophie gilt das Motto: „nicht ohne meine Zahnseide“. Ohne Reise-Zahnseide verlässt sie nicht das Haus, auch wenn sie nur zum Bäcker um die Ecke geht. Als sie einmal in großem Stress die Zahnseide vergaß, hatte sie tagelang solche Schuldgefühle, als ob sie eine Todsünde oder ein Kapitalverbrechen begangen hätte. Schließlich ging sie zur Beichte, und der kluge Pfarrer verordnete ihr, zehn Rosenkränze für den „heiligen St. Dentus“ zu beten.

Allerdings hat sie sich auch schon einmal mit ihrer geliebten Zahnseide das Zahnfleisch verletzt, so dass es blutete. Anne-Sophie war so schockiert, dass sie den Notarzt rief. Der war „not amused“ über diesen Missbrauch des Notrufs. „Wahrscheinlich habe ich Zahnstein“, schrie sie entsetzt, denn Zahnstein ist für einen Zahnputzfreak schlimmer als Aids und Ebola zusammen. Daher ist für so eine Zahnistin die professionelle Zahnreinigung beim Dentisten auch wichtiger die Krebsvorsorge beim Gynäkologen.

Anne ist auch ein Bleaching Fan. Zunächst fing sie an mit Bleaching-Zahnpasten, danach kamen Bleaching-Zahnstreifen. Dann ein Gerät mit blauem Licht aus dem Verkaufsfernsehen. Mit dem blauen Licht im Mund sah sie aus wie ein Alien. Wirklich wurden die Zähne etwas heller, wenn auch nicht annähernd so weiß, wie sie sich das erhofft hatte: ein „Naddel-Lächeln“ hatte sie noch lange nicht.

Aber vor allem hatte sie eine Sache nicht bedacht: dass sich Keramik-Kronen nicht bleichen lassen. Sie bzw. ihre Zähne besaßen aber schon zwei Kronen, die man damals der Zahnfarbe entsprechend angefertigt hatte, so eine Art Elfenbein. Jetzt waren die zwei elfenbeinfarbigen Kronen im weißlichen Gebiss ein echter „Hingucker“, anders gesagt ein Störenfried. Also auf zum Zahnarzt.

Der hatte eine gute Lösung für sie: Erstens sollten die Zähne noch einmal „fachmännisch“ gebleacht werden, für 500 €. Dann müssten aber die beiden Kronen erneuert werden mit hellerer Keramik, jede für gut 600 €, also alles zusammen 1700 €. Was Anne-Sophie nicht bedachte: Der Bleaching-Effekt hält manchmal nur ein paar Monate, dann sind die Zähne wieder nachgedunkelt, aber die Kronen nicht. D. h. sie würde dann das umgekehrte Ergebnis haben: weiße Kronen und dunklere Zähne – bis zum nächsten Bleaching.

Aber da musste sie jetzt durch. Am nächsten Tag brannte ihr Zahnfleisch. Und die Zahnhälse waren total überempfindlich: wenn sie in einen Apfel biss, konnte sie an die Decke
gehen. Aber egal. Immer wieder bewunderte sie im Spiegel ihre blendend weißen Beißerchen.

Dirk guckte ganz neidisch, und das war vielleicht das Schönste am ganzen Bleaching – Dirk, der sonst immer so angab mit seinem makellosen Gebiss. Denn so weiß waren seine Zähne nicht! „Wahrscheinlich hatte der mal ein Pferd in der Familie“, kicherte Anne-Sophie schadenfroh vor sich hin.

Was Dirk und Anne noch nicht zu denken wagen: Trotz aller Super-Zahnplege, eines Tages kann es auch für sie heißen: „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus.“
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Stefan!

Mir hat die zweite Version sehr viel besser gefallen, weil Du dort so richtig zur Sache gehst, Dich ins Zeug legst und zumindest mir, die Türen zu einer bisher unbekannten “Zahn-Welt" öffnest. Die erste Version hingegen, bleibt ein wenig in der Luft. Gestaunt habe ich….Gibts das alles wirklich? Bist Du Zahnarzt? Wieso kennst Du Dich so gut aus? Entweder hast Du das alles selber in Deinem Bad-Schränkchen oder Du hast wirklich gut recherchiert!
Der Satz der mir am meisten gefallen hat ist dieser hier:

“”Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie.”” (Ehrlich gesagt ein Satz, den ich noch nie in meinem Leben gehört hatte…)

Und über den Witz beim Zahnarzt hab ich doch sehr lachen müssen….Muss ihn morgen früh im Büro weitererzählen…

Hier nur zwei Dinge:
Bei dem Satz:

"""Und dann, nachdem endlich alles erledigt ist, wenn der ganze Mund porentief rein ist, dann hat er ein herrliches Gefühl, besser als nach einem Orgasmus"""

kann man glaube ich, das zweite “dann” weglassen.

Und dann kam noch ziemlich schnell hintereinander:

"""Aber vor allem hatte sie eine Sache nicht bedacht"""
"""Was Anne-Sophie nicht bedachte"""
"""Was Dirk und Anne noch nicht zu denken wagen"""


(meine persönliche Meinung…)

Hab auf jedenfall so einiges über das moderne Zahn-Leben gelernt… Ach ja, eine gute Reinigung ist übrigens auch Knoblauch…(Das Beste aller Heilmittel)

Aber ich glaub, das würde nicht so gut in Deine Geschichte passen…
Amüsierte Grüsse,
Ji
 
Hallo Ji,

über deine Rezension habe ich mich wirklich gefreut. Du verstehst meinen Humor.

Nein, Zahnarzt bin ich nicht, und ganz so schlimm wie Dirk und Anne treibe ich es auch nicht mit der Zahnputzerei. Aber ich interessiere mich einfach für ganz unterschiedliche Lebens- und Wissensbereiche. Und wie gesagt, eigentlich habe ich die Geschichte nur geschrieben, um den Zähne-Sterne-Spruch von „Die Zwei“ einmal unterzubringen.

Auf jeden Fall werde ich der guten Freundin triumphierend erzählen, dass du die Lang-Fassung besser findest. Denn sie fand die ja zu weitschweifig.

Auch wenn keine weitere Rezension dazu kommt, bin ich zufrieden. Lieber eine Besprechung, mit der ich etwas anfangen kann, als viele Besprechungen, über die man manchmal den Kopf schüttelt und sich fragt. „Was soll ich nur darauf antworten?! Der Kommentator hat doch meinen Text und seine Absichten gar nicht verstanden.“

Deine Korrekturvorschläge leuchten mir ein, als Autor überliest man irgendwann solche „Wiederholungsfehler“. Danke. In den nächsten Tagen werde ich das mal verbessern.

Liebe Grüße

Stefan
 

molly

Mitglied
Hallo Stefan,

mir gefällt die Kurzfassung sehr gut, vielleicht, weil es mir im Moment zu heiß ist, viele lange Texte zu lesen.

"Und er zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt."

Diesen Satz finde ich super. Ob Du es glaubst oder nicht, es gibt auch kleine Zahngeigen, sehen allerdings mehr wie Mini-Mini-Sägen aus.

@Ji sollte mein Schätzchen allerdings Knoblauch zur Reinigung nehmen, wäre ich anschließend zu nichts mehr bereit.

Sommerliche Grüße

molly
 

Ji Rina

Mitglied
@Stefan:
Freut mich, dass du dich gefreut hast.

@Molly:
Da hast du recht! Stimmt auch garnicht, was ich gesagt habe...
Knoblauch: Desinfektionsmittel, und nicht Reinigungsmittel.
Das kann man auch wenn Schätzchen grad nicht da ist...gelle?
Mit Gruss!
Ji
 

molly

Mitglied
@ Ji Als Desinfektionsmittel geht's ja noch, ich verdufte vorsichtshalber auf jeden Fall.

@Stefan, Dein 2. Name passt so gut zur Geschichte.

Viele Grüße an euch beiden :)

molly
 
Am Anfang war da nur ein witziger Spruch. Dann schrieb ich einen Text dazu, der immer länger wurde. Eine gute Freundin meinte: „etwas zu lang, kürze ihn besser“. Aber ich kürze so ungerne. Lieber schrieb ich zusätzlich eine Kurzfassung. So kann der Leser selbst entscheiden, welche Fassung er lesen will – oder beide?



KURZ-FASSUNG

Also ich gebe es direkt zu: Diesen wunderbaren Kalauer habe ich nicht selbst gedichtet, sondern er stammt aus der alten Kult-Fernseh-Serie „Die Zwei”, mit Roger Moore und Tony Curtis, die berühmt war für ihr Feuerwerk an witzigen Sprüchen.
Die Anspielung auf die „dritten Zähne“, die abends vor dem Schlafengehen rausgenommen werden, als Analogie zu den Sternen, die am abendlich-dunklen Himmel sichtbar werden, finde ich genial.
Ich wollte diesen Spruch unbedingt einmal anbringen, eigentlich nur deswegen schreibe ich diese Geschichte überhaupt. Und ich widme sie „den Zwei“.

Zahnpflege ist heute zu einem Hauptlebensinhalt geworden, ja noch mehr zu einer Religion oder wenigstens Ersatzreligion. Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie, und das Zähneputzen dauert bei ihnen länger als der Sexualakt.
Und warum? Vor allem, weil sie ihre eigenen Zähne lebenslang behalten wollen, bloß nicht „die Dritten“, bloß nie ein künstliches Gebiss, never! So tun sie alles für ihre Zähne, koste es, was es wolle.

Diese Zahn-Freaks haben mindestens 3 elektrische Zahnbürsten und 7 verschiedene Zahnpasten. Gerade der männliche Putzer putzt mit einer Sorgfalt und zugleich Leidenschaft, die sich seine Freundin beim Liebesspiel von ihm wünschen würde. Aber obwohl seine Freundin wirklich ein „steiler Zahn“ ist, mit seinen echten Beißerchen kann sie bei ihm nicht mithalten.

Natürlich darf auch die Munddusche nicht fehlen, mit 5 verschieden Aufsätzen, so dass man mit den Zähnen von Abduschen bis Massieren, Pulsieren und Penetrieren alles durchspielen kann, was auch beim Sex Spaß macht.

Das Wichtigste für den Zahn-Fetischisten ist aber die Zahnseide, gerade bei Frauen. Nur welche Zahnseide ist die richtige? Vor allem über die Frage, ob man besser gewachste oder ungewachste Zahnseide nimmt, gibt es Auseinandersetzungen, die an die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten erinnern. Der Zahn-Profi hat natürlich gewachste und ungewachste Zahnseide, außerdem Ultrafloss und Superfloss. Und er zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt.

Für die zahnbewusste Bürgerin gilt: „nicht ohne meine Zahnseide“. Ohne Reise-Zahnseide verlässt sie nicht das Haus, auch wenn sie nur zum Bäcker um die Ecke geht.
Und falls sie einmal in großem Stress die Zahnseide vergisst, hat sie tagelang solche Schuldgefühle, als ob sie eine Todsünde oder ein Kapitalverbrechen begangen hätte.

Allerdings hat sich manche übereifrige Zahnseiderin auch schon mal mit ihrer geliebten Zahnseide das Zahnfleisch verletzt, so dass es blutet. Sie ist dann so schockiert, dass sie den Notarzt ruft. „Wahrscheinlich habe ich Zahnstein“, schreit sie entsetzt, denn Zahnstein findet sie schlimmer als Aids und Ebola zusammen. Daher ist für so eine Zahnistin der Termin bei der professionellen Zahnreinigung auch wichtiger als der Termin zur Krebsvorsorge.

Und zum krönenden Abschluss des Zahnpflegerituals gibt es immer die Zahnspülung. Am liebsten nimmt der männliche Karies-Kämpfer die Mega-Ultra-Power Spülung, die ist so kräftig, dass einem fast die Zähne rausfliegen oder einem wenigstens der Schaum zu den Ohren wieder rauskommt.

Doch welch ein herrliches Gefühl, wenn man dann den ganzen Mund porentief rein hat, besser als nach einem Orgasmus! Das ist auch gut so, denn nach der Zahnorgie ist man viel zu müde für Sex.

Woran die Zahnputzfreaks aber nicht denken: Trotz aller Top-Zahnpflege, eines Tages kann es auch für sie heißen: „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus.“




LANG-FASSUNG

Also ich gebe es direkt zu: Diesen wunderbaren Kalauer habe ich nicht selbst gedichtet, sondern er stammt aus der alten Fernseh-Serie „Die Zwei”, mit Roger Moore und Tony Curtis, die berühmt war für ihr Feuerwerk an witzigen Sprüchen.
Die Anspielung auf die „dritten Zähne“, die abends vor dem Schlafengehen rausgenommen werden, im Vergleich zu den Sternen, die am abendlich-dunklen Himmel sichtbar werden, finde ich genial.
Ich wollte diesen Spruch unbedingt einmal anbringen, eigentlich nur deswegen schreibe ich diese Geschichte überhaupt. Und ich widme sie „den Zwei“.

Zahnpflege ist heute zu einem Hauptlebensinhalt geworden, ja noch mehr zu einer Religion oder wenigstens Ersatzreligion. Viele Menschen verbringen mehr Zeit mit ihren Zähnen als mit ihrer Familie, und das Zähneputzen dauert bei ihnen länger als der Sexualakt.

Nehmen wir z. B. Dirk-Benedikt, einen jungen Mann, 25 Jahre, stets top gekleidet, Bankangestellter.

Leider muss er seinen Eltern vorwerfen, dass sie bei ihm als Kind nicht genug auf sorgfältiges Zähneputzen geachtet haben. Aber damals wusste man es noch nicht besser, anders als heute, wenn die Kinder das 1x1 der richtigen Zahnpflege eher lernen als das Alphabet. So hatte Dirk schon als Jugendlicher einige Plomben aufzuweisen.

Doch sobald ihm klar wurde, wie unangenehm und teuer zahnärztliche Behandlungen sind, hat er aus eigenem Antrieb den Zahn-Putzteufel gespielt. Dies hat sich im Laufe der Jahre immer weiter gesteigert. Dirk putzt sich mindestens 3x am Tag die Zähne, am gründlichsten abends.

Schauen wir einmal ganz neugierig Dirks abendlichem Zahn-Putzritual zu. Er beginnt mit der Zahnbürste, wechselt zur Munddusche, behandelt die Zahnzwischenräume dann mit Zahnsticks bzw. mit Interdentalbürstchen und manchmal auch noch mit dem Airfloss. Den Schlussakkord bildet die Zahnspülung.

Aber gehen wir mal in die Details.

Dirk besitzt 3 verschiedene elektrische Zahnbürsten, Schall, Ultraschall und oszillierend, natürliche jede mit den verschiedensten Aufsätzen. Heute entscheidet er sich für die oszillierende Bürste, die mit 8.800 Rotationen und 50.000 Pulsationen einem die Arbeit weitgehend abnimmt.
Aber welchen Aufsatz soll er diesmal verwenden? CrossAction, 3D White, Sensitiv, Precision Clean, TriZone, Interspace, Ortho Care Essentials? Dirk wirft die Stirn in Falten und denkt angestrengt nach. Dann entscheidet er sich erst für TriZone, für die Tiefenreinigung, dann für Sensitiv, weil er neulich beim Eisessen einen leichten Schmerz an den Zahnhälsen feststellen musste.

Und welche Zahnpaste soll er heute Abend nehmen? Er hat 7 verschiedene: gegen Karies, gegen Zahnfleischentzündungen, gegen Zahnstein, gegen Schmelzabbau, gegen Verfärbungen, gegen überempfindliche Zahnhälse – und gegen alles, die Eierlegende Wollmilchsau unter den Zahnpasten. Obwohl Dirk etwas misstrauisch gegen diese Heilsversprechungen ist, wählt er heute die totale, ultimative Mega-Zahnpaste.

Obwohl selbst Zahnärzte nur 3 Minuten Zähneputzen empfehlen, bei Dirk dauert es mindestens 8 Minuten – oder 15 sec pro Zahn. Eine seiner elektrischen Zahnbürsten hat ein Display, das man auf den Spiegel kleben kann. Es gibt ihm Informationen, wie lange er schon putzt, dass er den Zahnquadranten wechseln soll usw. Dirk schaut gebannt auf das Display, wie als würde er einen spannenden Actionfilm sehen. Und er putzt mit einer Sorgfalt und zugleich Leidenschaft, die sich seine Freundin beim Liebesspiel von ihm wünschen würde. Aber obwohl die wirklich ein „steiler Zahn“ ist, mit Dirks echten Beißerchen kann sie bei ihm nicht mithalten.

Natürlich gehört auch eine Munddusche zur perfekten Zahnpflege. Dirks Munddusche bietet folgende Aufsätze: Pik Pocket Subgingivaldüse, Zungenreinigungsaufsatz, Orthodontic-Düse, Zahnbürstenaufsatz, Plaque Seeker Düse. Was das alles ist? Das wollen Sie doch gar nicht wissen.

Früher glaubte man, es reiche, die Zahnoberflächen zu bürsten. Aber seit einiger Zeit weiß man, dass die Zahnzwischenräume besonderer Pflege bedürfen. Dirk schüttelt sich vor Entsetzen bei der Vorstellung, dass die Leute früher diese wichtige Zwischenwelt ganz vernachlässigten. Welche Abgründe von mangelnder Hygiene bestanden in der Steinzeit, also vor etwa 20 Jahren!

Nein, ohne ihn. Zunächst wählt er aus seinem Sortiment von Zahnsticks die 0,4 mm-Sticks in pink aus. Mit denen kommt man wirklich in die meisten Zahnzwischenräume, leider verbiegen sich diese dünnen Interdental-Bürstchen aber auch sehr schnell, nach ein paar Mal Benutzen muss man sie wegwerfen. Und sie sind nicht billig.

Dann zum Nachbereiten noch den Airfloss. Der Airfloss ähnelt einer simplen Munddusche, ist aber laut Firmenaussage etwas ganz anderes: Man schießt nur je einen Tropfen durch jeden Zahnzwischenraum, in 60 Sekunden soll alle Zwischenräume von Plaque gereinigt sein. Kaum glaubbar. Aber wenn die vertrauungswürdige Sylvie Meis mit ihrem strahlend weißen Lächeln dafür Werbung macht, dann muss es doch stimmen.

Und nun zum krönenden Abschluss die Zahnspülung. Natürlich hat Dirk auch hier verschiedene Optionen, zum Schutz gegen Karies, zur Desinfizierung oder zu Schmelzschonung. Am liebsten nimmt er die desinfizierende Spülung, damit auch der letzten Kariesbakterie der Garaus gemacht wird. Seine Lieblingsspülung schäumt so kräftig, dass einem der Schaum zu den Ohren wieder rauskommt.

Und nachdem endlich alles erledigt ist, wenn der ganze Mund porentief rein ist, dann hat er ein herrliches Gefühl, besser als nach einem Orgasmus.

Aber die Zahnputzerei selbst, macht die Spaß? Wenn Dirk ehrlich ist, gibt er zu, dass die gar keinen Spaß macht. Nein, natürlich nicht. Und hätte Dirk nicht ein Radio im Bad stehen, würde er es gar nicht durchhalten, so öde langweilig ist die Prozedur.
Vor allem nervt es ihn, wenn die angeblich reißfeste Zahnseide an spitzen Zähnen zerfludert und man sich mühselig abgerissene Seidenreste zwischen den Zähnen herausziehen muss. Deswegen hat er schweren Herzens die Zahnseide verbannt.

Und es nervt, wenn das, was früher als wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis der Zahnpflege galt, heute plötzlich als Fehler angeprangert wird. Z. B. hat sich Dirk früher immer direkt nach dem Essen die Zähne geputzt, denn es wurde gewarnt: wenn man nur 5 Minuten wartet, können die Kariesbakterien schon angreifen.
Heute wird dagegen gerade umgekehrt gewarnt: Wenn man irgendetwas mit Säure isst, und das ist vieles, vom gesunden Obst bis zum Wein, dann soll man mindestens 30 Minuten mit dem Zähneputzen warten, weil das Putzen sonst den säuregeschädigten Zahnschmelz angreift.

Aber was nutzten die besten Zähne, wenn das Zahnfleisch krank ist?! Stichwort Paradontose oder noch schlimmer Paradontitis.
Vielleicht kennen Sie den etwas betagten Witz: Ein Skelett kommt zum Zahnarzt; sagt der Zahnarzt: „Ja, Ihre Zähne sind in Ordnung, aber das Zahnfleisch …“ (Das nimmt Bezug auf eine frühere Werbung, in der der Zahnarzt genau das zu seinem Patienten sagt.)
Und eine Schädigung des Zahnfleisches passiert schneller als man denkt, gerade wenn man auf die Ratschläge der Zahnärzte hört. Oder sagen wir genauer: auf die früheren. Denn früher wurden harte V-Bürsten empfohlen. Wenn man damit zu kräftig putzte, konnte man das Zahnfleisch regelrecht wegschrubben. Deswegen sind diese Zahnbürsten out – heute. Ob sich je mal ein Zahnarzt für diesen falschen Ratschlag entschuldigt hat, ich hätte nicht davon gehört.
Wie auch immer: Dirk prüft hin und wieder an einer Briefwage, mit wie viel Druck er Zähne bzw. Zahnfleisch putzt, und er massiert das Zahnfleisch vorsichtig mit der Munddusche, im pulsierenden Modus.


Dirks Freundin ist Anne-Sophie, 23 Jahre, Modedesignerin.
Ihr abendliches Zahnritual sieht ähnlich aus wie bei Dirk, und sie konkurrieren oft, wer länger die Zähne putzt.

Anders als Dirk ist Anne vor allem Expertin für Zahnseide. Sie hat eine eindrucksvolle Sammlung von Zahnseiden und Zahnseidesticks. Weil sie Wert auf einen bestimmten Winkel der Zahnseidesticks legt, hat sie die extra in den USA bestellt.

Aber welche Zahnseide ist die richtige? Vor allem über die Frage, ob man besser gewachste oder ungewachste Zahnseide nimmt, gibt es bei den Zahnfreaks Auseinandersetzungen, die an die Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten erinnern. Anne hat natürlich gewachste und ungewachste Zahnseide, außerdem Ultrafloss und Superfloss. Heute ist ihr irgendwie nach „ungewachst“ zumute. Sie zieht die Zahnseide virtuos zwischen den Zähnen hin und her, wie ein Meistergeiger seine Stradivari mit dem Bogen befiedelt.

Für Anne-Sophie gilt das Motto: „nicht ohne meine Zahnseide“. Ohne Reise-Zahnseide verlässt sie nicht das Haus, auch wenn sie nur zum Bäcker um die Ecke geht. Als sie einmal in großem Stress die Zahnseide vergaß, hatte sie tagelang solche Schuldgefühle, als ob sie eine Todsünde oder ein Kapitalverbrechen begangen hätte. Schließlich ging sie zur Beichte, und der kluge Pfarrer verordnete ihr, zehn Rosenkränze für den „heiligen St. Dentus“ zu beten.

Allerdings hat sie sich auch schon einmal mit ihrer geliebten Zahnseide das Zahnfleisch verletzt, so dass es blutete. Anne-Sophie war so schockiert, dass sie den Notarzt rief. Der war „not amused“ über diesen Missbrauch des Notrufs. „Wahrscheinlich habe ich Zahnstein“, schrie sie entsetzt, denn Zahnstein ist für einen Zahnputzfreak schlimmer als Aids und Ebola zusammen. Daher ist für so eine Zahnistin die professionelle Zahnreinigung beim Dentisten auch wichtiger die Krebsvorsorge beim Gynäkologen.

Anne ist auch ein Bleaching Fan. Zunächst fing sie an mit Bleaching-Zahnpasten, danach kamen Bleaching-Zahnstreifen. Dann ein Gerät mit blauem Licht aus dem Verkaufsfernsehen. Mit dem blauen Licht im Mund sah sie aus wie ein Alien. Wirklich wurden die Zähne etwas heller, wenn auch nicht annähernd so weiß, wie sie sich das erhofft hatte: ein „Naddel-Lächeln“ hatte sie noch lange nicht.

Aber vor allem hatte sie eine Sache nicht bedacht: dass sich Keramik-Kronen nicht bleichen lassen. Sie bzw. ihre Zähne besaßen aber schon zwei Kronen, die man damals der Zahnfarbe entsprechend angefertigt hatte, so eine Art Elfenbein. Jetzt waren die zwei elfenbeinfarbigen Kronen im weißlichen Gebiss ein echter „Hingucker“, anders gesagt ein Störenfried. Also auf zum Zahnarzt.

Der hatte eine gute Lösung für sie: Erstens sollten die Zähne noch einmal „fachmännisch“ gebleacht werden, für 500 €. Dann müssten aber die beiden Kronen erneuert werden mit hellerer Keramik, jede für gut 600 €, also alles zusammen 1700 €. Doch auf Anne-Sophie wartet noch eine böse Überraschung: Der Bleaching-Effekt hält nämlich manchmal nur ein paar Monate, dann sind die Zähne wieder nachgedunkelt, aber die Kronen nicht. D. h. sie würde dann das umgekehrte Ergebnis haben: weiße Kronen und dunklere Zähne – bis zum nächsten Bleaching.

Aber da musste sie jetzt durch. Am nächsten Tag brannte ihr Zahnfleisch. Und die Zahnhälse waren total überempfindlich: wenn sie in einen Apfel biss, konnte sie an die Decke
gehen. Aber egal. Immer wieder bewunderte sie im Spiegel ihre blendend weißen Beißerchen.

Dirk guckte ganz neidisch, und das war vielleicht das Schönste am ganzen Bleaching – Dirk, der sonst immer so angab mit seinem makellosen Gebiss. Denn so weiß waren seine Zähne nicht! „Wahrscheinlich hatte der mal ein Pferd in der Familie“, kicherte Anne-Sophie schadenfroh vor sich hin.

Was Dirk und Anne noch nicht zu denken wagen: Trotz aller Super-Zahnplege, eines Tages kann es auch für sie heißen: „Zähne sind wie Sterne – abends kommen sie raus.“
 
Hallo molly,

schön, mal wieder von dir zu hören.

Stimmt, mein Name passt zum Thema. Da bin ich nur erleichtert, dass ich nicht „Zahnau“ heiße, das wäre keine akustisch-ästhetische Offenbarung.

Deine – sommerliche – Vorliebe für kurze Texte kann ich gut verstehen. Bei derzeitigen „Minimaltemperaturen“ von etwa 32 und Maximaltemperaturen von 38 Grad (manchmal auch noch mit Schwüle garniert) ist eigentlich alles zu anstrengend.

Vielleicht hätte es auch Sinn gemacht, nur den Titel zu veröffentlichen: „Zähne sind wie Sterne - abends kommen sie raus.“ Damit ist ja im Grunde der Inhalt des Textes auf den Punkt gebracht.

Sollten wir ein Projekt starten für verdichtete, kondensierte Erzählungen? Nur noch ein Satz, oder ein Wort, am Schluss gar nichts mehr. Nur Leere, in die der Leser selbst seine Ideen, Gefühle und Wünsche projizieren kann! Da wäre ich mal auf die Rezensionen gespannt. Aber wahrscheinlich akzeptiert die Software der LL nicht solche nihilistischen „Texte“.

Sommerheiße Grüße

Stefan
 
Hallo Ji,

ich freue mich, dass du dich freust, dass ich mich gefreut habe.

Knoblauch verwende ich eigentlich nur, um Vampire zu vertreiben.

Salve

Stefan
 



 
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