(zum 11. September 2001)

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Andakon

Mitglied
SCHATTENHÄNDE

Sie greifen nach dir
lassen den Atem stillstehen
belagern das Herz
Der Schmerz wohnt in jeder Etage

Schatten lauern jetzt überall
nachts klettern sie Fassaden empor
tagsüber schlummern sie im kleinsten Atom
Wer die Augen nicht öffnet, erblindet zuvor

Am Himmel ein Flugzeug
In den Körper gesunkene Bilder erwachen blitzschnell
Gefühle kleben hartnäckig und zäh im Kellergewölbe
Die Angst vor dem Unbegreiflichen erstarrt

Die Vorstellungskraft unter Quarantäne
Panikattacken besetzten Herz und Verstand
Die Zeit reist in paranoiden Schüben
Ein vernichtendes Protokoll zeichnet jene Schattenhand.
 

revilo

Mitglied
ich traute mich an so ein heikles Thema nicht heran....

das ist leider so ein Herz - ( kommt sogar 2 x vor )Schmerz-Gedicht ohne sprachliche Rafinesse, mit reichlich abgedroschenen und viel zu direketen Bildern....

LG revilo
 

Andakon

Mitglied
SCHATTENHÄNDE

Sie greifen nach dir
lassen den Atem stillstehen
belagern das Herz
Der Schmerz wohnt in jeder Etage

Schatten lauern jetzt überall
nachts klettern sie Fassaden empor
tagsüber schlummern sie im kleinsten Atom
Wer die Augen nicht öffnet, erblindet zuvor

Am Himmel ein Flugzeug
In den Körper gesunkene Bilder erwachen blitzschnell
Gefühle kleben hartnäckig und zäh im Kellergewölbe
Die Angst vor dem Unbegreiflichen erstarrt

Die Vorstellungskraft unter Quarantäne
Panikattacken besetzen Herz und Verstand
Die Zeit reist in paranoiden Schüben
Ein vernichtendes Protokoll zeichnet jene Schattenhand.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
große schwarze Spinnen-Raumschiffe, fast unsichtbar, nur ein wenig glänzend

Bilder? Ich sehe keine Bilder, keine Metaphern.
Nur Gemütszustände, und die auch nicht in der Buntheit, die sie zu Bildern machen könnten, sondern nur schrecklich.
Aber wessen Gemütszustände sollen das denn sein? In der Allgemeinheit ist es unpersönlich, abstrakt, kann man irgendwem unterstellen.
Ich beschränke mich, um das am Einzelnen aufzuzeigen, auf die die zweite Strophe:
Schatten lauern jetzt überall
nachts klettern sie Fassaden empor
tagsüber schlummern sie im kleinsten Atom
Wer die Augen nicht öffnet, erblindet zuvor
Schatten-Metapher, aber nicht als persönliches Erleben einer Person in einer bestimmten Situation, sondern "überall" - das ist pure Angst-Propaganda. Der böse Feind kommt.
Sie "lauern" - ja, es es ist der böse Feind. Der lauert.
Und er verhält sich wie ein Dieb. Und ist so gemein, auch noch Nachts zu kommen. Wen meinst Du eigentlich? Wenn das wirklich die bösen Attentäter des Neinilewen sein sollen, dann steht dem meine Erinnerung entgegen: Sie kamen am hellichten Tage, an einem strahlenden Mittwochmorgen. Sie lauerten nicht, sondern setzten ihren Plan rücksichtslos durch. Sie waren nicht überall, sondern in den vier Maschinen an der US-amerikanischen Westküste.
Sie haben weder die metaphyische noch die physikalische Kraft, in Atomen zu schlummern, und wenn sie diese Kraft gehabt hätten, wieso hätten sie dann in der Nacht schlummern sollen? zumal sie dann im Schlummer Wände hätten hochklettern müssen? Das Bild ist inkonsistent.
Und wer ist es jetzt? Nun, offensichtlich nicht die Attentäter, sondern irgendwelche allgegenwärtige Ängste.

Und das ist unpersönlich, allgemein: in dem Versuch, die Angst allen unterzuschieben nichts als Propaganda-Sprache, Angstmacherei ohne Ursachenforschung, ohne Begründung, ohne Bewältigungsmöglichkeiten.

Öffne lieber schnell die Augen für das, was Du damit erreichen willst, sonst drohst Du - drohst Du Dir selbst - zu erblinden - wenn Du damit recht hättest.
Aber selbst das würde ich Dir ohne Begründung oder Ursachenforschung nicht so einfach abnehmen. Auch das ist nur Angstmacherei vor dem bösen Feind, wer auch immer das sein soll, diese "Schatten".

Babylon 5?
 

Tula

Mitglied
Hallo

Ich halte es auch für etwas überladen, aber insgesamt besser als bis jetzt bewertet. Wenn ich die Absicht verstehe, geht es um "Panikmache", der Medien, vieler "Zeitgenossen", die hinter jedem Schatten (oder fremden Gesicht) etwas Böses vermuten.

Vielleicht lese ich mir diese Absicht nur heraus. Vielleicht liegt darin die Schwäche des Gedichts: die übertrieben geschürte Angst steht hier nur mit sehr allgemeinen Beispielen, es müsste konkreter sein - die bekannten Feindbilder, Deutschland wird vom Islam vereinnahmt und ähnlicher Schmarren


LG
Tula
 

Andakon

Mitglied
Muss ich mich rechtfertigen?

Hallo? Welche Töne klingen da an? Gegen Kritik habe ich nichts – nur konstruktiv sollte sie sein. Nicht ziellos vernichtend, ohne nähere Kenntniss der Umstände: Diese Zeilen entstanden spontan beim Gang durch eine Großstadt inmitten von Hochhäusern mit Blick zum Himmel, die Ohren geöffnet … und plötzlich in der Erinnerung versunken . BILDER? Die sind im Verborgenen , wollen nicht mehr an die Oberfläche, ans Licht, wie die Gefühle dazu, die ebenso im Dunklen hocken, klebrig und zähflüssig. ALLES ist persönlich und zugleich entfremdet, um die Gefühle der Angst neutral und allgemein erscheinen zu lassen.
Geht doch mal durch eine Stadt wie Toronto, Vancouver oder von mir aus New York und sammelt dort eure Eindrücke auf dem Weg durch verschiedene Viertel, Hochhaus an Hochhaus, noch mit beiden Füßen auf der Erde, während im Kopf die Zeit tickt: der Flug geht vielleicht in einer Stunde …
BILDER? Schon mal z w i s c h e n den Zeilen zu lesen versucht?
Es geht hier nicht um „Propagada“ oder „Angstmacherei“ - es geht um Eindrücke, die im Körper entstanden, plötzlich und unerwartet, und wie anders hätten sie ausfallen sollen als unpersönlich und kalt, klamm und in die Enge getrieben, wenn Angst und Panik im Innersten lauert? Die SCHATTEN lauern überall, soll heißen, die Gefahr ist seit dem 11. September an jeder Hauswand zu lesen, körperlich zu spüren, wenn man so will, weil seitdem die Aufmerksamkeit dafür, ein Bewusstsein entstanden ist. Auch wenn inzwischen andere schreckliche, neue Ereignisse zum Zuge kommen.

Guten Abend,
Andakon
 

Tula

Mitglied
Hallo Andakon

deine Empfindungen zu diesem Thema gehören dir und wenn du durch eine amerikanische Stadt wanderst und an jeder Hauswand Gefahr "spürst", ist das auch 'ok'.

Ich mache mir zu diesem Thema mein eigenes Bild und dieses sicher im gegenwärtigen politischen Kontext (Trump). Oder andersherum: man könnte sich vorstellen, dass einem der Schauer kalt über den Rücken läuft, wenn man sich einer amerikanischen Schule auch nur nähert. Denn die Anzahl unschuldiger Kinder, Lehrer usw. die in solchen in den letzten 10 Jahren von irgendwelchen Idioten kaltblütig abgeknallt wurden, übersteigt sicherlich um ein vielfaches die Anzahl der Opfer von Terroranschlägen auf amerikanischem Boden (eine Schule war allerdings auch dabei).

Dass jemand, der die Ereignisse des 11. September 'dort' direkt miterlebt hat, bis heute traumatische Erinnerungen hat, ist mir vollkommen verständlich.

Dass die Angst eine gefährliche, politische Waffe ist (wie uns die Gegenwart beweist), darüber sind wir uns vielleicht trotzdem einig.

LG
Tula
 
Andakon, macht dir nichts draus. Bei einem Text, der in manchen politische Reflexe auslöst, auch wenn das vielleicht gar nicht Absicht des Verfassers war, kannst du hier und heute keine halbwegs unvoreingenommene Beurteilung erwarten.

Die Kommentare sind dennoch aufschlussreich. Sie zeigen wieder einmal, welche Rolle Statistiken in dergleichen Diskussionen spielen. Statistik dient der Dissimulation, sie soll Konkretes im Allgemeinen verschwinden lassen. Und dann muss natürlich Trumps Name kommen, das ist jetzt so üblich, ja ein Beweis, dass man argumentativ auf der Höhe der Zeit ist. Hier wie auch sonst ziemlich oft ist Trump vor allem eines: Projektionsfläche.

Du kannst noch froh sein, dass man nicht die Verbindung zwischen deinem Text und den Massenpsychosen der 1930er herzustellen versucht. Kommt vielleicht auch noch ... Dieser oft und gern angewandte Missbrauch historischer Vergleiche verfolgt natürlich auch einen Zweck: Legitimation heutiger Macht, die sich bedroht fühlt.

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
bleib bei der fachlichen Metaphern-Kritik!

Es wäre angebracht, auf die Punkte der Kritik einzugehen, die mit den poetischen Aspekten Deines Gedichts zu tun haben. Dein Metaphern-Gebrauch, der Mangel an individueller Situations- und Personen-Gebundenheit. Der Punkt, daß alles viel zu allgemein bleibt.
Und achte bei den Kommentatoren darauf, ob sich da einer der Dichter der Leselupe äußert oder irgend ein Essayist. Das ist wesentlich, denn Essayisten achten nicht auf die poetische und poetologische Seite, sie singen Dein Lied nicht, sondern suchen die Provokation, sie filtern die Wahrnehmung entsprechend. Schau Dir an, ob ein Kommentator sich mit Gedichten auskennt, also: ob er hier überhaupt Gedichte einbringt oder nicht.

Die Städte, die Du aufführst, mit ihren unzerstörten CBDs aus der Zeit, wo King Kong auf den damals höchsten Wolkenkratzer der Welt kletterte - was macht Dir denn da Angst? Etwa, daß da zivile Menschen mit Waffen rumlaufen?
Was soll ich in Amerika, ich habe nicht vor, dort rumzuwandern. Wieso soll ich mir die Städte dort anschauen, die ich jeden Tag im Fernsehen sehen kann? Schau Dir mal Mumbai an, das in sich widersprüchliche Leben pur.
Ich bin in Köln aufgewachsen, als dort noch zwischen den Häusern die Bombenlücken klafften, aber ich hatte nichts von Angst.
Im friedlichen Vorort schon eher: vor den Jungen, die mich auf dem Weg zum Kindergarten, wohin die versprochen hatten, mich mitzunehmen, von hinten in den unteren Rücken traten, die ganze Strecke lang, das war lustig. Für die.

Aber trotzdem halte ich so eine allgemeine Platzangst für so realistisch wie die Angst des aufgeblasenen Luftballons.
Poetologisch: Es fehlt die konkrete Dichte, die Empfindungssättigung, so bleibt das alles bloße Behauptung bei Dir.

Und die Nichtdichter - vergiß sie einfach, auch wenn sie Dir Honig ums Kinn schmieren.
 

revilo

Mitglied
greifen nach dir
lassen den Atem erfrieren
belagern die Seele
lauern in jeder Etage
schlummern tagsüber
die augen geöffnet
in der mansarde

die Vernunft siecht
in Quaratäne
die Zeit reist
wieder einmal
an dir vorbei

nur mal so......LG revilo
 

Tula

Mitglied
Hallo alle und besonders Arno

Dass man Statistiken missbrauchen kann, liegt auf der Hand. Deine Interpretation verwundert mich dennoch, denn es ging mir beim Beispiel der amerikanischen Schulen sehr wohl ums Gegenteil. Jeder einigermaßen ehrliche und holistische Versuch, sich dem Thema der öffentlichen Sicherheit (hier in den USA) zu stellen, finge mit der Analyse der real existierenden Bedrohungen an (welche, wo, der sogenannte 'impact' usw.). Dazu bedarf es wie bei jeder Risikoanalyse auch Statistiken. Die reale Bedrohung, die daraus erwächst, dass sich jeder zu Hause ein Waffenarsenal zusammenstellen kann, wird ja gerade von gewissen Interessengruppen heruntergespielt. Oder das Gegenteil wird behauptet (mehr Waffen, mehr Sicherheit), wie wir alle wissen. DARIN sehe ich Missbrauch.

Trotzdem triffst du einen Kern in der Sache. Bei diesem Thema geht es auch immer um die vom Bürger wahrgenommene Sicherheit, die mit der realen Bedrohung nicht unbedingt in einem Verhältnis steht. Jeder kennt das: muss ich abends von der U-Bahn noch durch einen Tunnel, "fühle" ich mich sicherer, wenn der hell beleuchtet ist, unabhängig von der realen Gefahr, gerade dort Opfer eines Überfalls zu werden.

Zurück zum Gedicht: Angst ist immer eine emotionale Antwort des Körpers, die oft nur teilweise auf persöhnlicher Erfahrung beruht. Nach der Erklärung des Autors verstehe ich, dass es sich um eine übertriebene und irrationale Angst handelt, die ich allenfalls mit einem traumatischen Erlebnis begründen könnte.

revilo zeigt uns da in der Tat eine lyrisch ansprechende Version, die mir so gefällt

LG
Tula
 
Mondnein, könntest du uns bitte mal erklären, wo hier konkret "der Nichtdichter" dem Verfasser "Honig ums Kinn geschmiert hat"? Falls du die Behauptung nicht belegen kannst, dann nimm sie zurück.

Selbstverständlich habe ich mich nicht "poetologisch" geäußert. Mein Kommentar setzte sich vielmehr ideologiekritisch mit Vorkommentaren auseinander. Von ihnen hatte ich den Eindruck, gerade sie seien alles andere als konstruktive Textarbeit, sondern in Wahrheit politisch begründet. Dieser Eindruck hat sich inzwischen bei mir verstärkt.

Arno Abendschön
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Du bist vielleicht abends schön, aber in Deiner Werkeliste steht nicht ein einziges Gedicht.

troll Dich!
 
Mondnein, du gehst auf meine Frage nicht ein. Wo habe ich dem Verfasser "Honig ums Kinn geschmiert", wie von dir weiter oben behauptet? Bitte klare Antwort. Du kannst die Unterstellung auch zurücknehmen, dann ist die Sache erledigt.

Arno Abendschön
 
Richtigstellung

Mondnein schrieb gestern: " ... in deiner Werkeliste steht nicht ein einziges Gedicht."

Das ist nachweislich falsch. Unter der Rubrik "Ungereimtes" habe ich seit dem 9.7.12 vier lyrische Versuche veröffentlicht, drei davon stehen dort noch, einer wurde nach umfangreicher und kontroverser Kommentierung ins Forum Lupanum verschoben.

Mein letzter Beitrag für "Ungereimtes" erfolgte am 3.4.16. Unter den Kommentatoren darunter findet sich auch Mondnein, und zwar gleich zweimal.

So viel zur Substanz akueller Kommentierung sowie zur Glaubwürdigkeit und den angewandten Methoden.

Arno Abendschön
 

Andakon

Mitglied
Antwort an alle, die bisher Kommentare verfasst haben

Ok. Ich habe meine Ohren nicht verschlossen. Mit manchen Kritikpunkten kann ich durchaus etwas anfangen, mit anderen nicht. Es ist immer noch so: der Ton macht die Musik. In ein eventuelles Kompetenzgerangel mische ich mich nicht ein. Gibt es etwa einen 'inner circle'? Kann nicht einfach JEDER seine Meinung sagen?
Anmaßende Stimmen, die allem Anschein nach alles besser beurteilen können, akzeptiere ich nicht. Von reiner Theorie und politischen Einsprengseln halte ich wenig. Jedenfalls habt ihr alle etwas herausgelesen oder hineininterpretiert, was ich nicht beabsichtigt hatte. Mir ging es nur um den einen Moment, den ich einmal im Körper gespürt habe und ausdrücken wollte. Aber das muss ich mit mir ausmachen. - Ich verstehe jetzt, dass das lyrische Ich besser in Details aufgehoben ist und persönlicher dargestellt werden sollte. Ich denke, das lässt sich umsetzen. Im Grunde liebe ich die Arbeit an feinen Rändern, mit gespitzten Ohren und gefeiltem Ausdruck.
Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit.

"Wenn die Sprache nicht stimmt, ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist." (Konfuzius)

LG, Andakon
 



 
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