Kürzer...
Ursprünglich veröffentlicht von flammarion
ist alles in allem zu lang, zu breit ausgewalzt.
lg
Es fällt mir schwer, es zu kürzen, obwohl natürlich einiges überflüssig ist. Ich kann mich eben schwer von was trennen, ist wie bei Sperrmüll oder bei Altkleidersammlungen. Und wenn es mir schon schwer fällt, ein total überflüssiges Kleidungstück wegzuwerfen, wieviel mehr kostet es mich, einen Satz oder eine gute Formulierung wegzuwerfen. Aus dem gleichen Grund werfe ich auch die unmöglichsten Bücher nicht weg, weil ich weiß, was für eine Mühe es ist, überhaupt was zu schreiben. Geht vielleicht nicht jedem so aber mir schon...
Immerhin hab ich ein paar Sätze entfernt, und es ist eine halbe Seite kürzer geworden. Nicht schlechter, wie ich meine:
Neue Fassung:
Wofür lohnt es sich denn zu leben? Zu sterben? Zu kämpfen?
Nur für die Liebe.
Alles andere ist nichts dagegen.
Reichtum, Erfolg, Macht.
All das ist nicht wichtig.
Nur für die Liebe lohnt es sich, zu leben, zu sterben und zu kämpfen.[/b][/b][/b][/b][/b][/i][/i]
(Brooke Logan Forrester in der Soap ‚Reich und schön’)
Ist das nicht schön? Ist das nicht reich? Sind das nicht gewaltige universelle Worte? Wer hätte gedacht, dass es aus einer Seifenoper stammt, genauer gesagt aus der erfolgreichsten Seifenoper der letzten Jahre. Dabei hört sich so fantastisch wahr an, dass einem fast die Tränen kommen.
Leider dümpelt die Handlung in dieser Soap so vor sich hin – wie in fast jeder Soap – und meistens unterhalten sich die Mitwirkenden über andere Mitwirkende...
Das ist natürlich ziemlich kostensparend und billig gedreht – gut für den Produzenten...
Aber warum höre und sehe
ich mir das an?
In Gottes Namen gestehe ich also: Ich bin süchtig nach ‚Reich und schön’. Es ist eine Sucht, verdammt noch mal und deswegen auch verzeihenswürdig!
Leider aber muss ich tagsüber arbeiten, leider kommt diese Seifenoper morgens um elf Uhr auf dem ZDF (ja das ist der Ollie-Kanal – Traumschiff, Wetten dass und so weiter, und leider muss ich diese Folgen mit meinem total antiken Videorekorder aufnehmen, der irgendwie unberechenbar ist.
Das Aufnehmen der Folgen kann also ziemlich in die Hose gehen, denn wenn man den falschen Tag oder sonst irgendeinen Mist einprogrammiert hat, dann steht man ziemlich blöde da nach der Vorfreude.
Aber am schlimmsten sind die Tage, an denen man alles richtig einprogrammiert hat und dann nach Hause kommt und feststellt, dass das ZDF nicht ‚Reich und schön’ gesendet hat, sondern elendig nervigen Skilanglauf oder die Verabschiedung eines Bundesverfassungsrichters, der in Pension gegangen ist. Also wirklich! Kann mir einer sagen, wen zum Teufel das interessieren soll?
Jedenfalls ist der Tag im Eimer. Es gibt nämlich keinen Ersatz für ‚Reich und Schön’. Es ist ja so genial! Allein schon die Folge, als Taylor im Krankenhaus ihre Zwillinge zu Welt brachte:
Taylor (sie ist die Frau von Ridge, den wiederum Brooke so innig liebt) fällt bei der Geburt ihrer Zwillinge, geschwächt von einer eklig resistenten Tuberkulose, die sie sich von einem Landstreicher, dem sie Gutes tun wollte, geholt hatte, in ein viertelstündiges Koma...
Aber Taylor hat es überlebt. Klar, jeder andere wäre vielleicht hirngeschädigt nach solch einer Tortur, aber nicht unsere Leute aus ‚Reich und schön’. Die sind hart im Nehmen.
Weiter:
Ridge, Taylors Ehemann steht weinend neben ihrem Bett. Ferner zwei Ärzte, diverse Krankenschwestern, und dann kam der Rest der Familie dazu, ihre Schwiegermutter Stefanie, ihr Schwiegervater Eric und sogar ihre bisher größte Feindin, nämlich Brooke, die es immer auf Ridge abgesehen hatte, alle betraten den OP (ist anscheinend in den Krankenhäuser der USA ein ganz normaler Vorgang, aber wenn ich Arzt wäre, hätte ich die alle rausgeschmissen).
Taylor kam übrigens lebend zurück in diese unsere Seifenwelt.
Wo war ich? Folge verpasst aus was weiß ich für Gründen? Am nächsten Tag war es tatsächlich wieder in die Hose gegangen (ich glaube, sie zeigten die Einführungsrede der neuen konservativen Obersten Verfassungsrichterin), mein Frust wuchs ins Unermessliche, und ich hatte das Gefühl eines grauenvollen geistigen und gefühlsmäßigen Mangels. Ja ja die Sucht...
Als seelischen Ersatz griff ich mir DAS Buch. Ich hatte es vor einem Monat als billige preisreduzierte Remittende erstanden. Es war ein ziemlich dickes Buch, hübsch anzusehen mit seinem in rotem Kunstleder und Gold geprägten Einband, und ich dachte, mit solch einem Buch könnte ich es mal wieder mit dem Lesen versuchen.
Risiko! Weswegen? Seitdem ich selber angefangen hatte, zu schreiben, imitierte ich gerne jeden Scheibstil, der mir gefiel. Also Risiko!
Ich griff mir also dieses Buch. Das letzte Buch, das ich gelesen hatte, war von einem amerikanischen Schriftsteller gewesen, er hieß so ähnlich wie Henry James Jones Grace Smith – ein Name ebenso amerikanisch wie nichtssagend.
Dieses Buch hatte mir gar nicht gefallen. Klar, Schriftsteller sind seltsame Wesen, und gut, jeder Schriftsteller schreibt vielleicht über diverse Probleme, aber was manche Schriftsteller sich dabei leisten, geht über jede Hutschnur. Ich (weiblich oder so) versuche ja wenigstens, die Leute ein bisschen zu amüsieren, während ich ihnen meine Probleme klammheimlich unterjubele, aber andere Schriftsteller kennen keinerlei Grenzen. Am schlimmsten finde ich es, wenn sich ein (männlicher) Schriftsteller in Frauen hineinversetzt. Davon haben sie ja nun wirklich keine Ahnung. Was für Unterstellungen!
Ich glaube, das Buch von diesem Henry James Jones Grace Smith hieß: ‚Verdammt sind sie alle’. Unter anderem kam darin eine vierzigjährige Frau vor, die ihr Jungfernhäutchen noch hatte (ich glaube, das ist so eine fixe Idee von Männern) und die absolut nicht wusste, wie sie es loswerden konnte. ???
Klar doch, wer so etwas schreibt, der ist wirklich verdammt.
Aber nun wieder zu meiner preisreduzierten Remittende. Das Buch hieß ‚Lucien Leuwen’, der Autor war ein gewisser Stendhal, und das Buch war unheimlich dick.
Genüsslich öffnete ich es und fing an zu lesen.
Upps... Die sogenannte Einführung war fünfunddreißig Seiten lang.
Danach kamen das erste, das zweite und das dritte Vorwort vom Autor selber (drei Seiten lang). Diese Vorworte waren erfrischend kurz, wenn auch für mich recht unverständlich.
Dann wurde kurz LORD BYRON zitiert:
In Paris lebte einst eine Familie, die von ihrem Oberhaupt, das viel Geist hatte und obendrein zu gebieten verstand, vor gemeinen Ideen bewahrt worden war.
Großes Fragezeichen meinerseits...
Dann kam wieder ein Wort vom Autor selber an den ‚Wohlwollenden Leser’, in dem er seine Leser vor dem warnte, was kommen sollte. Das war auch erfrischend kurz (eine Seite nur).
Aber leider hatte ich seine Warnungen nicht ernstgenommen und trotzdem angefangen zu lesen.
Okay, es folgten 810 (in Worten achthundertzehn) Seiten, zu deren Handlung ich mich gleich später auslassen werde, und danach kam noch ein kleiner Anhang von circa elf Seiten, wieder an den ‚Wohlwollenden Leser’ gerichtet – der ich aber mittlerweile nicht mehr war – in dem Stendhal ein paar sogenannte Skizzen, Bruchstücke und Testamente zum Besten gab und irgendein Typ noch seinen Senf zu irgendwelchen Skizzen, Bruchstücken und Testamenten sowie zu anderen Romanen von Stendhal ablassen musste. Danach kamen Anmerkungen zu Fußnoten, die den Rahmen der Seiten gesprengt hätten, wären sie jeweils unten auf der entsprechenden Seite erschienen.
Dieses nahm uninteressante 35 (in Worten fünfunddreißig!) Seiten in Anspruch.
Zum Schluss kam noch ein kleines Nachwort des Herausgebers, weil der auch noch unbedingt seinen Senf dazugeben musste, aber Gott sei Dank war es nur eine schlappe Seite lang.
Nun zur Handlung:
Es spielt im Frankreich des 18. oder 19. Jahrhunderts unter irgendeinem Napoleon.
Lucien, ein junger Mann aus Paris und aus sogenannten guten Verhältnissen verliebt sich in eine junge rotblonde Witwe. Leider kommt nichts dabei herum, weil er im entscheidenden Augenblick einen Rückzieher macht.
Danach geht er in die Politik.
Das ist nicht unbedingt das, wovon ein Mädchenherz so träumt, aber ich habe durchgehalten und den ganzen Roman gelesen, und es waren die unerfreulichsten Tage meines Lebens.
Ich glaube, ich hasse manche Schriftsteller! Vor allem diese langweiligen Schwätzer mit ihrem zwar wundervoll elegantem Stil, wo aber nix hinter ist, zumindest nicht für mich.
Und ich hoffe, dass ich meine eigenen Leser nicht so langweile, wie Stendhal mich gelangweilt hat. Klar, mein Geschreibsel ist bestimmt nicht so künstlerisch wertvoll wie seins, aber dafür auch nicht mit so vielen Vorworten, Nachrufen, Registern, Fußnoten, Appellen an den wohlwollenden Leser und sonstigem Firlefanz versehen.
Außerdem und zu meinem großen Entsetzen musste ich später feststellen, dass der amerikanische Autor Henry James Jones Grace Smith ein Fan von diesem Stendhal war. Oh! Mein! Gott! Eine Krähe hackt der anderen also kein Auge aus, sondern kriecht ihr noch in den Hintern...
Also doch besser ‚Reich und schön’ gucken? Zumindest haben die keinen literarischen Anspruch. Die Handlung ist zwar ähnlich unergiebig wie bei Stendhal und bei Henry James Jones Grace Smith, aber es gibt Kombinationen bei den Liebespaaren, da schlackert man wirklich mit den Ohren. Es gibt sogar Sex. Und man wird süchtig danach, was ich von Stendhals Roman mit seinen künstlich erscheinenden Figuren wirklich nicht behaupten kann.
Also: 1:0 für ‚Reich und schön’?
1:0 für eine Fernsehserie gegen einen angeblichen Klassiker?
Das wäre wirklich traurig.
Aber ich weiß nur, dass ich amüsiert werden will und dass ich interessante Sachen lesen will, und das konnte keiner dieser beiden sogenannten Schriftsteller auch nur im entferntesten erreichen.
Auch wenn die Literaturpäpste mich mit Mist bewerfen werden. Ich musste das mal sagen.
Also bewerft mich...
Gut, kürzer kann ich es nicht machen, denn dann wäre es eine ganz andere Geschichte.
liebe Grüße Ingrid